Bella Jung strahlt, wenn andere klagen. Verzagen war noch nie ihr Ding. Und so glaubt sie auch jetzt, nachdem die Alten-WG ihres Vaters zwangsgeräumt wurde, das Haus verkauft und teuer saniert werden soll, dass da noch was zu machen ist. Immerhin, die zuständige Bezirksstadträtin bekommt ganz gläserne Augen, als ihr Bella ein Betroffenenvideo vorführt: ein vielstimmiger Kiez-Lobgesang. Dass ihr Vater währenddessen eine Hausbesetzung initiiert, kommt im Rathaus weniger gut an. Also heißt es weiter kämpfen. Während Bella die Hausgemeinschaft retten und auch die eigenen Geschäftsräume nicht kampflos dem Klassenfeind überlassen will, vernachlässigt sie ihre physiotherapeutische Praxis immer mehr und auch ihren Patensohn Tom. Gut, dass Ex-Mann Martin zur Stelle ist, wenn Bella die Probleme mal wieder über den Kopf wachsen. Der wird bald auch wieder mehr Zeit haben, denn ein Jobangebot in Berlin steht in Aussicht und auch eine neue Liebe winkt: ausgerechnet jene aufstrebende Bezirksstadträtin, mit der es Bella in der Haussache zu tun bekommen hat.
Das Leben geht weiter für Bella Jung. Immer neuen, bislang ungekannten Anforderungen muss sich die Heldin der ZDF-„Bella…“-Reihe mit Andrea Sawatzki stellen. „Bella Casa“, nun ist also die Hütte dran, das Wohnen in der Großstadt, Gentrifizierung, Luxussanierung, saftige Mieterhöhungen, all das, was ein sorgenfreies Liebes- und Familienleben erschwert. Und so wird die Titelheldin im fünften Film der vortrefflichen Reihe zur Löwin, die sich für die Gemeinschaft, den Vater und ein kleines Bisschen auch für sich selbst einsetzt. Liebe, Gesundheit und eigenes Seelenheil bleiben dabei auf der Strecke. Diese Frau kann einfach nicht anders. Und nachdem in „Bella Familia“ der wenig verantwortungsvolle Vater wieder in ihr Leben trat, ist sie nun ein Stück weit die Tochter, die den Generationenvertrag zumindest von ihrer Seite erfüllen möchte, vor allem aber lässt sich ihr soziales Engagement als ein Akt der inneren Versöhnung mit ihrem 68er-Vater begreifen. Dabei stößt die Heldin selbstredend immer wieder an ihre Grenzen – besonders treffend sind die kleinen Momente, in denen die Vorgeschichte der Heldin beiläufig ins Spiel kommt: bei aller Energie, Bella Jung lebte jahrelang in einer Versorgungs-Ehe als Mutter, viele lebenspraktische Bereiche blieben ihr verschlossen – da ist ein bisschen Weltfremdheit, die besonders deutlich wird im Umgang mit ihrer Tochter, die ein Zeitungsvolontariat macht, ein stimmiger, filmisch wunderbarer Nebeneffekt.
Soundtrack: Buffalo Springfield („For what is worth“), Family of the Year („Hero“), Johnny Cash („We’ll meet again“)/Cover
Foto: ZDF / Volker Roloff
In „Bella Vita“ musste Bella Jung – den Frust, verlassen worden zu sein, noch im Gepäck – das Leben neu erlernen. Nicht mehr jung, aber auch noch nicht alt, durfte sie einige Phasen der Jugend noch einmal durchleben. Waren danach die Episoden „Bella Australia“ und „Bella Dilemma“ ein Ausflug in die Liebe unter dem beliebten Motto „Drei sind einer zu viel“, öffnet sich die Heldin nach dem Generationen-übergreifenden, dramaturgisch etwas schwächeren Film „Bella Familia“ in „Bella Casa“ stärker ihrem sozialen Umfeld. Der sechste Teil verspricht wieder mehr Herzensangelegenheiten. Fragt sich nur, ob auch Bella in „Bella Amore“ das Glück heimsucht oder ob sie weiter die Welt retten muss. Zuletzt jedenfalls hat sie – den Berliner Häuserkampf hinter sich lassend – sich erst einmal in den Urlaub verabschiedet.
Mit der „Bella…“-Reihe ist dem ZDF etwas Außergewöhnliches gelungen: Alltagskomödien, die ihre Geschichten aus dem Leben und weniger aus dem Mustern des Genres ableiten. Bella Jung arbeitet sich an den typischen Herausforderungen des modernen, großstädtischen Beziehungslebens ab. Nicht nur die Geschichten, auch die Dramaturgie der fünf ersten Episoden sind ganz aus dem Geist ihrer Titelfigur geboren. Bella ist emotional, sprunghaft, impulsiv, flexibel, dickköpfig, dominant, sie verrennt sich, ist übermotiviert, hyperaktiv und will am Ende nur noch mit dem Kopf durch die Wand. Und als Mutter ist sie fast eine Parodie. Wie mit einer solchen treibenden Hauptfigur der Handlungsverlauf (psycho)logischerweise aussehen muss, zeigt „Bella Casa“ vorbildlich. Atemlos durch den Tag, atemlos durch die Nacht – und da kann es dann schon mal passieren, dass Bella Arztroman („ich bin ihm direkt in die Arme gesunken“) spielen muss – und am Tropf hängt, zumindest für ein paar Filmsekunden. Dann geht’s weiter. Nur noch kurz die Welt retten. Die Ratschläge ihrer sich ständig auf Selbstfindungssuche befindenden besten Freundin Ines überhört sie da lieber – von wegen „Mein Therapeut sagt: Wenn jeder für sich sorgt, ist für alle gesorgt“.
Die Filme von „Bella Vita“ bis „Bella Casa“ setzen auf einen zeitgemäßen Fernsehrealismus, auf Themen, die viele Menschen angehen, auf Alltagsthemen, komödiantisch leicht verpackt, und auf eine Titelfigur, die sich größter Sympathiewerte erfreuen dürfte (die Einschaltquoten jedenfalls sind gut). Die Reihe funktioniert – anders als die meisten Krimi-Reihen – über den jeweiligen Einzelfilm hinaus. Jeder Film beschreibt eine besondere Facette dieser faszinierenden, unkonventionellen Frau, die vielleicht von einer noch faszinierenderen Schauspielerin gespielt wird. Jede neue Episode schreibt die Lebensgeschichte von Bella Jung fort. Das ist zumindest schon mal der Beginn einer wunderbaren seriellen Freundschaft.