Für maßlose Übertreibungen, die dem eigenen Programm auf die Sprünge helfen sollen, waren in der hierzulande bislang vor allem die kommerziellen Vertreter zuständig. Nun reiht sich auch ZDF-Redakteur Wolfgang Feindt ein: Die Miniserie „Borgia“, tönt er im Pressematerial zur 2. Staffel, sei „das absolute Highlight“ des TV-Jahres 2011 gewesen. Die Behauptung ist auf fast schon groteske Weise falsch, wie Staffel 2 nachdrücklich bestätigt.
Dem internationalen Erfolg zum Trotz war der Sechsteiler „Borgia“ künstlerisch eher enttäuschend; und mit durchschnittlich 4,73 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 14,8 Prozent) war die episch erzählte Geschichte über die Intrigen der berüchtigten spanischen Adelsfamilie nicht einmal quantitativ herausragend. Trotzdem hat es sich aus Sicht des ZDF gelohnt, gemeinsam mit ORF und Canal+ einen Großteil der Produktionskosten (insgesamt ca. 25 Mio. Euro) zu übernehmen, denn im Gegenzug erhielt man sechs fernsehfilmlange Folgen; und dank der ungewöhnlichen Häufung von Sex und Gewalt auch ein lebhaftes Presseecho.
Die Tatsache, dass die Produktion in mehre Dutzend Länder verkauft werden konnte, machte eine Fortsetzung fast obligat. Allerdings stellt sich angesichts wiederholter Déjà-vu-Erlebnisse die Frage, ob es nicht genügt hätte, die 1. Staffel zu wiederholen. Stilistisch, dramaturgisch & inhaltlich ist sich Tom Fontana, der amerikanische Schöpfer der Serie, ohnehin treu geblieben. Erneut ist die Erzählweise derart zerrissen, dass das Ganze wie eine Supersoap wirkt: Ständig hüpft die Handlung von einem Strang zum anderen; wer sich nicht mehr an die Charaktere erinnert oder Staffel 1 nicht gesehen hat, könnte Probleme mit der Orientierung bekommen.
Damit „Borgia“ international als zwölfteilige Serie verkauft werden kann, deren einzelne Folgen eine kommerzielle Stunde füllen müssen, dauern die sechs Filme jeweils 100 Minuten. Die können einem ziemlich lang vorkommen, weil sich die Handlung ständig im Kreis dreht. In Staffel eins haben Sex und Gewalt immerhin noch für eine gewisse Kurzweiligkeit gesorgt. Der entsprechende Nervenkitzel beschränkt sich nun jedoch weitgehend auf den Vorspann, der demnach einem falschen Versprechen gleichkommt. Die Reduzierung der umstrittenen Anteile sorgt zwar dafür, dass zartbesaitete Gemüter nicht so oft wegschauen müssen, aber zumindest hinsichtlich der erotischen Szenen verliert das Epos buchstäblich einen Großteil seines Reizes. Umso widerlicher ist in der ersten Folge eine Gewaltszene, bei der die sogenannte Birne des Papstes, ein Gerät zur Bestrafung homosexueller Männer, eine penetrante Rolle spielt; auch wenn die Verantwortlichen der Reihe in aller Unschuld beteuern können, die entsprechende Einstellung sei doch harmlos, weil das Grauen außerhalb des Bildes stattfinde.
Wirklich interessant ist „Borgia“ allein wegen der liebevoll eingefädelten Komplotte, und die gibt es wahrlich zuhauf. Gerade im Vatikan des zum Staffelauftakt ausgebrannten Papstes Alexander VI., bürgerlich Rodrigo Borgia (John Doman), wird intrigiert, was das Zeug hält. Zweite Hauptfigur ist sein Sohn Cesare (Mark Ryder), der sich als Kardinal in Neapel ebenso leidenschaftlich wie vergeblich in die schon vergebene schöne Königstochter verliebt hat. Eher ereignisarm ist dagegen das Dasein von Tochter Lucrezia (Isolda Dychauk), die sich hochschwanger in ein verdunkeltes Gemach zurückgezogen hat, um abgeschieden von der Welt ihr Kind zu gebären. Die nach wie vor international allenfalls zweitklassigen Schauspieler sind erneut kein Grund, dem Sechsteiler 600 Minuten Lebenszeit zu widmen; immerhin klingt die Selbstsychronisation Dychauks (mittlerweile 20) nicht mehr ganz so grauenhaft wie noch vor zwei Jahren. Opulent und aufwändig sind erneut Szenen- und Kostümbild. Abgesehen davon beweisen jedoch gerade die Montagsfilme des ZDF, wie man mit weniger Geld handwerklich weitaus professioneller und dramaturgisch wesentlich wirkungsvoller arbeiten kann. Das „Zweite“ zeigt die sechs Filme wie bei der 1. Staffel innerhalb von zehn Tagen.