Besser als Du

Christoph Maria Herbst, Tscharre, von Kessel, Rogall, Kleefeld. Aus der Rolle fallen

Foto: Degeto / Wolfgang Ennenbach
Foto Rainer Tittelbach

Zwei Zwillingsbrüder tauschen die Rollen. Der coole Schauspieler übernimmt die Familie des angezählten Ehemanns, der wiederum beim Improvisieren am Theater eine gute Figur macht… Wer glaubt, dass er das schon oft so ähnlich gesehen hat, der täuscht sich gewaltig. „Besser als Du“ ist die beste deutsche Zwillingsfernsehkomödie und zugleich eine der besten TV-Komödien der letzten Jahre. Ein Grund dafür heißt Christoph Maria Herbst. Ein anderer ist Stefan Rogalls dichtes, an Rollen- und Beziehungsspiegelungen reiches Drehbuch mit seinen köstlichen Spiel-im-Spiel-Situationen, den intelligenten Dialogen und einem lebensklugen, lustvollen Subtext. Und Regisseurin Isabel Kleefeld kann auch sehr gut Komödie.

„Ich wünschte mir, ich könnte mich zweiteilen“
Mit seinen autogenen Trainingsmethoden kommt Matthias Pretschke, Logopäde mit Hang zur Pedanterie und gepflegtem Besser-Wissen, in seiner Ehe nicht weiter. Eine Woche Gnadenfrist hat er gerade noch herausschinden können. Aber was tun, wenn jede Leichtigkeit in der Beziehung abhanden gekommen ist, der Kopf ihm ständig im Weg steht und er sogar in der Rolle als Vater seiner Frau Petra nichts recht machen kann?! Und dann feixt ihn plötzlich sein Ebenbild von der Seite an. Pretschke hat einen Zwillingsbruder. Der ist Schauspieler Marke cooler Lederjackentyp und derzeit ohne Engagement. Der notorisch klamme Tom Senger hört die Klage des Family Man mit Haus und Garten in bester Kölner Lage: „Manchmal wünschte ich mir wirklich, ich könnte mich zweiteilen, dann würde sich die eine Hälfte um mein Privatleben kümmern und die andere um meine Patienten“ – und Senger hat eine Idee, die allerdings durch das plötzliche Auftauchen der werten Gattin entscheidend variiert wird.

Besser als DuFoto: Degeto / Wolfgang Ennenbach
Therapie-Sitzung mit Ich-Botschaft. „Ich wünsche mir die Scheidung“, bringt es Ehefrau Petra (Ulrike Tscharre) auf den Punkt. Da hilft dem so aufgeräumten Logopäden Pretschke (Christoph Maria Herbst) kein Luft schlürfen und in den Bauch atmen.

Glückssuche & Ehekrisenbewältigung im Komödienfach
Wer glaubt, dass er das, was folgt, schon desöfteren so ähnlich gesehen hat, der täuscht sich gewaltig. „Besser als Du“ ist nicht nur die beste Zwillingsfernsehkomödie, sondern auch eine der besten TV-Komödien der letzten Jahre überhaupt. Das hat viele Gründe. Einer heißt Christoph Maria Herbst. Wie der seine so unterschiedlichen Brüder anlegt, ohne auch nur in die Nähe einer Karikatur zu geraten, das ist großes komödiantisches Charakterfach. Da stimmt jede Geste, da erzeugt noch der kleinste Augenaufschlag Bedeutung und Witz. Und mit dem Fortgang der Handlung werden (nicht nur) seine Töne immer leiser. Denn sein Pretschke macht sich – je besser sein anderes Ich das Familien-Ding wuppt – durchaus Gedanken über die Art und Weise seiner Lebensführung; Selbstzweifel inklusive. Aber auch der lässige, ganz auf sein Ego fixierte Tom, der vor gar nicht so langer Zeit seine Kollegin Pola mit Theater, Schulden und Beziehungsversprechen im Regen stehen ließ, „lernt“ ein bisschen was dazu in Sachen Verantwortung und Selbstkritik. Herbst bewegt sich geradezu in traumwandlerischer Sicherheit durch beide Rollen. An seiner Seite – quasi als vergleichsweise realitätsnah gespielte Beziehungseckpfeiler der Handlung – geben Ulrike C. Tscharre und Sophie von Kessel hinreißende und bisweilen (in der Ernsthaftigkeit ihres Spiels) auch komische Figuren ab.

