„Beck is back“: So könnte auch eine Actionserie heißen. Aber die Titelfigur ist eher ein Antiheld, und von Comeback kann ohnehin kein Rede sein: Hannes Beck (Bert Tischendorf) war noch nie da, beruflich betrachtet. Der Mittdreißiger war zwar einst Jahrgangsbester seines Jura-Studiums, hat sich seither aber als Hausmann um seine vier Kinder gekümmert; Ernährerin der Familie war Gattin Kirsten (Annika Ernst). Damit ist Schluss, als Hannes seine Frau mit einem Schnösel auf ihrem Schreibtisch erwischt. Diese Vorgeschichte wird in der neuen zehnteiligen RTL-Serie allerdings auf den nur wenige Sekunden langen Prolog reduziert. Die erste Folge wirkt deshalb, als sei sie schon die zweite, weil diverse Informationen fehlen. Unter anderem stellt sich die Frage, warum Hannes samt Nachwuchs offenbar Hals über Kopf aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist; da er die Kinder behält, wäre es logischer, wenn sich seine Frau eine neue Bleibe suchen müsste. Weil er nicht auf Kirstens Unterhaltszahlungen angewiesen sein will, stürzt er sich umgehend ins Berufsleben und wird Strafverteidiger; der Arbeitstitel der Serie lautete treffenderweise „Plötzlich Anwalt“. Weil es offenbar nicht genug Pflichtverteidiger gibt, bekommt er trotz fehlender Berufserfahrung auch gleich den ersten Auftrag. Dass sein Studium 15 Jahre her ist, macht sich nur anfangs negativ bemerkbar, als er feststellen muss, dass sich ein paar Gesetze geändert haben. Seltsam ist allerdings, dass er seinen juristischen Aufgaben nicht nur mit Hingabe, sondern quasi rund um die Uhr nachgehen kann, obwohl drei seiner vier Kinder gerade mal im Grundschulalter sind.
Aus Sicht von Produzent und Chefautor Tommy Wosch, der für RTL auch „Triple Ex“ geschrieben hat, waren solche Details jedoch offenbar nebensächlich; die Kinder tauchen nur dann auf, wenn sie Hannes in Schwierigkeiten bringen sollen. Ansonsten konzentrieren sich die Folgen weitgehend auf die Fälle: Der Pflichtverteidiger ist ähnlich wie Danni Lowinski, die Heldin der gleichnamigen Sat-1-Serie, eine Art sympathischer Sozialarbeiter mit juristischem Staatsexamen. Deshalb beschränkt er sich nicht darauf, seinen Job zu machen, sondern wird kriminalistisch tätig, um die Unschuld zu seiner Mandanten zu beweisen. In Folge eins wird ein LKW-Fahrer (Ingo Naujoks) beschuldigt, eine junge Frau ermordet zu haben. Der Mann streitet zunächst ab, das Opfer zu kennen, muss aber schließlich zugeben, dass es bezahlten Oralverkehr gab; anschließend habe er sie an einer Tankstelle abgesetzt. Auf den Bildern der Überwachungskamera ist davon zwar nichts zu sehen, aber weil Hannes nicht locker lässt, kann er den wahren Täter schließlich überführen. Der zweite Fall dreht sich um eine junge Mutter (Anna Julia Kapfelsberger), die ihr Baby an einem heißen Sommertag im Auto gelassen hat; nun soll ihr das Sorgerecht entzogen werden. Dank seiner Recherchen kann Hannes beweisen, dass sich die Dinge anders zugetragen haben, als eine Belastungszeugin aussagt.
