„Blond: Eva Blond!“ Es klang aufgesetzt, als die etwas andere Krimi-Reihe vor vier Jahren an den Start ging. Doch den Titel hatte man bald vergessen. Geblieben als Aushängeschild waren die abstrusen Geschichten, die schrägen Charaktere, die wilden Inszenierungen und Corinna Harfouch in der Titelrolle. Was die Schauspielerin damals verschweigen musste, darf sie heute sagen: „Ich konnte es am Anfang kaum ertragen, dass sie Eva Blond heißt“, sagt sie, obwohl ihre mitunter spröde Kommissarin eher als ein ironisches Gegenbild zum Blondinen-Image angelegt ist. „Ich habe den Namen sogar mit Eva Braun in Verbindung gebracht.“
Foto: Sat 1 / Volker Roloff
Trotz des Namens – Corinna Harfouch spielt ihre Eva Blond gern. Weil sie so anders ist als andere Ermittlerinnen im deutschen Fernsehen. Sie ist nicht die routinemäßig starke Frau. „Man weiß, dass es mit der Stärke nicht immer weit her ist“, so die 51-jährige Schauspielerin. „Eva Blond ist stark und auch wieder nicht.“ Sie kann sich durchaus verunsichern lassen, kann an sich, ihrem Verstand und der Welt zweifeln wie in dem Fall, den sie heute zu bewältigen hat. Im Traum begegnet ihr ein Kind, das sie bald auch in der Realität zu sehen glaubt. Ein Hund weist ihr den Weg zu einer Kinderleiche. Für die Kollegen ist das alles völlig unverständlich. „Das ist Täterwissen“, ätzt ihr inkompetenter Chef. „Dann verhaften sie mich doch“, giftet Blond zurück. Selbst Evas Mann macht sich Sorgen. Denn der Hund aus dem Traum wird zu ihrem ständigen Begleiter. Frisst sie der Job auf? Wird sie langsam verrückt?
Sat 1 zeigt den Krimi wohlweislich erst um 22.15 Uhr. Es ist eine richtige Entscheidung. Der Film, eine Mixtur aus Schocker aus dem Totenreich und bizarrem Psycho-Drama, geht in jeder Beziehung ans Eingemachte. Die Wirkung zielt nach innen. Gerade weil es keine Action-Explosionen gibt bei „Blond: Eva Blond!“, gibt es nicht einmal zwischenzeitlich ein Entrinnen aus den quälenden Szenarien. Kinderleichen, Gespenster, von Angst zerfressene Seelen, seltsame Omen, düstere Phantasien – so mancher Schauer läuft einem über den Rücken. Matthias Glasner, bekannt als Radikalfilmer und Genre-Stilist, der auch das Fernsehen als Spielwiese für seine ästhetischen Grenzgänge benutzt, hat sich bei seinem zweiten „Blond“-Krimi wieder gehörig ins Zeug gelegt. Und wie zuletzt in der Hitchcock-Hommage „Die fremde Frau“ setzt er seine Lieblingsschauspielerin Harfouch strenger und kühler in Szene als in früheren Fällen der Berliner Kommissarin, in denen sie mehr Sensibilität und mehr Verständnis für ihre Mitmenschen aufbrachte. Auch wenn man sich gewöhnen muss an diese winterliche Düsternis, an den Horror menschlicher Kälte, an die förmlich aus der Wirklichkeit weggewaschenen Farben – „Der sechste Sinn“ ist gespenstisch gut. (Text-Stand: 5.9.2006)