Bist du glücklich?

Laura Tonke, Ronald Zehrfeld, Ungureit, Zähle. Diese „tausend Kleinigkeiten“

Foto: HR / Bettina Müller
Foto Rainer Tittelbach

Der ARD-Fernsehfilm „Bist du glücklich?“ (Hessischer Rundfunk) hat ein großes Thema, vielleicht das größte überhaupt: die Liebe – und wie Partnerschaft (nicht) gelingen kann. Sonja und Marc sind nach 13 Jahren Beziehung getrennt, fahren nun aber gemeinsam in ihr Wochenendhaus, um es zu verkaufen. Zeit, um sich zu erinnern und nach den Gründen des Scheiterns zu suchen. Der Film ist dank eines klugen Drehbuchs voller wahrhaftig klingenden Dialogen und einer lebendigen, sorgfältigen Inszenierung weder oberflächliches Feelgood-Movie noch bleischwere Beziehungsstudie. Hauptdarsteller Laura Tonke & Ronald Zehrfeld ergänzen sich wunderbar in diesem Roadmovie und differenzierten Beziehungsdrama.

Sonja und Marc fahren gemeinsam aufs Land, um ihr Wochenendhaus zu verkaufen. 13 Jahre waren sie ein Paar, nun scheint alles vorbei zu sein, weil er eine Affäre hatte. Die Trennung liegt bereits eine Weile zurück; beide sind sich einig, sich scheiden zu lassen. Aber die Stimmung im Auto ist angespannt, denn jedes Wort, jeder Song aus dem Radio („Waterloo Sunset“ von den Kinks) kann Erinnerungen und bittere Gefühle wecken. Insbesondere bei Sonja. Von Marcs Idee, die Einladung eines befreundeten Paars trotz der eigenen Trennung anzunehmen („als Freunde“), hält sie gar nichts: „Wir sind keine Freunde.“ In Rückblenden sieht man, wie es in besseren Zeiten war, wie sie sich kennenlernten, auch wie einst die gleiche Fahrt verlief, bevor sie das Wochenendhaus kauften. Der Zwischenstopp in einer Gastwirtschaft im Kaff Burgfelden ist eine romantische Erinnerung für beide, nun streiten sie darüber, an welchem Tisch sie damals gesessen haben. Der ARD-Fernsehfilm „Bist du glücklich?“ ist in der ersten Hälfte eine Art Beziehungs-Roadmovie, keine wilde Fahrt, eher eine ruhige, melancholische Reise durch die Geschichte einer gescheiterten Liebe.

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Frisch verliebt. Sonja (Laura Tonke) und Marc (Ronald Zehrfeld) wissen sich noch gegenseitig zu überraschen. Beeindruckend, wie der einfallsreiche Marc es schafft, Sonjas festsitzenden Ehering von ihrem Finger zu kriegen. Eine wunderbare Metapher

Die „tausend Kleinigkeiten“ einer Beziehung in Rückblenden
Natürlich steht von Beginn an die Frage im Raum: Kann das noch was werden mit den Beiden? Aber das Drehbuch von David Ungureit ist von plumper Vorhersehbarkeit weit entfernt, alles scheint möglich, vielleicht auch, aber nicht zwangsläufig ein gutes Ende für Sonja und Marc. Ein kitschiges Finale im Licht des Sonnenuntergangs ist allerdings ausgeschlossen. „Bist du glücklich?“ ist kein oberflächliches Feelgood-Movie, aber auch keine bleischwere Studie von Menschen, die in der Mitte ihres Lebens von der großen Sinnkrise gepackt werden. Dass man schnell Interesse für die Figuren entwickelt, liegt an den stimmigen, wahrhaftig klingenden Dialogen und der lebendigen Inszenierung von Max Zähle, der die Beziehungsgeschichte in zahlreichen Rückblenden erzählt. Diese Szenen sind weder streng chronologisch geordnet, noch werden sie beliebig eingestreut. Immer stehen sie in Verbindung mit der Gegenwart, es sind Erinnerungen von Sonja oder Marc in einer konkreten Situation. Nicht allein Marcs Affäre, sondern „tausend Kleinigkeiten“ seien der Grund ihrer Trennung, sagt Sonja später. Und die sind eben immer noch allgegenwärtig wie der Salzstreuer auf dem Tisch, der mit Sonjas Erinnerung an einen kleinkarierten Streit aufgeladen ist.

Der sanfte Riese Ronald Zehrfeld und Laura Tonke auf Augenhöhe
Selbst das klügste Drehbuch und die sorgfältigste Inszenierung wären aber in einem solchen, von hauptsächlich zwei Personen getragenen Drama nichts, wenn die Besetzung nicht passen würde. Den populären Ronald Zehrfeld für die männliche Hauptrolle auszuwählen, ist eine sichere Sache, was nicht abfällig gemeint ist. Zehrfeld, dieser sanfte Riese und Frauenschwarm, hat nicht von ungefähr bereits drei Grimme-Preise („Landgericht“, „Mord in Eberswalde“, „Im Angesicht des Verbrechens“) erhalten und liefert auch hier wieder ein zuverlässig glaubwürdiges Spiel ab. Eine wunderbare Ergänzung ist Laura Tonke, die neben Zehrfeld als kluge, selbstbewusste und zu jeder Zeit ebenbürtige Protagonistin überzeugt. Schön, dass Tonke, die 2016 für „Hedi Schneider steckt fest“ den Deutschen Filmpreis gewann, nach ihren jüngsten Kino-Auftritten mal wieder im Fernsehen zu sehen ist.

