Club der einsamen Herzen

Hannelore Elsner, Uschi Glas, Jutta Speidel, Christine Hartmann. Zu viel verschenkt

Foto: Degeto / Laurent Trümper
Foto Tilmann P. Gangloff

„Club der einsamen Herzen“ (Degeto / tnf) ist einer der letzten Filme mit Hannelore Elsner und bietet ihr einen würdigen Abschied; allerdings erst ganz zum Schluss, als sie in ihrer Rolle als ehemaliger Schlagerstar einen großen Auftritt hat. Bis dahin zeichnet sich die Tragikomödie vor allem durch eine Verschwendung von Potenzial aus, und das gilt sowohl für den Inhalt wie auch für die beiden weiteren Hauptdarstellerinnen Jutta Speidel und Uschi Glas. Christine Hartmann (Buch und Regie) erzählt von drei früheren Freundinnen, die das Tanzcafé ihrer Jugend neu eröffnen wollen; der schöne Plan wird jedoch von den um ihr Erbe fürchtenden Kindern sabotiert. Der Stoff bietet eine Menge guter Ansätze, wirkt in Hartmanns Umsetzung aber wie ein familienfreundlicher Freitagsfilm, der versehentlich auf den Samstag gerutscht ist. Gerade die Dialoge hätten weitaus böser ausfallen können; das Beleidigungsniveau kommt jedoch über „verbitterte Schnepfen“ nicht hinaus.

Eigentlich seltsam, dass die ARD am ursprünglichen Ausstrahlungstermin dieses Films festgehalten hat; das „Erste“ hätte „Club der einsamen Herzen“ auch gut vorziehen und bereits anlässlich des Todes von Hannelore Elsner ausstrahlen können. Die im April verstorbene Schauspielerin spielt zwar nur eine der drei Hauptrollen, aber daran wird’s ebenso wenig gelegen haben wie an der Qualität des Films; in dieser Hinsicht haben Sender ohnehin andere Kriterien als Kritiker. Tatsächlich hätte die Komödie zum Beispiel weitaus bitterer und böser ausfallen können; die von der ARD-Tochter Degeto verantwortete Produktion wirkt wie ein Freitagsfilm, der versehentlich auf den Samstag gerutscht ist.

Regisseurin und Koproduzentin Christine Hartmann, die für das Drehbuch (Koautorin: Gerlinde Wolf) durch Erfahrungen aus ihrer eigenen Familie inspiriert worden ist, erzählt eine Geschichte mit ernstzunehmendem Hintergrund. Die Botschaft wird deutlich, als die drei Hauptfiguren, alle siebzig plus, ihren Angehörigen in einer allerdings recht inszeniert anmutenden Szene klar machen, dass sie noch nicht zum alten Eisen gehören. „In unseren Herzen ist alles noch wie früher“, versichert Kiki (Elsner); sie verspürten dieselben Wünsche, Träume und Sehnsüchte wie einst. Helga (Jutta Speidel) sagt, sie hätten noch zehn, vielleicht fünfzehn gute Jahre; und die wollten sie nicht vor dem Fernseher verbringen, ergänzt Maria (Uschi Glas), die Dritte im Bunde. Das klingt nach einer guten Basis für eine interessante Handlung: Drei aufmüpfige Kleinstadtrentnerinnen wehren sich gegen das Abstellgleis und investieren ihre Altersvorsorge in die Neueröffnung eines Tanzcafés, mit dem sie die Erinnerungen an ihre Jugend verbinden; schließlich haben sie nichts mehr zu verlieren, wie Helga aus einem Ratgeber für „Best Ager“ lernt.

Club der einsamen HerzenFoto: Degeto / Jürgen Olczyk
Die Freundinnen eröffnen gemeinsam ein Tanzcafé. Die Einschläge kommen näher. Uschi Glas, Hannelore Elsner & Jutta Speidel

Ein ausgezeichneter Stoff für eine knackige TV-Komödie, aber draus geworden ist ein Film, der offenkundig niemandem weh tun will; da war Hartmanns Verfilmung von Gaby Kösters autobiografischem Schlaganfallbuch „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“ (RTL 2017) von ganz anderem Kaliber. „Club der einsamen Herzen“ ist viel zu brav, um wirklich böse zu sein. Das gilt vor allem für die harmlosen Bosheiten, die sich die Grazien gegenseitig an den Kopf werfen. Begnadete Dialogschreiber wie Martin Rauhaus („Ein starker Abgang“) oder Uli Brée („Die Spätzünder“) hätten dafür gesorgt, dass sich die drei Hauptfiguren tatsächlich verbal die Augen auskratzen; schlimmere Entgleisungen als „verbitterte Schnepfen“ hat der Film jedoch nicht zu bieten. Selbst Giftspritze Josefine (Gundi Ellert), die den ganzen spießigen niederbayerischen Provinzmief verkörpert, vor dem Kiki einst geflohen hat, ist eine Figur mit gebremstem Schaum. Für Hannelore Elsner hingegen ist der frühere Schlagerstar eine Paraderolle, die sie weidlich auskostet: Schamlos setzt Kiki auch heute noch ihren Charme ein, um ihre Ziele zu erreichen. Die einstige Karriere ist allerdings längst verblasst; beim letzten Auftritt, gesteht sie schließlich, sei sie ausgebuht worden. Das wiederum ist kaum zu glauben, als Hartmann für Elsner ein Finale inszeniert, das ihre ganze Größe feiert; die Schauspielerin hatte schon in dem Kinodrama „Auf das Leben!“ (2014) gezeigt, dass sie womöglich auch Karriere als Chanson-Sängerin hätte machen können.