Soundtrack: Bee Gees („How Deep Is Your Love“), Sam & Dave („Hold on I’m Coming“), 10CC („Dreadlock Holiday“), CCR („Have You Ever Seen The Rain“)

Spielerische Kabinettstückchen in Sachen Doppeldeutigkeit
Aber was nützt noch so viel Comedy-Erfahrung oder das beste Gespür für Timing: Es muss auch etwas Lohnenswertes zum Spielen geben. Und da wären wir beim Drehbuch. Stefan Rogall, Grimme-Preisträger für „Polizeiruf – Kleine Frau“, der durchaus ein Faible für leichte Stoffe hat, legt mit „Besser als Du“ sein komödiantisches Meisterstück vor. Das Spiel im Spiel sowie die Rollen- und Beziehungsspiegelungen sind ihm besonders gut gelungen und heben den Film über ein „komödienhandwerklich gut“ hinaus. Die Idee, einen (eitlen) Schauspieler die Rolle des Familienvaters spielen zu lassen, ist nicht neu, dafür umso wirkungsvoller. Und umgekehrt, den gebeutelten Gatten mit der Ex-Geliebten des Bruders auf der Probebühne einen „Rosenkrieg“ improvisieren zu lassen, ist ein grandioses Kabinettstückchen in Sachen Doppeldeutigkeit. Was Rogall in der Therapiesitzung Pretschke in den Mund legte, „Glaubst du, andere Paare haben keine Probleme“, das sagt plötzlich Schauspielerin Pola und den Satz der Ehefrau darf nun der Logopäde sprechen: „Wir wollten aber nie werden wie andere Paare.“ Auch die Aussage „Ich liebe dich, ich liebe meine Familie und ich werde alles tun, dass wir zusammen bleiben“, findet in völlig verschiedenen Kontexten Verwendung.

Besser als DuFoto: Degeto / Wolfgang Ennenbach
Langsam wird den Frauen klar, in was für ein Lügenspiel sie da hineingeraten sind. In der Schlussszene nehmen die beiden noch einmal Bezug auf die Situation. „Doch eines musst du mir für die Zukunft versprechen: Spiel mir nie mehr was vor!“, sagt die eine und die andere blickt entsprechend. Chrsitoph Maria Herbst, Sophie von Kessel und Ulrike C. Tscharre

Hauptsache interaktiv: „Wiederfindung“ statt „Selbstfindung“
„Besser als Du“ sprengt zwar nicht den Rahmen der für Degeto-Filme typischen Lösungsdramaturgie, besitzt beispielsweise nicht den anarchischen Witz des Komödien-Kleinods der 10er Jahre, „Mutter muss weg“. Gleichsam ist es aber auch eine Kunst, eine solche doppelte „Wiederfindungsgeschichte“ als mehrfach interaktiv und vor allem komisch gespiegelte „Selbstfindungsgeschichte“ zu erzählen und sie somit zu einem freitagstauglichen Unterhaltungsfilm der Extra-Klasse zu machen. Das Ganze lässt sich dann auch noch mit einem höheren Sinn belegen, der keinen der üblichen lösungsstrategischen Gemeinplätze bemüht: ein Perspektivwechsel zur rechten Zeit, ja ein sich in den anderen hineinversetzen (indem man zufällig wie im Film den Part des anderen übernehmen muss) kann Wunder wirken. In einer köstlichen Szene kommt es sogar zum gespielten Rollentausch zwischen Eltern und Kindern („Ich meins doch nur gut“). Lockerheit, Lust und Selbstironie sind Wegmarken der Glückssuche – das vermittelt sympathisch der Subtext dieser Komödie.

Und die Deutschen können Komödie doch!
Und der Zuschauer? Der kann sich ganz den komischen Rollenspielen hingeben, kann – so er denn will – aber auch mehr „entdecken“ in dieser wunderbar temporeichen TV-Komödie, in der auch eine andere Grimme-Preisträgerin, Isabel Kleefeld, zeigen darf, dass sie nicht nur eine Könnerin dramatischer Erzählflüsse (von Arnies Welt“ bis „Weiter als der Ozean“) ist, sondern auch immer schon einen Blick hatte fürs Komödien-Timing – sowohl in 90-Minütern („Das Gespenst von Canterville“) als auch in der Kurzform („Hilfe! Hochzeit! Die schlimmste Woche meines Lebens“ mit Herbst/Tscharre!). Dass man hierzulande Komödie nicht könne, ist ein dummer Gemeinplatz. Was allerdings stimmt: man versucht sich – besonders in der Ersten Reihe bei ARD und ZDF – viel zu selten in dieser Königsklasse der Unterhaltung.

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Christoph Maria Herbst, Ulrike C. Tscharre, Sophie von Kessel, Lotte Becker, Valentin Wilczek, Bettina Stucky, Harry Wolff, Axel Siefer

Kamera: Alexander Fischerkoesen

Szenenbild: Cordula Jedamski

Kostüm: Annegret Stößel

Schnitt: Renata Salazar-Ivancan

Musik: Florian Van Volxem, Sven Rossenbach

Produktionsfirma: filmpool fiction

Produktion: Iris Kiefer

Drehbuch: Stefan Rogall

Regie: Isabel Kleefeld

Quote: 3,88 Mio. Zuschauer (12,6% MA)

EA: 17.04.2015 20:15 Uhr | ARD

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