Wenn Mutti an der Uni noch mal durchstarten will
Eigentlich wollte Catrin nur ihre Tochter Annika an deren Studienort Marburg begleiten. Auch sie hat hier studiert, drei Semester, ihren großen Traum – Medizin, dann wurde sie schwanger. In der bekannten Umgebung schwelgt sie nicht lange in Erinnerungen, sondern wird plötzlich von Euphorie & Energie gepackt – und entschließt sich kurzerhand, es mit Ende 40 noch mal mit dem Studieren zu probieren. Sie habe ihm immer den Rücken frei gehalten. „Jetzt bin ich dran!“, fordert sie bei ihrem Mann ein und ist dann mal weg. Der fühlt sich überrumpelt und muss nun in Berlin den Haushalt schmeißen; der Sohnemann ist zwar schon 16, aber für sein Alter ganz schön renitent. In Marburg derweil muss Catrin unliebsame Erfahrungen machen – nicht beim Studium, da ist sie noch immer hoch motiviert (anders als ihre Tochter), sondern die Wohnsituation und die Weigerung des Gönnergatten, ihr eine Bürgschaft auszustellen, aber auch die Nähe zu ihrer Tochter, in deren WG die attraktive „Mami“ vorübergehend untergekommen ist und die mit ihr teilweise dieselben Seminare besucht, erweist sich als wenig glücklich. Als Catrin dann auch noch mit dem WG-Charmeur in der Kiste landet und ausgerechnet in dieser Nacht Frank zum Versöhnungsgespräch in Marburg auftaucht, ist das Familienleben der Hofmanns noch nachhaltiger gestört…
Wenn die „Geschichte“ nur eine Idee illustriert
Weil der Mann den neuen Aufbruch seiner besseren Hälfte als Kampfansage missdeutet und das Paar die eskalierende Situation später als mögliches Zeichen gegenseitiger Entfremdung (Catrin: „vielleicht steht es um unsere Ehe doch schlechter, als ich dachte“) interpretieren, entspinnt sich in der Degeto-Dramödie „Besser spät als nie“ der Konflikt, der dem Film so etwas wie eine innere Logik geben soll, um ihn 90 Minuten lang zu tragen. So richtig aber funktioniert das nicht. Man hat den Eindruck, als ob hier die üblichen dramaturgischen Tricks ausgepackt würden, um die Handlung nur „irgendwie“ in Gang zu halten. Wenn man es genau nimmt, erzählt der Film keine Geschichte, sondern illustriert in Spielfilmlänge eine Idee: Autor Stefan Kuhlmann konstruiert ein gesellschaftliches Mann-Frau-Ding (die vermeintlich aufgeklärte Variante des traditionellen Rollenbilds in der Familie) zu einem märchenhaft und komödiantisch unterfütterten Was-wäre-wenn-Szenario. Das Ganze ist zwar optisch frisch montiert und mitunter launig von Christoph Schnee in Szene gesetzt, doch fatalerweise befördert diese Flüchtigkeit auf der Bildebene noch den dramaturgischen Negativ-Eindruck der etwas belanglosen Chronologie der Ereignisse. So plätschert der sommerliche Film dahin, für den Zuschauer allein zusammengehalten durch die Erfahrung, die ihm das Genre und das Bild der Ehe auf dem ARD-Degeto-Sendeplatz bieten. Es wird schon alles gut werden.
Foto: Degeto / Volker Roloff
Wenn die Figuren sich blöd (an)stellen müssen
Das ist schade – zumal „Besser spät als nie“ um eine gewisse Leichtigkeit bemüht ist. Manchmal versucht der Film, den Zuschauer über Situationen, Stimmungen, über den Soundtrack einzufangen, aber dann sorgt spätestens der nächste Schauplatzwechsel wieder für Ernüchterung. Die Parallelschaltung der Handlung ist die nächste Problemzone – aber nicht nur bezogen auf die Dramaturgie: Die relativ wahllos zwischen die Marburg-Sequenzen eingeschobenen Szenen der Berliner Männerwirtschaft leiden auch unter der Besetzung. Während Nele Mueller-Stöfen ideal das verkörpert, was der Film erzählen möchte, was ihm aber im Großen und Ganzen nicht gelingt, bekommt nicht nur Ehemann Frank, diese undankbare Männerrolle, sondern auch sein Darsteller Jochen Horst kein Bein auf den Boden. Wahrscheinlich liegt es auch an der künstlich auf schwer von Begriff gebürsteten Figur, deren übergroße Kränkung durch den (von der Ehefrau hinlänglich erklärten) Seitensprung einigermaßen lächerlich wirkt und so gar nicht passt zum äußeren Erscheinungsbild dieser Figur (Hauptstadtbewohner) und dieses Schauspielers (wirkt da vielleicht noch das coole „Balko“-Image nach?). Jochen Horst, reichlich ausgestattet mit Serien- und kommerzieller TV-Movie-Erfahrung, fehlt offensichtlich die nötige Tiefe im Drama-Spiel, zu oft schlägt seine Haltung von Ironie gleich um in Pathos und Dramatisierung – und das ist leider nicht nur seiner Rolle geschuldet. Ergebnis: Man nimmt seiner Figur seine „Gefühle“ eonfach nicht ab. Ein ähnliches Ungleichgewicht bei den Kindern: Helen Woigk („Das Leben ist nichts für Feiglinge“) als Tochter Annika ist ein ganz anderes Kaliber als Nachwuchsschauspieler Paul Falk. Die unterschiedliche Gewichtung der Rollen tut ihr Übriges. Prinzipiell gilt für die Schauspieler dasselbe wie für die „Geschichte“: dem Zuschauer soll eine Idee aufs Auge gedrückt werden, damit das klappt, müssen besonders einige (Neben-)Figuren, allen voran der werte Gatte, sich reichlich dumm stellen. Das wiederum sagt einiges über das Bild, das die Macher vom öffentlich-rechtlichen Freitagspublikum haben. (Text-Stand: 22.4.2015)