Bella Block genießt ihr Pensionärsleben. Sie besinnt sich alter Freunde, sie singt und schwenkt sichtlich besser gelaunt als früher ihr Rotweinglas – bis sie eines Tages mit Ex-Kollege Martensen eine Kunstausstellung besucht. Eine kleine, seltsame Skulptur fällt ihr ins Auge und mehr noch der Name des Künstlers: Holger Thom. Er tötete vor 17 Jahren ein Ehepaar, brutal und sadistisch, in Anwesenheit der Tochter, die er anschließend 30 Minuten in nackte Todesangst versetzte und sie schließlich verschonte. Dieser Mann, den Block für eine Zeitbombe hält und den sie als Kommissarin damals nicht „geknackt“ bekam, ist wieder auf freiem Fuß. „Dieser Mann hat viel in sich bewegt“, sagt der Bewährungshelfer und Anstalts-Psychologe – und Bella Block schaut wieder so skeptisch wie während ihrer Dienstjahre.
„Es wäre doch schön, wenn die Mordkommission einmal zuschlägt, bevor jemand rumliegt und sich die Radieschen von unten anguckt“, findet die Kommissarin im Ruhestand. „Er ist frei, es gibt keinen Fall mehr“, kontert Ex-Kollege Martensen. Thom indessen scheint die Wiedereingliederung ernst zu nehmen. Er geht einer regelmäßigen Arbeit nach und eine junge Frau interessiert sich für ihn, den nach außen so einfühlsam wirkenden Mann. Erst als er sich der Frau, die vor 17 Jahren Zeuge seiner Bluttat wurde, nähert, scheint die Situation nicht mehr kontrollierbar. Bei ihrem Ehemann liegen die Nerven blank („Was hast du mit dieser Kreatur zu sprechen?“), während sie sich in den nicht verarbeiteten Alptraum zurückzieht. Außerdem wird eine seltsame Verbundenheit zwischen Opfer und Täter sichtbar.
Bella Block lässt nicht locker. Aber kann ein Sterblicher, der nicht einmal mehr die Lizenz zum Ermitteln hat, sich gegen das Schicksal oder die Bestimmung stemmen? Die 28. „Bella Block“-Episode ist eine Art Meta-Krimi: die Titelheldin nimmt sich neue Freiheiten und die Reihe selbst emanzipiert sich vom Ermittlungsgenre. „Vorsehung“ stößt in einen Raum vor, in dem das sogenannte professionelle Ermitteln an seine Grenzen stößt. Max Färberböcks Film über die Metaphysik des Verbrechens, eine krankhaft obsessive Liebe und die Philosophie von Gut und Böse ist das Gegenstück der Alles-ist-recherchierbar-Krimis mit ihren Obduktionsbefunden, DNA-Analysen und dem Hightech-Polizeiapparat. Eine introvertierte, kammerspielartige Spannung liegt über den 90 Minuten.
Die Black Box Mensch ist das Zentrum der Geschichte, die sich dem psychologischen Realismus-Konzept des Genres Fernsehkrimi widersetzt. Nicht alles, was Menschen tun, ist erklärbar. Ein Mord ist ein Mord ist ein Mord. Im Showdown ohne Block spielt die pure Angst die Hauptrolle und der Zuschauer sitzt mit ihr am Küchentisch. Wotan Wilke Möhring spielt großartig mit seinem Dauersympath-Image, Tanja Schleiff beweist nach Grafs „Das Gelübde“ erneut ihre Klasse und auch Pierre Besson sah man selten so überzeugend. „Alles auf Anfang“, heißt es nun mit Färberböck. Der Autor-Regisseur Autor konzipierte einst nach den Romanen von Doris Gercke die eigenwillige Kommissarin und drehte die ersten beiden Filme der Reihe. „Vorsehung“ sorgt für eine Neuorientierung der Heldin und unterzieht zugleich das Genre einer grundlegenden Revision.