Blutholz

Joachim Król, Nosbusch, Levshin, Buresch, Torsten C. Fischer. Schmutzige Geschäfte

Foto: ZDF, Arte / Hannes Hubach
Foto Tilmann P. Gangloff

Der Mann ist ein Wrack, aber als er erkennt, dass er als Figur in einem abgekarteten Spiel missbraucht werden soll, erwachen seine Lebensgeister: Die Hauptfigur von „Blutholz“ (ZDF, Arte / Schiwago Film) ist eine Rolle wie geschaffen für Joachim Król. In dem sehenswerten Öko-Krimidrama spielt er einen Trinker mit Jugendtrauma, der in seine einstige rumänische Heimat zurückkehrt, um nach dem verschwundenen Manager einer deutschen Holzfirma zu suchen. Subthema des Films ist ein Umweltskandal, der hierzulande kaum zur Kenntnis genommen wird: In Rumänien werden für deutsche Möbel ganze Wälder abgeholzt. In erster Linie handelt der Film aber von der Konfrontation eines abgestürzten Mannes mit den Dämonen seiner Jugend; und vom Wiedersehen mit seiner einstigen großen Liebe. Wie gut das Rumänisch der deutschen Mitwirkenden ist, müssen Einheimische beurteilen; es klingt jedenfalls sehr überzeugend.

In Westafrika werden riesige Waldflächen vernichtet, damit die Deutschen ihrem liebsten Sommervergnügen nachgehen können. Weil der Öko-Skandal regelmäßig Thema von Reportagen und TV-Dokus ist, achten umweltbewusste Menschen darauf, keine Grillkohle zu verwenden, die aus Tropenholz hergestellt worden ist. Kaum bekannt ist dagegen ein ähnlicher Frevel, der in einem Mitgliedsstaat der EU ereignet: Ein großer Teil des hiesigen Möbelholzes stammt aus Rumänien. Auch dort gibt es ganze Landstriche, auf denen kein Baum und kein Strauch mehr wächst. Darum geht es in „Blutholz“, darauf bezieht sich auch der Titel: Geschützter rumänischer Wald blutet für deutsche Wohnzimmer. Das Buch von Alexander Buresch und Regisseur Torsten C. Fischer verpackt den Umweltskandal jedoch geschickt als fesselnde Mischung aus Krimi, Drama und Thriller. Das Subthema schwingt zwar ständig mit, doch im Vordergrund steht die Konfrontation eines Mannes mit seinem Jugendtrauma.

Vor vierzig Jahren ist der junge Siebenbürgener Hans Schüssler (Joachim Król) beim Schmuggeln von Westware erwischt worden. Seine Haft währte nur wenige Tage, dann hat ihn die Bundesregierung freigekauft, doch das Foltererlebnis sucht ihn nach wie vor in seinen Alpträumen heim. Damals hat er sich geschworen, nie wieder nach Rumänien zurückzukehren, aber nun hat der mittlerweile ziemlich heruntergekommene ehemalige Bundeswehrzielfahnder ein Angebot erhalten, das er nicht ablehnen konnte: Er soll in seiner früheren Heimat Brașov, hierzulande als Kronstadt bekannt, nach dem verschwundenen Manager einer deutschen Holzfirma suchen. Natürlich stolpert der Trinker auf Schritt und Tritt über seine eigene Vergangenheit, und selbstredend war es kein Zufall, dass ausgerechnet er dem Unternehmen für den Auftrag empfohlen worden ist.

BlutholzFoto: ZDF, Arte / Hannes Hubach
Strenge Blicke. Auch Anwältin Katja Schöne (Alina Levshin) und die Staatsanwältin Silvia Dancu (Désirée Nosbusch) ermitteln – jedoch mit unterschiedlichen Interessen.

Inhaltlich liegt die Besonderheit des Films in den beiden Geschichten, die er erzählt: Über die Verbrechen der rumänischen Securitate ist hierzulande nicht allzu viel bekannt, und wer fragt beim Möbelkauf schon danach, wo das Holz für das Bett oder den Kleiderschrank herkommt? Die Kunst des Drehbuchs wiederum liegt in der Verknüpfung der beiden Ebenen, zumal Buresch und Fischer noch eine dritte Geschichte erzählen: Schüssler ist mehr als bloß das Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart, denn beiläufig handelt „Blutholz“ auch von einer vierzig Jahre alten Liebesgeschichte. Prompt erwachen die alten Gefühle zu neuem Leben, als Hans auf die Gefährtin seiner Jugendjahre trifft: Silvia Dancu (Désirée Nosbusch) ist heute Staatsanwältin und hat gute Chancen, dank ihres Versprechens für mehr Transparenz die nächste Bürgermeisterin von Brașov zu werden. Die Szene, als die beiden in Erinnerungen schwelgen und sich die Platten anhören, die Hans damals ins Land geschmuggelt hat, gehört zu den wenigen entspannten Momenten des Films. Ähnlich emotional ist die Begegnung mit dem alten Vater (Peter Franke) seines besten Freundes und Schmuggelpartners, der damals in der Haft gestorben ist.

