Wenn Serienhelden viele Jahre nach ihrem letzten Abenteuer ein Comeback feiern dürfen, hat das meist einen gewissen Reiz. RTL hat sich auch nicht davon abschrecken lassen, dass ein ähnliches Projekt von Sat 1 schon vor Jahren schiefgegangen ist: „Kampf im Revier“ (2012), die buchstäbliche Wiederauferstehung des in der letzten Serienfolge lebensgefährlich verletzten Andreas Wolff aus dem Klassiker „Wolffs Revier“ (Sat 1, 1992 bis 2006), war zwar ein ziemlich spannender Thriller mit einer interessanten Geschichte, aber wegen der aus Sendersicht offenbar enttäuschenden Einschaltzahlen ist es bei diesem einen Versuch geblieben. Deshalb ist fraglich, ob RTL mit „Balko Teneriffa“, gar als Reihe angekündigt, mehr Glück haben wird, selbst wenn der Auftaktfilm trotz einiger darstellerischer Schwächen und gewisser Längen zumindest für die Fans des Serienklassikers durchaus sehenswert ist. Dass die Helden mittlerweile um die sechzig sind, sollte kein Problem sein; die einst mit den Privatsendern aufgewachsene Jugend ist ebenfalls in die Jahre gekommen. Außerdem setzt das Buch vom Autorenduo Stefan Scheich und Robert Dannenberg („Der letzte Bulle“), nicht allein auf die Strahlkraft der Hauptdarsteller, deren Popularität ohnehin etwas verblasst ist.
Die Handlung beginnt mit einer Befragung. Balko (Jochen Horst) und Krapp (Ludger Pistor) sitzen in Handschellen in einem Vernehmungsraum der Polizei von Puerto de la Cruz; beide wirken recht derangiert. Krapps Aufmachung irritiert zudem durch ein pinkfarbenes Unterhemd mit einem Schwein und der Aufschrift „Geile Sau“. Im Verlauf des Gesprächs stellt sich mit Hilfe entsprechender Rückblenden heraus, dass Krapp, mittlerweile ein hohes Tier im Verteidigungsministerium, nach einer Spendengala in der Villa des Waffenherstellers Oswald (Jan Henrik Stahlberg) neben einer weiblichen Leiche aufgewacht ist. In seiner Not hat er seinen alten Kumpel und Kollegen aus gemeinsamen Jahren bei der Kripo Dortmund angerufen. Weil sie bei der gemeinsamen Flucht in einem Buggy von finsteren Gestalten verfolgt wurden, ist in der Hauptstadt der Kanarischen Insel Einiges zu Bruch gegangen. Der Mordverdacht gegen Krapp und die Kollateralschäden wären schon Anlass genug, um den Blutdruck der jungen Polizistin in die Höhe zu treiben, aber zu allem Überfluss ist Alicia Ruíz (Tamara Romera Ginés) die Stieftochter von Balko. Das Verhältnis der beiden ist allerdings erheblich gestört: Seit dem Unfalltod von Alicias Mutter hat er sein Dasein ausschließlich der Vernichtung von Alkohol gewidmet. Krapps Notruf kam zur rechten Zeit, um ihn endlich aus der Lethargie zu wecken, zumal es sich bei der Leiche um eine junge Journalistin handelt, die einer großen Sache auf der Spur war und ihn um Unterstützung gebeten hatte; aber er musste zur verabredeten Zeit seinen Rausch ausschlafen. Die Ex-Kommissare vermuten, dass Oswald und sein Bruder (Johannes Kienast) mit ihren von der Mutter (Uschi Glas) als Schirmherrin geleiteten Wohltätigkeitsprojekten bloß von illegalen Waffenschiebereien ablenken wollen. Damit liegen sie nicht völlig falsch; aber die Wahrheit ist noch perfider.
Natürlich gibt es auch in satte Farben getauchte Urlaubsbilder (Kamera: Maximilian Hoever), aber „Balko Teneriffa“ ist in erster Linie ein hochwertig fotografierter Thriller mit Action-Elementen; die Verfolgungsjagd zu Beginn entwickelt ihre Rasanz jedoch allein durch den Schnitt (Regie: Félix Koch). Gegen Ende kommt es zu einer ausgiebigen Ballerszene am Strand, doch ansonsten setzt der Film vor allem auf den typischen Charme des „Buddy-Movies“: Die Chemie zwischen den alten Haudegen stimmt zwar noch, aber das gilt auch für ihre unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmale. In dieser Hinsicht funktioniert das Duo wie die meisten anderen „Ernie und Bert“-Konstellationen: hier Kopf durch die Wand, dort Bedenken und der Blick aufs große Ganze. Ungleich witziger sind daher die Momente, in denen Jochen Horst und Ludger Pistor, 1996 immerhin mit dem Grimme-Preis geehrt, sich selbst und ihr Publikum von einst mit Ironie in eigener Sache erfreuen; besonderen Spaß werden die Fans der Serie an einem Auftritt Pistors in Rambo-Manier haben. In einer Hinsicht allerdings stößt die Selbstreferenzialität an ihre Grenzen. Balko und Krapp haben sich 15 Jahre lang nicht gesehen. Das passt, denn die achte Staffel der Serie endete im Frühjahr 2006. Damals wurde die Titelfigur jedoch von Bruno Eyron verkörpert, denn Horst war 2003 ausgestiegen. Das neue Gesicht ab Staffel vier wurde mit einer Operation in Folge eines schweren Unfalls erklärt. Eine Begründung für den neuerlichen Antlitzwechsel bleibt der Film schuldig. Das wird all’ jene, für die Horst der einzig wahre Balko war, ganz sicher nicht stören. Außerdem müssen die Hauptdarsteller damit leben, dass die fließend zweisprachige Tamara Romera Ginés ihnen in den gemeinsamen Szenen regelmäßig die Show stiehlt.