Bella Block – Der Fahrgast und das Mädchen

Hoger, Matschenz, Wackernagel, Striesow. Aussteigen, wenn es einem zu viel ist!

Foto: ZDF / Georges Pauly
Foto Rainer Tittelbach

Im Schatten eines 30 Jahre alten Verbrechens wächst ein neues heran… Wer bin ich? Wo stehe ich? Was soll das alles? Kafkas düstere Weltsicht trifft auf Bella Block, die Kommissarin mit der philosophischen Note, und ein Gymnasiast arbeitet an einer tödlichen Text-Exegese. „Der Fahrgast und das Mädchen“ besticht durch ein hohes Spannungspotenzial. Mal resultiert es aus der Zusammenführung des alten mit dem neuen Fall. Mal sind es die intensiven Einzelszenen, die einen in den Bann ziehen. Gutes Drehbuch mit kleinen Ungereimtheiten, hochkonzentrierte Schauspieler, stimmungsvolle Inszenierung, süffiger Erzählfluss.

Drei Jugendliche rasen nächtens durch die Stadt. Der Fahrer hantiert cool mit einer Pistole. Zwei Schüsse. Ein Verletzter. Dieser Fall jugendlichen Waffenmissbrauchs ist nicht der Grund, weshalb Staatsanwalt Mehlhorn die von ihm hoch verehrte Ex-Kommissarin Block als Sonderermittlerin in der Schule einsetzen möchte. Mit der Waffe erschoss vor 30 Jahren ein Bankräuber eine junge Frau. Wie gelangte die Waffe in die Hände der drei Gymnasiasten? Bella Block kommt als Referentin für Gewaltprävention an die Schule. Doch die Jugendlichen sind nicht blöd. Vor allem der hoch intelligente Einzelgänger Lenny hat die „Schnüfflerin“ im Visier. Umgekehrt erkennt Block, dass destruktive Kräfte in diesem Jungen schlummern. Offenbar hat er ein Auge auf seine Lehrerin geworfen, mit der er ein Theaterprojekt um Kafkas „Der Fahrgast“ einstudiert. Könnte im Schatten des alten Verbrechens ein neues heranwachsen?

„Ich stehe auf der Plattform des elektrischen Wagens und bin vollständig unsicher in Rücksicht meiner Stellung in dieser Welt, in dieser Stadt, in meiner Familie.“ Kafkas düstere Weltsicht trifft auf Bella Block, die Kommissarin mit der philosophischen Note. Ein von trüben Gedanken infizierter Schüler, der die Kurzerzählung „Der Fahrgast“ etwas zu wörtlich zu nehmen droht, rückt ins Zentrum des 31. „Bella-Block“-Krimis. „Die einzige Wahrheit ist doch, dass sich alles wiederholt – egal, was wir tun“, wirft er im Theaterkurs ein. „Alles Neue ist Illusion – ein guter Gedanke“, entgegnet seine junge Lehrerin. Seit Monaten filmt er sie heimlich und glaubt in ihr eine Seelenverwandte zu erkennen – einsam, traurig, verzweifelt. Für ihn ist sie „das Mädchen“ aus der Kafka-Lektüre, „nahe den Stufen, zum Aussteigen bereit“. Seine Weissagungen werden immer kryptischer. Bella Block spürt dagegen immer deutlicher, dass Gefahr in Verzug ist. „… nur noch wenige Stufen zur endgültigen Wahrheit.“

Autor Fabian Thaesler über das alte und das neue Verbrechen:
„Mit dem alten Verbrechen, dem Banküberfall und Mord, lässt sich ein klares äußeres Ziel erreichen. Das moderne Verbrechen hingegen besitzt kein äußeres Ziel mehr. Hier geht es nur noch um Selbsterfüllung einer defizitären und verletzten Psyche oder um die Erfüllung einer inneren Notwendigkeit.“

Bella Block – Der Fahrgast und das MädchenFoto: ZDF / Georges Pauly
Der Schüler projiziert die Kafka-Erzählung auf die Realität. Jacob Matschenz und Katharina Wackernagel

Krimi und Kafka-Exegese – geht das zusammen? Auf jeden Fall. „Der Fahrgast und das Mädchen“ besticht durch ein hohes Spannungspotenzial. Mal resultiert es aus der Zusammenführung des alten mit dem neuen Fall (nichts für „Glaubwürdigkeitsfetischisten“!). Dann wieder sind es gerade die ausgespielten, intensiven Einzelszenen, die einen in ihren Bann ziehen. In solchen Momenten können Hannelore Hoger, Katharina Wackernagel und Jacob Matschenz ihre Qualitäten ausspielen. Sehr beeindruckend auch einmal mehr Liv Lisa Fries („Sie hat es verdient“), die nach der ersten Hälfte des Films den Stafettenstab an den ebenfalls sehr überzeugenden André Jung weitergibt. Dieser „Bella-Block“-Film besitzt zwar ein paar kleine Ungereimtheiten im ansonsten klugen Drehbuch (weshalb ist Lenny, der nie etwas mit anderen unternimmt, ausgerechnet in dieser einen Nacht beim Party machen dabei?), das bisweilen geradezu magische Spiel der Schauspieler und die sehr stimmig-stimmungsvolle Inszenierung (mit einem James-Blake-Song als atmosphärischem Unterboden) geben dem Film aber einen süffigen Fluss. Und über allem schwebt die Weisheit der Ex-Kommissarin: „Wir passen nicht mehr aufeinander auf, Martensen.“ (Text-Stand: 18.1.2012)

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Reihe

ZDF

Mit Hannelore Hoger, Katharina Wackernagel, Jacob Matschenz, Devid Striesow, Hansjürgen Hürrig, Liv Lisa Fries, André Jung, Rick Okon, Andreas Windhuis

Produktionsfirma: UFA Fernsehproduktion

Kamera: Michael Wiesweg

Schnitt: Benjamin Hembus

Musik: Fabian Römer

Soundtrack: James Blake („The Wilhelm Scream“)

Produktionsfirma: UFA Fernsehproduktion

Drehbuch: Fabian Thaesler

Regie: Torsten C. Fischer

Quote: 6,39 Mio. Zuschauer (19,8% MA)

EA: 11.02.2012 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

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