Das klingt eher nach Krimidrama als nach Comedy, und vermutlich würden die Geschichten auch besser funktionieren, wenn RTL und die produzierende UFA Fiction „Beck is back“ nicht als komische Serie konzipiert hätten. Dafür hätte es womöglich schon genügt, eine einzige Figur zu ändern: René Steinke macht in praktisch jeder Einstellung Gesichter, die lustig sein sollen, aber schon bald kontraproduktiv wirken, weil die Figur als Gegner nicht mehr ernst zu nehmen ist; eigentlich erstaunlich bei einem erfahrenen Komödienregisseur wie Ulli Baumann, der für RTL-Serien wie „Nikola“, Ritas Welt“ oder „Mein Leben und ich“ mit allen wichtigen Fernsehpreisen ausgezeichnet worden ist. Steinke spielt in „Beck is back“ als beruflichter Kontrahent und privater Nebenbuhler die zweite wichtige Männerrolle: Der im Vergleich zum schluffigen Hannes stets wie aus dem Ei gepellte Staatsanwalt Wachta ist Kirstens Geliebter, und natürlich nutzt er die private Verbindung, um Hannes nach Kräften zu provozieren, was selbst den Richter (Simon Licht) regelmäßig nervt. Wachtas erste Auftritte tragen ebenfalls zu dem Eindruck bei, nach dem Prolog fehle etwas: Als die frühere Kommilitonin Susanne (Julia Dietze) dem nervösen Hannes vor seiner Gerichtspremiere den Tipp gibt, sich den Staatsanwalt nackt vorzustellen, sagt er, er habe den Mann bereits nackt gesehen; in der Schreibtischszene sind Wachta und Kirsten jedoch angezogen. Außerdem trägt der Staatsanwalt anfangs ein Nasenpflaster, eigentlich ein untrüglicher Hinweis auf eine Handgreiflichkeit zwischen den beiden Männern.
Weitaus witziger als Steinke ist eine Frau, die noch vor Kirsten und Susanne die entscheidende weibliche Rolle in Hannes Leben spielt: Weil er dringend eine Anwaltsgehilfin braucht, trifft es sich ausgesprochen gut, dass seine kroatische Putzfrau Jasmina einst in ihrer Heimat Richterin war. Die gebürtige Zagreberin Andreja Schneider verkörpert die gute Seele zwar als Klischee der lebensfrohen Osteuropäerin mit starkem Akzent, bereichert die Folgen aber auch dank ihrer Dialoge um viel Heiterkeit. Selbst die Vollblutkomödiantin kann jedoch nicht verhindern, dass Einfälle wie jene, in denen der Humor aus der Kombination Klo plus vermeintliche Entleerungsgeräusche resultieren soll, arg niveaulos sind. Gemessen daran hat der running gag der zweiten Folge fast schon Esprit: Einzige bezahlbare Unterkunft für ihr gemeinsames Büro ist das Hinterzimmer eines Grillimbisses, weshalb sich die Menschen dauernd wundern, warum es plötzlich nach Brathähnchen duftet, sobald Hannes und Jasmina auftauchen. Während die Fälle in sich abgeschlossen sind, sorgt Hannes’ Privatleben für den horizontalen Teil der Geschichten: Kirsten will in die Politik und soll laut Wachta die neue „Mutter der Nation“ werden. Das geht natürlich nur mit Nachwuchs, weshalb die ersten beiden Folgen mit dem gleichen Cliffhanger enden: Das ehrgeizige Paar will Hannes die Kinder wegnehmen. Der wiederum kann sich gut vorstellen, die einst wegen Kirstens erster Schwangerschaft unterdrückten Gefühle für Susanne zu reaktivieren, aber auch in dieser Hinsicht gibt es eine schlechte Nachricht. Der Rest entspricht dem Schema vieler RTL-Serien der letzten Jahre. Die Bilder sind schön bunt, die kurz angespielten Popsongs sollen ein jugendliches Lebensgefühl verbreiten. Typisch sind auch die musikalischen Intermezzi, mit denen jeder Szenenwechsel unterlegt ist; oft bestehen sie allerdings bloß aus drei Gitarren-Akkorden, was ein anspruchsvolles Publikum ebenso stören könnte wie Steinkes Grimassen.