„Wir wollen in zehn Jahren ausländerfrei sein“, versucht sich Bomber Gehör zu verschaffen bei Kurt, seinem Helden, seinem Vorbild. Doch den beeindrucken solche Sprüche nicht mehr. Zwei Jahre saß er im Gefängnis – für den dicken Suffkopf, seinen besten Freund. Eine Synagoge hat Bomber in Bierlaune angezündet. Kurt guckte zu, wurde geschnappt, verpfiffen hat er ihn nicht. Aber er hat nachgedacht im Knast. Er weiß, dass er so nicht weitermachen möchte. Doch er hat erst einmal keine Alternative. Er kehrt zurück an den Ort seiner unrühmlichen Jugend – und befindet sich bald zwischen allen Fronten: da ist Bomber, den er mag, da seine neonazistischen Raufbrüder, die ihm zunehmend zuwider sind, und da ist Ayse, eine Türkin, die er bei einer unglückseligen Aktion rettet und in die er sich verliebt.
„Es ist ein Film über Freundschaft und Verrat, Liebe und Hass, Leben und Tod.“ So sieht der Autor und Regisseur Manfred Stelzer seinen Film „Brennendes Herz“. Es ist die Geschichte von einem, der immer zur falschen Zeit am falschen Ort ist. Auch „Romeo und Julia“ schwingt mit. „Wir waren uns darin einig, dass wir nicht einen sozialkritischen Jugendnazi-Film machen wollten“, betont Kurt-Darsteller Alexander Scheer. Die beiden männlichen Hauptfiguren sind denn auch zwei Jugendliche, denen die Pespektive abhanden gekommen ist, die aber keine „richtigen“ Neonazis sind. Kurt weiß zunächst nur, was er nicht will, und Bomber ist einer, der sich von seiner Mutter durchfüttern lässt und zufällig bei den „Faschos“ gelandet ist. Beide geraten von allen Seiten unter Druck. Scheer: „Das ist schicksalhaft, hat Shakespearsche Ausmaße, ein klassisches Drama.“
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Der Rettungsanker für Kurt könnte Ayse sein, die junge Türkin, der er das Leben rettet. Sie ist der Gegenentwurf zu dem Leben der nazistischen „Kameraden“, dessen Grundpfeiler Hass und Rache sind. Sie vertraut Kurt, glaubt an das Gute in ihm. „Sie ist im Film der Engel, der versucht, ihn aus dem Teufelskreis zu holen“, sagt Ayse-Darstellerin Ivan Subay. „Sie selbst allerdings glaubt, dass Kurt der Engel ist, den ihr der tote Vater geschickt hat, um sie aus dem Feuer zu retten.“ Doch die Liebe betont die Tragik nur noch mehr und der Zuschauer ahnt früh, dass diese Geschichte kein gutes Ende nehmen kann.
Stelzer weiß, weshalb er auf das Universale an seinem Film und nicht auf das Neonazi-Thema insistiert. Die emotionale Kraft von Liebe und Freundschaft ist filmischer als die Kritik an nationalistischen Parolen. Stelzer erkannte auch, wo die Qualitäten von „Brennendes Herz“ liegen. Bestimmt nicht in einer nuancierten Darstellung der neonazistischen Hitzköpfe. Sie sind dramaturgische Pappkameraden, brutale Idioten, sie sind die Bösen, die Front, die Happy-End-Verhinderer. Die Qualitäten liegen im zeitlosen Motiv der unmöglichen Liebe und im beeindruckenden Spiel von Alexander Scheer, der einst durch den Ostalgie-Kinohit „Sonnenallee“ bekannt wurde. Sein Kurt und die Art, wie er sich stoisch in sein Schicksal fügt, das weckt von Anfang an Neugier. Und wie der 31-Jährige seine schwierige Rolle umsetzt, diese kleinen Zeichen, ist große Klasse. „Wir hatten uns vorher überlegt, dass er zuckt oder einatmet, bevor er losschlägt“, erinnert sich Scheer, „so wie ein Vulkan, der ein Vorbeben hat.“