Barbara

Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Christian Petzold. Von der Unmöglichkeit der Liebe

Foto: ZDF / Christian Schulz
Foto Sophie Charlotte Rieger

Bunt und freundlich ist Christian Petzolds Bild der DDR in dem Kinofilm „Barbara“. Wo andere die Tristesse übertonen würden, wirkt das Setting hier geradezu einladend. Und doch ist die Titelfigur ein typischer Hoss-Petzold-Charakter: Was muss dieser Frau widerfahren sein, dass sie sich derart dem Willkür-Regime fügt? Obwohl sie nicht nur ihren Mitmenschen, sondern auch dem Zuschauer gegenüber mit Gefühlen geizt, gelingt es Hoss und Petzold, die spröde Heldin dem Publikum nahe zu bringen. „Barbara“ ist kein Film über die „böse DDR“. Es ist ein ästhetisch feinsinniger Film, der Vieles angenehm in der Schwebe belässt.

Bunt und freundlich ist Christian Petzolds Bild der DDR in seinem Kinofilm „Barbara“. Wo andere die Tristesse des damaligen Ostdeutschlands überbetonen, wirkt das Setting bei Petzold geradezu einladend. Starke Farben, Sonnenschein, eine niedliche Ortschaft und ein raues, aber niemals bedrohliches Meer bilden den Hintergrund einer Geschichte über Misstrauen und Erniedrigung. Was zunächst als starker Kontrast erscheint, ist Petzolds Strategie der Ausgewogenheit, der Versuch, die historische Situation und ihre Figuren komplex und facettenreich darzustellen und Fragen zu formulieren, statt Urteile zu fällen.

Kaum ist Titelfigur Barbara (Nina Hoss) aufgetreten, da ist sie schon Objekt fremder Blicke. André (Ronald Zehrfeld) beobachtet seine zukünftige Kollegin aus dem Fenster des Provinzkrankenhauses, in dem Barbara als Ärztin ihren Dienst antreten wird. Damit ist bereits in den ersten Minuten eines der zentralen Themen des Films etabliert, denn seit ihrem Ausreiseantrag wird Barbara strengstens überwacht. In regelmäßigen Abständen steht die Staatssicherheit vor der Tür, die auch vor unangenehmen Leibesvisiten nicht halt macht. Nachbarn und Kollegen, alle scheinen Barbara zu beobachten, die wiederum jedwede Drangsalierung weitgehend ungerührt hinnimmt. Es ist gerade die Abwesenheit von Emotion, die schockiert. Was muss dieser Frau widerfahren sein, dass sie sich derart in ihr Schicksal fügt? Auch den Kollegen, allen voran André, bleibt die Zurückhaltung der neuen Ärztin nicht verborgen. Doch wem kann Barbara noch trauen? Ist André wirklich ein Freund oder doch nur ein Spitzel, der über ihr Verhalten bei der Stasi Bericht erstattet? Zwischen den beiden Hauptfiguren entsteht ein aufregendes Spannungsfeld, das zwar von Misstrauen geprägt, jedoch im Grunde romantischer Natur ist. In der Unmöglichkeit sich einander vertrauensvoll anzunähern, liegt das Drama dieser ungewöhnlichen Liebesgeschichte.

Das ästhetische ‚System Petzold‘:
„Christian Petzolds Art des Filmemachens ist unverwechselbar. Die beste Beschreibung lautet ‚ökonomisch‘, keine Geste, kein Wort, keine Kamerabewegung sind zu viel. Jede Szene dauert keine Sekunde länger, als sie muss, und jede Szene ist ein eigener, kleiner Spannungsbogen für sich, der aufgebaut und aufgelöst wird, sozusagen lauter Mini-Geheimnisse innerhalb des großen Geheimnisses.“ (Hanns Georg Rodek in der „Welt“)

Obwohl Barbara nicht nur ihren Mitmenschen, sondern auch dem Zuschauer gegenüber mit ihren Gefühlen geizt, gelingt es Christian Petzold seine Heldin dem Publikum nahe zu bringen. Die Erniedrigungen, die ihr widerfahren, werden für uns auf nahezu schmerzhafte Art und Weise spürbar: „Barbara“ macht die Menschenfeindlichkeit des ostdeutschen Überwachungsstaats anhand einzelner Schicksale schonungslos deutlich. Doch Christian Petzold hat bewusst keinen Film über die „böse DDR“ gedreht. Barbaras Wunsch, den Staat zu verlassen, gilt hier ebenso viel wie Andrés Wille zu bleiben. Die freundliche Inszenierung spricht für sich. Ebenso wie der politische Spielort sind auch die Figuren nuanciert. Petzold klagt die Stasi durchaus an, beweist dabei aber zugleich Größe, in dem er ihr mit eben jener Menschlichkeit gegenübertritt, die er ihr abspricht. Selbst der „unmenschliche“ Stasi-Offizier Klaus Schütz (Rainer Bock) wird durch Petzolds Charakterisierung zum ganzen Menschen mit Problemen und Gefühlen und kein Bösewicht, der simpel zu verurteilen wäre.

Die Stärke von „Barbara“ liegt also insbesondere im Drehbuch, das nicht nur komplexe Charaktere, sondern auch verschiedene Handlungsstränge präsentiert. Da ist die Andeutung einer Romanze zwischen Barbara und André, da ist Barbaras riskanter Fluchtplan, da ist die junge Frau, die Barbara aus einem Arbeitslager retten möchte und noch so vieles mehr. Christian Petzold zeigt Menschen mit vollkommen unterschiedlichen Positionen zum System der DDR. Über allem steht die große Frage nach der Flucht. Soll Barbara bleiben und dabei helfen, diesen Ort zu einem besseren zu machen? Oder soll sie zu ihrem Geliebten in den Westen fliehen? Ist dort wirklich alles besser oder werden neue Probleme die alten ersetzen? Petzold gibt mit dem Film keine eindeutigen Antworten, sondern lässt die Fragen im Raum stehen. Wer möchte, darf eigene Antworten finden. Oder es dabei belassen, dass Kategorien wie gut und böse, richtig und falsch der Komplexität der Realität selten gerecht werden.

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Kinofilm

Arte

Mit Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Rainer Bock, Christina Hecke, Claudia Geisler, Peter Weiss, Jasna Fritzi Bauer, Mark Waschke, Susanne Bormann

Kamera: Hans Fromm

Szenenbild: K.D. Gruber

Schnitt: Bettina Böhler

Produktionsfirma: Schramm Film, Koerner & Weber

Drehbuch: Christian Petzold

Regie: Christian Petzold

EA: 09.03.2014 20:15 Uhr | Arte

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