Soundtrack: Simon & Garfunkel („The Sound Of Silence“), Claudine Longet („Sugar Me”), Rockwell („Somebody’s Watching Me”), Bonnie Tyler („Holding Out For A Hero”), The Animals („House Of The Rising Sun”), Bee Gees („Stayin’ Alive”), Procol Harum („A Whiter Shade Of Pale”)

Die Handlung beginnt mit Kikis Comeback: Zum ersten Mal seit ihrem Abschied vor 45 Jahren kehrt sie in die alte Heimat Landshut zurück. Sie lebt zwar mittlerweile in einem zum Wohnmobil umfunktionierten alten Feuerwehr- oder THW-Fahrzeug, gibt aber immer noch die Diva; die Autogrammkarten, die sie verteilt, zeigen sie als schöne junge Frau. Helga und Maria, schon namentlich längst nicht so glamourös wie Kiki (die mit Nachnamen allerdings ganz unspektakulär Kröschl heißt), führen dagegen ein typisches Witwendasein. Maria, deren Juweliergeschäft nun von ihrem Sohn Jakob und dessen Frau (Max Schmidt, Kathrin von Steinburg) betrieben wird, vertreibt sich die Zeit mit dem Besuch von Beerdigungen und hält dort Ausschau nach Kandidaten für einen gemeinsamen Lebensabend. Auf Kiki ist sie gar nicht gut zu sprechen, weil die ihr einst den Freund ausgespannt hat. Helga ist auch nicht gerade ausgelastet und vor allem damit beschäftigt, dem vor einigen Jahren verblichenen Gatten nachzutrauern. Außerdem muss sie sich ihrer respektlosen Töchter Sabine und Ricarda (Kathrin Anna Stahl, Ina Lehmann) erwehren, denn die beiden wollen sie aus nicht ganz uneigennützigen Gründen dazu bringen, ihr Eigenheim zu verkaufen. Sabine treibt es besonders weit und schmiedet zusammen mit Jakob ein Komplott, um Helga und Maria in eine Seniorenresidenz abzuschieben.

Club der einsamen HerzenFoto: Degeto / Jürgen Olzcyk
Giftspritzen. Sabine (Kathrin Anna Stahl) stellt den Handwerker (Hansi Kraus) und seine Frau Josefine (Gundi Ellert) zur Rede.

Hartmann („Hanni & Nanni“) hat schon oft beweisen, wie gut sie ihr Metier beherrscht; zuletzt mit einem guten „Tatort“ aus Köln („Familien“, 2018), davor unter anderem mit dem außerordentlich gut gespielten ADHS-Drama „Keine Zeit für Träume“ (2014). Selbst eine ihrer frühesten Arbeiten, die Degeto-Komödie „Die Eltern der Braut“ (2003), wirkte bei ihrer Wiederholung 2015 nach all’ den Jahren noch nicht verstaubt. Aus „Club der einsamen Herzen“ hätte daher ein viel besserer Film werden müssen. Daran ändern auch die sympathischen Ideen nichts, die sich durch die Handlung ziehen, etwa die vergeblichen Versuche von Ricardas Freund Flori (Tjark Bernau), seinen Heiratsantrag loszuwerden, oder die an den seltsamsten Stellen auftauchenden Büroklammern, die Helga für Botschaften ihres verstorbenen Mannes hält. Mitunter will Hartmann auch zu viel: Bei einer Beerdigung fängt sich Kiki eine Ohrfeige, weil ein dementer älterer Herr im Beisein seiner Gattin (Billie Zöckler) vom früheren Seitensprung mit der Sängerin schwärmt. Eine eigentlich runde Szene; aber dann muss Helgas Enkel auch noch hinter einen Baum pinkeln.

Schade ist es jedoch vor allem um das Potenzial der drei Hauptdarstellerinnen. Uschi Glas stapft vorzugsweise grimmig oder verbittert durch die Handlung, Jutta Speidel muss meist verhärmt dreinschauen. Hannelore Elsner hat entsprechend wenig Mühe, um Kiki im Kontrast zu den beiden früheren Freundinnen wie einen Paradiesvogel wirken zu lassen; im Grunde erreicht sie den Effekt bereits, wenn sie sich eine Federboa um den Hals legt. Die sympathischste Rolle des Films hat Hansi Kraus, älteren Zuschauern noch sehr lebendig als Pepe Nietnagel aus der Paukerfilmreihe „Die Lümmel von der ersten Bank“ (1968 bis 1972) in Erinnerung. Er spielt den Gatten der Giftspritze, der im Stillen schon immer für Helga geschwärmt hat und schließlich für ein Happy End sorgt. Gelungen ist auch die Songauswahl: Passend zum Alter der Protagonistinnen erklingen statt des sonst in solchen Filmen unvermeidlichen Schmusepops vor allem Klassiker. (Text-Stand: 13.5.2019)

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Hannelore Elsner, Uschi Glas, Jutta Speidel, Gundi Ellert, Kathrin Anna Stahl, Max Schmidt, Hansi Kraus, Kathrin von Steinburg, Ina Lehmann, Lennox Voelklein, Billie Zöckler, Gerhard Wittmann, Tjark Bernau, Eduardo Mulone

Kamera: Peter Nix

Szenenbild: Uwe Szielasko

Kostüm: Alexander Beck

Schnitt: Cosima Schnell

Musik: Fabian Römer

Redaktion: Claudia Luzius, Sascha Schwingel

Produktionsfirma: tnf telenormfilm

Produktion: Florian Deyle, Philip Schulz-Deyle

Drehbuch: Christine Hartmann, Gerlinde Wolf

Regie: Christine Hartmann

EA: 08.06.2019 20:15 Uhr | ARD

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