„Hier steht heute der Orgasmus vor Gericht“, ruft Beate Uhse 1969 in den Gerichtssaal. Kämpferisch gab sich die burschikose Lady aus Flensburg schon immer. Doch jetzt endlich ist der Zeitgeist auf ihrer Seite. In den frühen Siebzigern wird das Sexualstrafrecht der Bundesrepublik reformiert, der Unzuchtparagraph aus der Kaiserzeit wird abgeschafft und der Handel mit regulierter Pornographie freigegeben. Es war ein langer Weg für Beate Uhse. 1946 vertreibt die damals 27-jährige Witwe mit Kind und einer ungewöhnlichen Geschäftsidee die „Schrift X“, ein Heftchen über Verhütungsfragen für die prüde Nachkriegsgesellschaft. Später will sie mit Ratgebern über die körperliche Liebe, mit Kondomen und luststeigernden Artikeln den Deutschen die Angst vor dem Sex nehmen. Das Versandgeschäft boomt in den 50er Jahren. Doch Kirche und Staatsanwaltschaft üben den Schulterschluss gegen die streitbare Dame, die 1962 das erste „Fachgeschäft für Ehehygiene“ eröffnet. Zehn Jahre wird der Kampf gegen die lustfeindlichen Institutionen weitergehen. Rund 2000 Anzeigen, Klagen und Prozesse müssen Beate Uhse und ihr Anwalt Georg Tauber insgesamt überstehen. Nur ein Strafverfahren wird verloren. Verloren geht darüber das private Glück von Beate Uhse.
Je mehr Ärger zuhause, desto mehr Kraft steckst du in die Firma.“ Das ist der Leit- und Leidgedanke aus den frühen Jahren einer bemerkenswerten deutschen Unternehmerin, der das ZDF mit „Beate Uhse – Das Recht auf Liebe“ ein filmisches Denkmal setzt. Dem ZDF-Sonntagstermin einzig durch das Wort „Liebe“ im Titel („Lust“ wäre sehr viel passender!) huldigend, zieht einen dieser Film zunächst durch Hauptdarstellerin Franka Potente in seinen Bann. Es sind die starken kleinen Momente, in denen sich die Selbstgewissheit eines starken Charakters spiegelt. „Einen Augenblick lang einfach Ruhe, einen Augenblick lang das Gefühl haben, dass wir es geschafft haben.“ Solche Ruhemomente, solche scheinbar beiläufigen Szenen, sind die kleinen Kostbarkeiten einer Dramaturgie, die sich nicht damit begnügt, der Chronologie der Ereignisse im Gleichschritt zu folgen. Der Film besitzt keine ablenkenden Nebenplots. Jedes vermeintliche Beiwerk strahlt rasch auf die Heldin zurück. Die Szene in des Staatsanwalts Schlafzimmer ebenso wie die des untreuen Ehegatten.
Soundtrack: Bob Dylan („Just like a woman“), Heino („Blau blüht der Enzian“), Peter Kraus („Liebelei“), Sarah Vaughan („Broken Hearted Melody“), Johnny Horton („Honky Tonk man“; Cover), Tom Jones („She’s a lady“)
Der 110-Minüter setzt gekonnt mal auf die Kopfnote, mal auf die Herznote. Da blasen Uhse & Co den Muff aus den Anzügen der starren Herrschaften. Da sieht sich die Unternehmerin ein ums andere Mal in einem klein karierten Katz-und-Maus-Spiel. Da muss sie sich immer wieder mit dem Buchstaben des Gesetzes anlegen. Aber diese starke Frau, die sich oft so pragmatisch und kühl geschäftsmännisch gibt, sehnt sich auch nach Liebe, nach Glück, nach Geborgenheit im Kreise ihrer Liebsten. Es ist kein Zufall, dass sich das private Leben bald in die Firma zurückzieht. Dort mischen auch Uhses Jungs mit. Die Firma übernimmt Familienfunktion – bis ihr Liebhaber Jeff kommt, ein schwarzer Amerikaner.
„Beate Uhse“ ist aber neben dem Porträt einer Frau, die das Geschäft über ihre Gefühle stellt, auch ein Bio-Pic aus dem Geiste der Zeit. Bruchlos nimmt die Geschichte die Jahrzehnte: aus individuellen & kollektiven Haltungen ergeben sich die Konflikte, Biographie & Zeitgeschichte umkreisen sich dialektisch. Hier muss die Heldin keinen historisch ideologischen Dreisprung vollbringen wie beispielsweise Furtwänglers Ursula Heye in „Schicksalsjahre“. Potentes Uhse kann sich stufenlos dem liberalen Zeitgeist hingeben, den sie zugleich aktiv mitbestimmt. Für einen Fernsehfilm ist das ideal. Dieser „Beate-Uhse“-Film ist mehr als eine runde Sache.