Das sieht man nicht selten bei „Erstlingen“ – dort wird sich gerne ein Stück Jugend von der Seele geschrieben und inszeniert. So auch bei „Bis aufs Blut – Brüder auf Bewährung“ von Oliver Kienle. Das autobiografisch inspirierte Spielfilmdebüt ist eine Abschlussarbeit an der Filmakademie Baden-Württemberg. Und die ist dem Regieautor weitgehend eindrucksvoll gelungen. Verdienter Lohn: Nach einigen Preisen bei Festivals und der Erstausstrahlung im Dritten des SWR läuft „Bis aufs Blut“ jetzt in der ARD in der Reihe „Debüt im Ersten“.
Es ist die Geschichte einer Freundschaft, es geht um Liebe, Loyalität und Verrat. Tommy (Jacob Matschenz), angehender Abiturient, und Sule (Burat Yigit), arbeitsloser Ausbil-dungsabbrecher, sind seit Kindertagen wie Brüder. Die Clique ist ihre Familie, eine Tuning-Werkstatt der größte Traum. Ihr Leben gleicht einer Party, bis Tommy wegen Dealerei in den Jugendknast wandert und dort die Hölle erlebt. Als er sechs Monate später entlassen wird, sind die Amerikaner aus Würzburg abgezogen, seine Freundin Sina hat einen Neuen. Obwohl er mit dem Dealen aufhören will, findet er nur Rückhalt in seiner alten Clique und bei Sule. Der glaubt, er hat den Masterplan und will einen letzten großen Deal!
Oliver Kienle über seine Vision vom Kino:
„Ich bin der Meinung, Realismus hat im Film nichts verloren. Kino muss nicht realistisch sein, sondern fiktional wahrhaftig. Ist ein Film realistisch, glaubt man vielleicht, was passiert, aber es ist stinklangweilig. Man muss eine fiktionale Überhöhung finden, die Zuschauer in die Geschichte einsaugen, das Geschehen nachvollziehbar machen.“
„Bis aufs Blut“ ist ein pulsierendes Coming-of-Age-Drama, eine Kleingangstergeschichte, die in drastischen Bildern einen ungeschönten Blick in eine Welt aus Gewalt und Drogen wirft. Die in Würzburg – 17.000 US-Soldaten waren hier einst stationiert – angesiedelte Story lebt von einer intensiven Milieuzeichnung. Kienle hat hier gelebt, viele Eindrücke lässt er einfließen und nutzt sie für seine fiktional wahrhaftige Geschichte. Der Regisseur setzt sie nicht als bleiernes Sozialdrama um, sein Rhythmus orientiert sich an der Musik, die den Film durchzieht und für ein Lebensgefühl steht. Der fetzige HipHop-Sound und schnelle Schnitte schaffen eine Clip-Ästhetik, wie man sie aus Jugend-Musik-Sendern kennt.
Klar darf ein Erstlingsfilm auch Schwächen haben. Und die gibt es in „Bis aufs Blut – Brüder auf Bewährung“. Die Story ist vorhersehbar, bei der Milieuzeichnung kommt Kienle leider ohne die üblichen optischen und auch sprachlichen Klischees nicht aus: Irgendwann hört man auf zu zählen, wie oft ein Dialog mit „Hey, Alter“ beginnt. Überhaupt, ein sensibles Sprachempfinden sollte der Betrachter nicht haben; Sprachästhetik wäre bei diesem Stoff aber Fehl am Platze. Wie übrigens auch die „prominente“ Nebenrollen-Akteurin Simone Thomalla. Sie gibt Tommys Mutter und wirkt wie ein Fremdkörper in einem ansonsten stimmigen Ensemble mit Burat Yigit, Jacob Matschenz, Aylin Tezel und Liv Lisa Fries. Vor allem Matschenz und Yigit prägen mit ausdrucksstarkem Spiel den Film. (Text-Stand: 24.4.2012)