Wenn nicht gerade mal wieder ein Asylantenheim brennt oder die große Flut winkt, interessiert es Gesamtdeutschland wenig – was die Menschen in den neuen Ländern heute bewegt. Selten ist im Fernsehfilm über das “Seelenleben” der Ostdeutschen, die Wünsche und Hoffnungen, Verletzungen und kollektiven Minderwertigkeitsgefühle etwas zu sehen, was nicht die liebgewordenen Klischees bedient. “Skandalisierung und Stimmungsmache haben dazu geführt, dass sich eine sehr einseitige Sicht auf die Menschen im Osten durchgesetzt hat”, sagt Norbert Baumgarten. Der 31-jährige Regisseur wollte es einmal anders machen. “Ostwind”, ein außergewöhnliches Nachwuchsprojekt von ZDF und ORB, eine Sender-übergreifende Kooperative zum Themen-Aufschwung Ost, gab ihm die Möglichkeit dazu.
Eine brandenburgische Kleinstadt in den späten Neunzigern. Ob der Bauunternehmer, der Bürgermeister, die kleine Sekretärin, der glücklose Vertreter oder die herumlungernde Jugend – alle träumen vom Aufschwung Ost. Sie bekommen ihn auch beinahe zu fassen. Seit ihr Fußballverein die Wunderwaffe “Blondie” hat, einen schwarzhäutigen Klasse-Stürmer, geht alles wie am Schnürchen. Der Verein siegt, die Leute jubeln, die Gelder fließen. Und alle scheinen glücklich zu sein – sieht man einmal davon ab, dass hier jeder jeden betrügt: in der Liebe. Beim Geschäft ist es nur einer: der ist Bauunternehmer und Sponsor des Fußballclubs und mit ihm steht und fällt der Traum vom Aufschwung.
“Befreite Zone” ist eine schön schräge Tragikomödie über große Träume und kleinbürgerlichen Alltag. Fußball fungiert hier als Metapher für die Illusionen, die sich die Menschen im Osten gemacht haben. Nicht nur Amüsantes wird episodisch und mit großem Figuren-Ensemble erzählt. Im Zentrum dieses kleinstädtischen Mikrokosmos stehen Sylvia und ihr Freund Micha. Sie glauben, sich zu lieben. Doch was heißt schon Liebe, wenn materiell versorgt zu sein, nicht selbstverständlich ist?! Baumgarten legt zu Beginn ein rasantes Tempo vor, schaltet dann einen Gang zurück, vertieft die Themen, um dann gegen Ende noch einmal so richtig Gas zu geben. Der Regisseur kennt sein Milieu – er stammt aus Bautzen. “Ich sah für mich die Möglichkeit, von ganz persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen zu erzählen, die ich aufgrund meiner Herkunft gemacht habe und die ich so noch nie in einem Film über den Osten gesehen habe”, erinnert er sich. Es ist ihm gut gelungen. So was hat man selten gesehen. Schön auch, dass Baumgarten in das großartige Ost-Team um Annett Renneberg, Florian Lukas und Daniela Hoffmann mit Johanna Klante und Axel Prahl auch zwei westdeutsche Spitzenkräfte engagierte. (Text-Stand: 14.11.2004)