Der „Lindi“, der Prototyp des ersten selbstfahrenden Autos sollte das innovative Aushängeschild des Technologiekonzerns Lindemann werden. Doch nachdem bei einer nicht genehmigten Testfahrt eine Radfahrerin zu Tode kam, steht das Roboterauto nicht nur öffentlich unter Beschuss, auch in der Familie ist es umstritten. Der Vorstandsvorsitzende Benedikt Lindemann (Justus von Dohnányi) und seine Tochter Charlotte (Laura Berlin), Leiterin der Entwicklungsabteilung, sind die glühendsten Verfechter des „Lindi“. Leonore (Nicole Heesters), Benedikts Mutter, die graue Eminenz, und ihr Lieblingssohn, der leichtlebige Maximilian (David Rott), opponieren indes immer lautstärker gegen das kostspielige Projekt. In dieser brisanten Situation ist die neue Mitarbeiterin der Rechtsabteilung, Nora Shaheen (Lorna Ishema), gefordert – was vor allem die Aufbesserung des Firmenimages betrifft. Benedikt Lindemann findet Gefallen an deren unkonventionellen Strategievorschlägen und betraut sie deshalb auch mit einigen sehr speziellen Familien-Angelegenheiten. So muss sie den Sohn des Konzernchefs und Revoluzzer der Familie, Konstantin (Rafael Gareisen), nach einer Nacht-und-Nebel-Aktion seiner Aktivistengruppe aus dem Knast holen. Die Nähe des jungen Mannes sucht seit kurzem die jugendliche Aussteigerin Jenny (Silke Irslinger). Sie will sich Zugang verschaffen zu Konstantins Familie. Später wird es auch Nora mit ihr zu tun bekommen. Das Mädchen ist unberechenbar. Plant sie womöglich eine „Überraschung“ zur Hundertjahrfeier der Lindemann AG? Gegen diesen Problem-Punk könnte die Auseinandersetzung um den „Lindi“ nur eine Bagatelle sein.
Ein globales Wirtschaftsunternehmen vertuscht einen Skandal, eine Familie schützt ein Geheimnis, um ihre gesellschaftliche Stellung zu bewahren. Die sechsteilige ZDF-neo-Serie „Breaking Even“ vereint Wirtschafts- und Familiendrama mit den Mitteln des Thrillers, indem eine in kriminalistischen Recherchen unerfahrene Juristin in die Ermittler-Rolle schlüpft. Auch die wenig zugängliche Herumtreiberin will bald nicht mehr nur Tabula Rasa machen, sondern sie sucht Antworten. Vor 15 Jahren ist ein Mord passiert. Die ehrwürdige Sippschaft der Lindemanns könnte etwas damit zu tun haben. Doch wer kann und will ihr darauf schon Antwort geben. So gut wie jeder der führenden Köpfe des Clans gerät im Laufe der viereinhalb Stunden unter Verdacht. Und doch funktioniert diese Hybrid-Produktion, die den Hochglanz und die Besetzung einer Primetime-Serie mit der Coolness eines eher jugend- und zeitgeistnahem Nischenprogramms verbindet, nicht nach den Gesetzen eines Whodunit, sondern eher nach dem beliebten Muster „Man kann sich niemals sicher sein“.
„Breaking Even“ ist zu guter Letzt eine im wahrsten Sinne des Wortes Wahnsinns-Serie. Die an überraschenden Wendungen reichen letzten drei Episoden entschädigen voll und ganz für die allzu vielen Fragezeichen, narrativen Leerstellen (die sich vom Zuschauer nicht ansatzweise mit Hypothesen füllen lassen) und das Fehlen strukturierender Vorausdeutungen, die einem die Serie in den ersten beiden Folgen aufbürdet. Wer sich in Geduld übt, erst einmal das ansprechende Design, den stylishen Düster-Look, die stimmige Ausstattung und die elegante Montage, zu goutieren weiß, der wird mit einer ebenso formal spannenden, wie inhaltlich faszinierenden Geschichte entschädigt. Während also die Dramaturgie anfangs Schwächen zeigt und sich dadurch – wegen des Unwissens des Zuschauers – bei der Rezeption der Handlungsstränge nur schwer ein emotionaler Flow ergeben kann, ziehen einen die Folgen 3 bis 6 umso mehr in ihren Bann – vorausgesetzt, man erwartet kein Charakter-Drama und keine komplexe Narration: Trotz mehrerer Erzählstränge ist der Weg zum Familiengeheimnis sehr geradlinig erzählt. Die Recherche der schwarzen Heldin und später auch der jungen Aussteigerin geben der Geschichte ihre Richtung. Eine übergeordnete Instanz, wie sie sich zuletzt in den Ausnahmeserien „Babylon Berlin“ und „Oktober-fest 1900“ in Erzählperspektive und filmästhetischer Gestaltung zeigte, gibt es in der beträchtlich preiswerteren Serie von Rafael Parente (Head-Autor und Produzent) und Boris Kunz (Head-Autor und Regie) nicht. Auch sind die Dialoge eher funktional und wenig raffiniert: Sie charakterisieren bestenfalls die Figuren, und die Dialogwechsel verzichten auf feine Beziehungszwischentöne. „Breaking Even“ ist eindeutig Plot-gesteuert und verbindet eine populäre Genre-Erzählung mit dem dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte. So ist es kein Zufall, dass die Lindemanns eine deutsch-jüdische Familie sind – auch wenn die Religion in diesem Hause kaum noch gepflegt wird. KZ-Bilder im Imagefilm zum Lindemann-Jubiläum, das findet Lebemann Maximilian völlig unpassend: „Der absolute Stimmungskiller“.
Die Mixtur aus Premium-Serie und Nischenprogramm kann sich insgesamt sehen lassen. Die Besetzung ist erstklassig und absolut stimmig. Die Inszenierung muss sich nicht vor internationalen Serien mit vergleichbarem Production Value verstecken. „Breaking Even“ ist außerdem ein gutes Beispiel dafür, wie wenig Sinn es machen kann, eine ernsthafte Kritik nach den ersten zwei, drei Folgen zu schreiben. Denn erst in Folge 6 wird das narrative Konzept der Serie deutlich – und man kann erkennen, dass bei aller Kritik an der etwas zu ausführlichen, zu fahrigen Exposition diese eine Fortsetzung geradezu fordernde Serie wohl ihre aufregendsten Momente noch vor sich hat. Verraten darf man natürlich nichts. Und auch wenn der anfangs nicht sonderlich innovative Plot etwas überdeutlich um Gegensatzpaare wie arm/reich, idealistisch/pragmatisch, moralisch/amoralisch, heruntergekommen/verkommen konstruiert ist, am Ende, wenn sich die Ereignisse überschlagen und nach zahlreichen kleinen Wendungen die Auflösung für manch Überraschung gut ist, dann zählt allein die Wirkung.