Wenn Pferde sprechen könnten… Bei einem Reitunfall verunglückt eine junge Frau tödlich. Jemand hat ein Seil gespannt zwischen zwei Bäumen – entdeckt Hauptkommissar Peter Haller. Also war es Mord. Weil Haller am liebsten allein ermittelt, schiebt er seine Kollegin zum Westernreiten ab – dorthin, wo alle Tatverdächtigen mit Leidenschaft zu Hause sind: zum Reitstall „The Ranch“. Hier trifft sie auf einen verkappten Macho-Cowboy, einen stummen Stalljungen und ein Cowgirl mit Familiensinn und praktischer Intelligenz. „Bei uns geht’s ziemlich locker zu… Spaß gehört auch dazu.“ Haller wird die ganze Bedeutung dieser Worte von Ranchbetreiberin Tessi erst später begreifen, nachdem er seine Sinne geschärft hat beim erotischen Spiel mit der geheimnisvollen Buchhändlerin Eva. Haller, der wegen des Todes der Mutter von Würzburg in seine Heimatstadt Bamberg gekommen ist, lässt nichts anbrennen. Seine Kollegin sieht zwar sexy aus im Western-Look, doch Sacher kommt von sachlich.
Foto: BR / Barbara Bauriedl
Trotz Kleinstadt- und Dorfkrimi-Inflation – diesen Heimatkrimi lässt man sich gern gefallen. „Bamberger Reiter“ ist ein filmischer Rohdiamant. Keine Hochglanzästhetik vernebelt den Blick fürs Wesentliche, die Story kommt auf leisen Sohlen, die Ermittler nehmen sich Zeit – anders als in der Großstadt läuft (oder reitet) ihnen hier der Täter schließlich nicht davon. In Oberfranken weiß auch ein Mörder, wo sein Zuhause ist. Und die Ermittler sind keine perfekten Kommissare, auch wenn die überengagierte Birgit Sacher ihre Ansprüche an sich und die anderen nicht verbergen kann. „Irgendwie mog i di net“, sagt der grundentspannte Sven Schäuffele über seine Kollegin. „I scho“, entgegnet Haller und ein verstecktes Schmunzeln huscht ihm über die Wangen. Dem Weiblichen ist er nicht abgeneigt. Zu seiner verstorbenen Mutter, einer stadtbekannten Feministin, hatte der instinktsichere Mann einen guten Draht. Mit Mamas alter Kiste, die Sprüche ziert wie „Die Zukunft ist weiblich“, ermittelt er auf dem Land, wo Cowboys noch Cowboys sind und Cowgirls noch Cowgirls. Oder? Es scheint, als ob selbst in Oberfranken John Wayne schon längst nicht mehr reitet.
Der wahre Held in „Bamberger Reiter“ ist Kommissar Haller: ein Romantiker, der E.T.A. Hoffmann liebt und der wie einige seiner Figuren zwischen schnödem Alltag (des Berufs) und magischer Phantasiewelt hin- und hergerissen wird. Während des Mordfalls wird er von seinem Gefühlsleben überwältigt. Haller ist nicht in kriminalistischer Dauerbereitschaft. Er hat ein Leben neben seinem Beruf – das unterscheidet ihn grundlegend von anderen Krimi-Helden, bei denen Freizeit meist als eine Funktion der Arbeit definiert wird. „Haller ist ein erotisch begabter Mann, einer, der sich und die Frauen spürt und Zugang zu seinen Emotionen hat“, beschreibt ihn die BR-Redakteurin Stephanie Heckner. „Haller ist gelassen, cool – und darunter brodelt ein Vulkan.“ Thomas Schmauser spielt ihn zurückhaltend, leise, langsam, aber man spürt, dass diese Langsamkeit keine Langsamkeit des Geistes ist, sondern sich in ihr eine Lebensphilosophie spiegelt: „Jeder ist solo – irgendwie. Oder?“ ist einer seiner ersten Sätze. Bodenständigkeit und Geheimnis schließen sich bei ihm nicht aus. Und doch hat dieser Sheriff, der sich nur kurz vergaloppiert, dann wieder eine schöne Klarheit. Für ihn gilt, was für die Geschichte gilt, die Bilder, die Inszenierung, die Montage, die Musik, die verschiedenen Charakterfarben der wunderbaren Schauspieler: ein Rohdiamant! (Text-Stand: 28.9.2012)