Na denn, fröhliche Weihnachten: Weil ihr verheirateter Geliebter das Fest der Liebe selbstredend mit der Familie verbringt, muss Betti über die Feiertage wieder mal Trübsal blasen. Zu allem Überfluss bringt ihr eine Freundin auch noch einen Hund vorbei: Die Gute saust mal eben zum Heiraten nach Las Vegas. Entsprechend munter geht’s in Bettis Wohnung rund, als ein Nachbar um Asyl für sein Kaninchen bittet. Das Weihnachtsgeschenk für den Sohnemann bringt erst den Hund auf Trab und löst später indirekt eine Überschwemmung aus. Der alleinstehende alte Herr soll ins Krankenhaus, hat dazu aber keine Lust. Weil er auch in der überfluteten Wohnung nicht bleiben kann, nistet er sich kurzerhand bei Betti ein.
Man könnte das erste Drittel dieser Geschichte von Thomas Freundner, ohnehin fast ein Kammerspiel, ohne Frage auch in zehn Filmminuten erzählen; oder sogar in zwei. Freundner (Buch und Regie) aber lässt sich viel Zeit, und das ist völlig in Ordnung, denn er hat noch Großes vor in dieser ganz besonderen Weihnachtskomödie. Stets beklagt man ja, in den Filmen des Genres schon nach wenigen Momenten zu wissen, wie’s ausgeht. Hier fragt man sich allenfalls, ob es tatsächlich zu einer Affäre zwischen Betti und ihrem Nachbarn kommen wird, denn der alte Mann könnte ohne Weiteres ihr Großvater sein.
Doch Karl bedauert zwar, nicht vierzig Jahre jünger zu sein, schlüpft aber ebenso gern in die Rolle des Beschützers, der Betti die Augen für ihr verkorkstes Leben öffnet: Seit Jahr und Tag wartet sie darauf, dass ihr „Verlobter“ seine Frau verlässt. Da kann sie lange warten, ahnt man alsbald; nicht jedoch, worauf Freundner hinaus will. Der schickt sein ungleiches Paar erst mal zum Gänsebraten zu Bettis Mutter, die Karl für Bettis neuen Freund hält und ihn darob recht grob behandelt, bis er ihr unter vier Augen die Wahrheit sagt. Das Essen mit Bettis Bruder und seiner Frau ist trotzdem ein Festschmaus für Freunde des Austauschs subtiler Bosheiten.
Nach wie vor folgt man dem Geschehen mit amüsierter Anteilnahme, wundert sich aber auch weiterhin, wie Freundner noch so etwas wie eine Dramaturgie in seine Geschichte bringen will: Wo Fernsehfilme dieser Art fast zwanghaft klassisch strukturiert sind (zwei finden sich, verlieren sich, finden sich erneut), da erfreut sich Freundner in gespielter Unschuld an seinem gemischten Doppel, das gar nicht erst so tut, als wolle es zusammenpassen. Selbst als Betti und Karl einen Weihnachtswettbewerb des HR-Hörfunks gewinnen und sich zum Essen in einem noblen Restaurant einfinden, tappt man immer noch im Dunkeln; auch wenn es Karl gelingt, dank der Live-Übertragung Bettis Beziehung zu beenden. Der Moderator allerdings wird später noch eine ganz entscheidende Rolle spielen. Und auch sein Chef: HR-Intendant Helmut Reitze stellte sich für einen hübschen „Cameo“-Auftritt zur Verfügung. Er sitzt in einem vermeintlich freien Taxi, nimmt den Umweg über den Sender in Kauf, damit die beiden Liebenden zueinander finden, und hat auf diese Weise entscheidenden Anteil am Happy End.
„Bettis Bescherung“ macht ohnehin viel Spaß. Ein Weihnachtsfilm der wirklich anderen Art, mit vorzüglichen Darstellern, ganz wenig Aufwand, viel Gefühl und einem sehr sympathischen Humor. Am Ende gibt’s vielleicht ein bisschen viel Reklame für HR3, zumal ein Moderator, der auf diese Weise durch den Äther sülzt, kaum länger Freude an seinem Job haben würde. Aber Freundners Film mausert sich auf diese Weise von der Weihnachtsgroteske zum Radiomärchen. (Text-Stand: 13.12.2006)