Es sind noch immer die Neunziger. Aus Teenagern sind Twens geworden – Kati studiert in München und steckt im Prüfungsstress, während ihre Freundin Jo sich noch immer irgendwo in Indien herumtreibt. Sie hat nach dem Abitur den Wahlspruch der beiden, „Auf Fahrtwind und Freiheit – ohne Kompromisse“, in die Tat umgesetzt. Jetzt ist sie um ein paar Illusionen ärmer und schwanger. Trotz regelmäßiger Nachrichten aus Indien ist der Kontakt zwischen ihr und Kati abgebrochen; auch bei den Kumpels im Dorf hat sich die Neu-Münchnerin seit drei Jahren nicht mehr gemeldet. Jetzt aber geht es wieder einmal um Leben und Tod. Kati spürt, dass Jo in Schwierigkeiten steckt. Sie muss ihr unbedingt helfen (und sich selbst, da sie trotz Metropole noch immer in ihrem Leben feststeckt). Da sie keiner der alten Freunde begleiten will, fährt sie allein, wegen Unruhen in Indien bald gefolgt von ihrem Herrn Papa und von Jos Vater. Derweil schlägt die verlorene Tochter wieder im heimischen Kaff auf, wo es zwischen ihr und dem noch immer einsilbigen Toni wieder gewaltig funkt. Kati dagegen lernt Indien nicht nur von der Ashram-Seite her kennen, sondern lässt sich verwickeln in soziale Konflikte und sie verguckt sich in einen Schweizer, dem vormals auch Jo begegnet ist.
Dem Leben beim sich verändern zuschauen
„Was das Heranwachsen aus Menschen macht, sieht man jetzt erneut in ‚Beste Chance’, und allein dieses Sichtbarwerden der Zeit verleiht dem Film einen unschlagbaren Charme… Was man tut und wie man lebt, das hängt, wenn man Glück hat, mehr mit Freunden zusammen als mit großen Planungen, und die Chance, im Kino daran erinnert zu werden, ist doch das Beste, was ein Film bieten kann.“ (Doris Kuhn, Süddeutsche Zeitung, 26.6.2014)„Die beiden ersten Filme spielten quasi in einem Paradies. Kati und Jo leben auf dem Land, merken aber, dass sie im Behütetsein nicht ihr Glück finden. Die Mädchen träumen von der großen, weiten Welt, ohne sich hinauszutrauen. Das war jetzt fällig. Man muss raus, um das Leben zu verstehen und um zu spüren, wie klein das eigene Dasein ist.“ (Marcus H.. Rosenmüller, Filmemacher)
Mit der indisch-bajuwarischen Komödie „Beste Chance“ vervollständigte Marcus H. Rosenmüller 2013 doch noch seine Trilogie um Kati, Jo und ihre oberbayerische Sippschaft, die er mit „Beste Zeit“ (2007) begonnen und mit „Beste Gegend“ (2008) fortgesetzt hatte. Die beiden Freundinnen werden sich im Film nie wirklich begegnen und doch schafft es Rosenmüller (zumindest für die Zuschauer, die die Vorläuferfilme kennen), die Nähe zwischen ihnen spürbar zu machen und ihre Freundschaft wieder aufleben zu lassen. Nur ein einziges Mal sprechen sie miteinander, der vielleicht magischstes Moment des Films: da werden keine großen Worte gemacht, dafür taumeln Großaufnahmen über Augen und Lippen. Durch diese Freundschaft schafft Maulheldin Kati nach zwei gescheiterten Anläufen nun doch noch den Sprung raus aus der Enge ihrer Herkunft. Ein Schnupperkurs in die große weite Welt, den sie auf ihre authentisch-natürliche, liebenswerte Art und Weise angeht. Sie setzte immer schon andere Prioritäten – und so wählt sie mit ihrem Indien-Trip, den sie am Ende auf unbestimmte Zeit verlängern wird, fünf Jahre später als Jo eine Alternative zu dem Erwachsenwerden, wie es ihre Freunde auf dem Land leben: gesichertes Einkommen, Beziehung, Hochzeit, Eigenheim. Und in der Heimat ist alles so, wie es immer war und wohl auch bleiben wird. Und die Liebe zur Heimat, zu den Eltern, zu den Erinnerungen der Jugend und Kindheit, auch sie wird bleiben, auch wenn diese Liebe im Alter von Anfang 20 eine spürbar zwiespältige ist.
Die Erzählstruktur von „Beste Chance“, dieses Spiel mit den sich kreuzenden Wegen und knapp verpassten Treffen, dieser ständige Wechsel zwischen Indien und oberbayerischer Provinz, ist mutig. Aber das Ganze funktioniert wunderbar. Die zersplitterte Dramaturgie zielt zwar deutlicher als in „Beste Zeit“ & „Beste Gegend“ auf die Ideen hinter der Entwicklungs-Geschichte; so wird die Sinnlichkeit des Augenblicks trotz eindrücklicher Indien-Bilder (ohne viel Hippie-Nostalgie) weniger spürbar. Auch der Ausflug der Väter ist eher eine Notlösung, die dramaturgisch zwar am Ende Sinn macht (wenn sie & Kati sich auf einer indischen Polizeiwache treffen), im Detail aber allenfalls für ein paar komödiantische Zwischentöne gut ist. Trotzdem, wir halten es mit dem lieben Toni: „passt scho!“. (Text-Stand: 27.9.2015)