Fischer, dessen Sonntagskrimis immer sehenswert sind, hätte den Film problemlos auch als Thriller inszenieren können, zumal Schüssler mehrfach in bedrohliche Situationen gerät: Er gilt bei den Einheimischen als Repräsentant der Holzfirma, und die ist hier nicht gut gelitten; erst recht, seit es durch den Raubbau am Wald zu einem Erdrutsch gekommen ist, bei dem zwei Roma-Kinder gestorben sind. Trauen kann er ohnehin niemandem. Das Rumänien seiner Vergangenheit war ein Land, in dem es nur zwei Sorten von Menschen gab: Spitzel und Bespitzelte. Heute, stellt er alsbald fest, herrscht zwar kein Klima der Angst mehr, aber zwei Sorten gibt es immer noch: Die einen haben Geld, die anderen halten die Hand auf. Die Spannung resultiert auch aus der Frage, in welche Kategorie die Männer gehören, mit denen er es zu tun hat. Dass der mächtige Bauunternehmer Rednic (Geo Dobre), der sich gern kultiviert gibt, ein Schurke ist, steht außer Frage, aber andere, denen Schüssler ebenfalls misstraut, entpuppen sich unerwartet als Mitstreiter. Eine interessante Rolle spielt auch Alina Levshin als ehrgeizige junge Anwältin des Holzunternehmers (Alexander Beyer), die keinen Hehl daraus macht, dass sie Schüssler für eine komplette Fehlbesetzung hält; aber der als ausgebrannter Zyniker eingeführte Schnüffler wächst an der Herausforderung und weigert sich, die ihm in diesem abgekarteten Spiel zugedachte Rolle zu übernehmen.

BlutholzFoto: ZDF, Arte / Hannes Hubach
Trinker mit Jugendtrauma und nicht gerade begeistert vom Einsatz in Rumänien. Schüssler (Joachim Król) gerät bei seinen Ermittlungen in den Karpaten in die Fänge von Gangstern, die sich in Anlehnung an einen alten Brauch als Bären maskieren (Aufmacherfoto).

Angesichts des komplexen Themas gibt es eine Menge allerdings nie ermüdend vorgetragenen Erklärungsbedarf, zumal es auch noch um EU-Richtlinien und Subventions-Betrug geht: Zwischendurch hält die Frau (Anja Schneider) des verschollenen Managers ein Plädoyer für den Erhalt urwüchsiger Landschaften („Bäume wachsen nach, Urwald nicht“), militante Klima-Aktivisten wirken ebenfalls mit, und natürlich recken die Dämonen der Vergangenheit mehrfach ihr hässliches Haupt; aber immerhin diese Rechnung kann Schüssler begleichen, zumal der Film ohnehin mit einem überraschend zuversichtlichen Epilog endet. Sehenswert ist auch die Bildgestaltung (Hannes Hubach), und das nicht nur wegen der eindrucksvollen Landschaftsaufnahmen: Die Farbgebung hat mit ihren mal fahlen, mal kräftigen Bildern großen Einfluss auf die jeweilige Stimmung. Wie gut das Rumänisch der deutschen Mitwirkenden ist, müssen Einheimische beurteilen; es klingt jedenfalls sehr überzeugend.

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Fernsehfilm

Arte, ZDF

Mit Joachim Król, Désirée Nosbusch, Alina Levshin, Geo Dobre, Anja Schneider, Peter Franke, Alexander Beyer

Kamera: Hannes Hubach

Szenenbild: Jörg Prinz

Kostüm: Anne-Gret Oehme

Schnitt: Kai Minierski

Musik: Fabian Römer

Soundtrack: Alice Cooper („School’s Out“)

Redaktion: Pit Rampelt

Produktionsfirma: Schiwago Film

Produktion: Martin Lehwald, Marcos Kantis

Drehbuch: Alexander Buresch, Torsten C. Fischer – nach einer Idee von Martin Lehwald. Mitarbeit: Sven Taddicken

Regie: Torsten C. Fischer

Quote: ZDF: 4,56 Mio. Zuschauer (17,7% MA)

EA: 13.01.2023 20:15 Uhr | Arte

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