Sie ist die beste TV-Kommissarin, ergab eine aktuelle Emnid-Umfrage im Auftrag einer Programmzeitschrift. Zieht man die Qualität der Filme hinzu, schlägt die Kommissarin mit dem Doppel-B auch alle männlichen Ermittler aus dem Feld. Keine Krimi-Reihe hierzulande bewegt sich seit so langer Zeit auf so hohem Niveau wie „Bella Block“. Einen Qualitätssprung machte die ZDF-Reihe bereits im Februar mit „… denn sie wissen nicht, was sie tun“ und der Entscheidung, der bärbeißigen Kommissarin einen gleichwertigen Partner bei der Kripo an die Seite zu stellen. „Die Frau des Teppichlegers“ setzt nun noch einen drauf, indem der Film die Frau für Mordsachen in einem Sittendelikt ermitteln lässt.
„Sie hat noch die Utopie einer gerechteren Welt im Kopf“, sagt ZDF-Redakteur Pit Rampelt. Und so kann sie sich nicht damit abfinden, dass ein Vergewaltigungsfall zu den Akten gelegt werden soll. Was der 20-jährigen Polin in einer deutschen Fußgängerzone passiert ist, eine Vergewaltigung in aller Öffentlichkeit, geht ihr besonders nahe, macht sie aber weniger wütend als nachdenklich. Sie selbst hat die beiden noch gesehen, vor der Tat, auch sie hat versäumt zu helfen, weil sie die Zeichen falsch gedeutet hat. Gerade ihr, einer Frau, von der ihre Darstellerin Hannelore Hoger sagt, „sie ist eine, die hinguckt“, passiert so etwas! Der Vergewaltiger stellt sich zwar, bestreitet aber, der Frau Gewalt angetan zu haben. Daraufhin macht sich Block auf die Suche nach Tatzeugen. Ein aussichtsloses Unterfangen, da jeder Zeuge mit einer Anklage wegen unterlassener Hilfeleistung rechnen muss.
Parallel gibt es einen zweiten Fall, einen Mord, wie es sich gehört. Doch für den kann sich Bella Block wenig erwärmen. Liebte sich da ein Ehepaar zu Tode? Oder war es eine Tat aus Verzweiflung über den schleichenden Verlust der Liebe? Erst mal lässt sie den Kollegen ran. „Punkt für Punkt abarbeiten“, trägt sie ihm auf. Und der nimmt’s ironisch: „Vielen Dank, Frau Block. Macht großen Spaß mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Wir ergänzen uns großartig.“ Devid Striesow mit seinem auffallend unauffälligen Gesicht macht sich auch bei seinem zweiten Einsatz gut. Sein Jan Martensen ist weder Wasserträger noch stereotype Kontrast-Figur zur „Übermutter“ Block. Auch er ist spröde, wortkarg und hat trockenen Humor.
Foto: ZDF / B. Fraatz
Am Ende kommen sich die beiden so unterschiedlichen Fälle näher. Nicht faktisch, sondern atmosphärisch. Die Autorin Beate Langmaack gibt der titelgebenden „Frau des Teppichlegers“, die sich als Augenzeugin verweigert, eine ähnliche Ehegeschichte wie jener Gattenmörderin, die den Teppich mit Zeitungen abdeckt, damit der nicht allzu sehr durch das Blutbad, das sie anrichtet, leidet. Zwei Expertinnen in Sachen Ehefrust und Weißer Wirbelwind. Großartig klein gespielt von Ulrike Krumbiegel und Judith Engel. Hinter diesen Hochkarätern braucht sich auch die Neuentdeckung, die Polin Anja Antonowicz als das Vergewaltigungsopfer, nicht zu verstecken. Die Stimmungen ins richtige Licht und Bild setzten Regisseur Kai Wessel und die herausragende Kamerafrau Judith Kaufmann.
Bella Block ist eine Wahrheitssucherin. Sie will verstehen, wie Menschen ticken und warum sie so schlimme Dinge tun. In „Die Frau des Teppichlegers“ gelingt das besonders gut, denn die Heldin klagt weniger an als sonst. „Objektivität ist eine Eigenschaft, die ein Mensch nicht besitzt“, assistiert ihr Freund Simon, nachdem jeder Augenzeuge etwas anderes gesehen haben will. Es geht nicht darum, Betroffenheit auszulösen beim Zuschauer. Das ist längst zum Fernsehritual verkommen. Die Welt verstehen und aushalten, ist Bella Blocks Konzept.