Bist du glücklich?Foto: HR / Bettina Müller
„Bist du glücklich?“ ist über weite Strecken ein Road-Movie durch die Phasen einer ganz normalen Beziehung. Und am Ende setzen sich die verschiedenen Sequenzen zu einem lebensklugen Puzzle zusammen: 13 Jahre = 13 Songs einer Langspielplatte

Weisgerber & Halmer als Gegenentwurf eines miteinander alt gewordenen Paares
Als Sonja und Marc ihr Wochenendhaus erreichen, haben ihre Nachbarn bereits dafür gesorgt, dass ihr Aufenthalt länger dauert als geplant. Esther (Eleonore Weisgerber) und Roman (Günther Maria Halmer) sind der Gegenentwurf, ein miteinander alt gewordenes Paar, das trotz Affären zusammengeblieben ist und seine Alltagskonflikte mit Humor zu nehmen gelernt hat. Single sei ein schreckliches Wort, sagt Roman. „Als ob es zur Langspielplatte irgendwie nicht gereicht hätte.“ Nun wollen sie Sonja und Marc dazu bewegen, ihre Trennung noch einmal zu überdenken: Esther ruft die Kaufinteressenten an und behauptet, die Anreise der Eigentümer würde sich um einen Tag verzögern. Sonja und Marc sind mehr oder weniger gezwungen, noch einmal in ihrem Haus zu übernachten, aber schon die Frage, wer im Gästezimmer schlafen soll, löst wieder einen kleinen Kommunikations-GAU aus. Die Sache scheint aussichtslos. Doch das unfreiwillige Miteinander führt auch dazu, dass sie ihre Gespräche aus dem Auto vertiefen und weiter gemeinsam Antworten suchen auf Fragen wie: Was ist da eigentlich schief gelaufen? „Was bleibt von uns beiden übrig?“ Und natürlich: „Bist du glücklich?“ In dem differenzierten, intelligenten und auch sinnlichen Beziehungsdrama wird niemandem einseitig Schuld zugewiesen. Auch Sonja hatte, wie sich herausstellt, eine Affäre. Ob es ein Reflex auf Marcs Seitensprung war, lässt der Film offen; sehr enthusiastisch wirkt sie in der Szene mit Andreas (Sebastian Schwarz) nicht gerade. Etwas genauer widmen sich Drehbuch und Inszenierung Marcs Verhältnis zu der 15 Jahre jüngeren Arbeitskollegin Susanne (Wanda Perdelwitz). Auch das Thema Kinderwunsch spielt eine Rolle, ist hier aber nur ein Aspekt in der breiten Palette der Beziehungs-Fragen.

Liebe ist… – Er: „Ein Volkswagen“, Sie: „Auf jeden Fall kein Auto“
Die männliche Hauptfigur wirkt etwas simpler gestrickt – das ist okay, vielleicht sind wir Männer ja so. Allerdings sind die Attribute eher einfallslos aus typisch männlichen Eigenschaften zusammengebastelt. Marc ist der Mann in der Midlife-Krise, der sich eine jüngere Freundin zulegte, den seine Frau nur beim Unfalltod ihres Hundes Charly hat weinen sehen, der zu selten „Ich liebe dich“ sagte und dem auf die Frage, was für ihn Liebe sei, ein Vergleich aus der Autowelt einfällt. Liebe sei kein Maserati, sagt Marc. „Liebe ist ein Volkswagen.“ Das ist zurzeit ein etwas gewagter Satz, weil man beim Stichwort VW sofort an Täuschungsmanöver und Abgasskandal denkt. Aber dieser Fernsehfilm über das zeitlose Thema Liebe und Partnerschaft will ja keine aktuellen Bezüge setzen. Deshalb antwortet Sonja auf Marcs Gegenfrage, was denn für sie Liebe sei, schlicht und treffend: „Auf jeden Fall kein Auto.“ (Text-Stand: 14.12.2018)

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Fernsehfilm

HR

Mit Laura Tonke, Ronald Zehrfeld, Eleonore Weisgerber, Günther Maria Halmer, Wanda Perdelwitz, Sebastian Schwarz, Katharina Spiering, Sascha Nathan, Martina Eitner-Acheampong

Kamera: Carol Burandt von Kameke

Szenenbild: Frank Prümmer

Schnitt: Stefan Blau

Musik: Daniel Hoffknecht

Redaktion: Jörg Himstedt, Liane Jessen

Produktionsfirma: Hessischer Rundfunk

Drehbuch: David Ungureit

Regie: Max Zähle

Quote: 2,52 Mio. Zuschauer (7,7% MA)

EA: 02.01.2019 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
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