„Bambule“, 1969 entstanden, lagerte ein Vierteljahrhundert im „Giftschrank“ des Südwestfunks. Der Film über die Zustände in einem Westberliner Mädchenheim wurde 1970 kurzfristig aus dem Programm genommen. Der Grund: die Ko-Autorin, die Journalistin und spätere RAF-Aktivistin Ulrike Meinhof, war zehn Tage vor dem geplanten Ausstrahlungstermin, am 14. Mai 1970, beteiligt an der Befreiung des Brandstifters Andreas Baader. Die Autorin drehte zahlreiche Reportagen zum Thema Heimerziehung und engagierte sich für eine liberalere Auslegung der überkommenen Erziehungspraxis. „Am liebsten hätte sie in jedem Dialog einen flammenden Appell untergebracht“, erinnert sich Regisseur Eberhard Itzenplitz heute. „Sie wollte, dass in jedem Satz der Tenor des gesamten Stücks enthalten sei.“
Der Film erzählt Geschichten um ein geschlossenes Mädchenheim in West-Berlin, Ende der 60er Jahre. Zwei Mädchen reißen aus. Während Monika nicht weit kommt, schlägt sich Irene, nachdem sie von ihrer Mutter und Großmutter keine Hilfe erwarten kann, zu zwei ehemaligen Heiminsassinnen durch. Sie verdienen sich mit Prostitution ihr Geld. Keine erstrebenswerte Alternative zum Leben im Heim. Dort sitzt die lesbische Monika in der Arrestzelle. Einer jungen, verständnisvollen Erzieherin („besser du liebst ein Mädchen als gar keinen“) erzählt sie ihre Lebensgeschichte: Kinderheim, Kloster, Erziehungsheim, weggegeben von der Mutter, schikaniert von den Nonnen. Die anderen jungen Frauen, angestachelt von der aufmüpfigen Evelyn, lehnen sich zunehmend gegen das strenge Regiment der Heimleiterin auf. Sie haben keine Lust, für einen Hungerlohn zu arbeiten. Sie wollen rauchen, sie wollen telefonieren, sie wollen mehr Rechte. Sie wollen nachts nicht im Zimmer eingesperrt werden wie Tiere. Sie machen Bambule – sprich: sie nehmen ihr Schlafzimmer auseinander.
„Bambule“ ist ein sozialkritisches Fernsehspiel, das in Form einer Parabel Schlaglichter auf 24 Stunden rund um den Alltag eines Erziehungsheims wirft. Ein Tag zwischen Aufruhr und Vergeblichkeit. Spröder Realismus mit stark berlinernden Hauptdarstellerinnen, mit dem Soziolekt der Zeit („Trebe“ oder „Peikern“) und den Bee Gees aus der Musikbox trifft auf Figuren, die gelegentlich etwas zu deutlich sagen, was Sache ist. Dabei hat Itzenplitz seine Ko-Autorin mit ihrer journalistischen Direktheit offenbar schon gebremst. „Das Drehbuch hatte hunderte von Seiten, die nicht spielbar waren“, so Itzenplitz. Über die Diskussionen mit dem Regisseur muss Meinhof den Glauben an den Film als ein Medium, mit dem sich die Wirklichkeit verbessern lässt, verloren haben. Die Folge: „Ihr Sprung in die Tat.“ Die zunehmende Radikalisierung einer sozial überaus engagierten Frau, die Itzenplitz („Die Dubrow-Krise“) als „eine ständig brennende Flamme“ bezeichnete. (Text-Stand: 13.2.2012)