Bad Cop – Kriminell gut

David Rott, Daniel Rodic, Leiberg, Kratochvil. Auf den Spuren des letzten Bullen

Foto: RTL / Georges Pauly
Foto Tilmann P. Gangloff

Der Ansatz von „Bad Cop“ ist originell: Der sympathische Berufsverbrecher Jan Starck (David Rott) muss notgedrungen in die Rolle seines getöteten Zwillingsbruders Jesko schlüpfen und wird auf diese Weise Kriminalkommissar. Ähnlich wie diverse andere Reihenformate verknüpft die RTL-Serie eine horizontale Erzählebene mit jeweiligen Episodenfällen, die jedoch längst nicht so interessant sind wie Jans Schwierigkeiten, sich an seine neue Rolle zu gewöhnen. Der Auftakt ist spannend und enorm dicht erzählt, aber ab der zweiten Folge unterscheidet sich „Bad Cop“ kaum noch von anderen Krimiserien.

Es hat ein paar Jahre gedauert, aber endlich bekommt Mick Brisgau, „Der letzte Bulle“ (2010-21014), einen Nachfolger. Wie der Kollege aus Essen, der zwanzig Jahre im Koma gelegen hat und sich erst mal im neuen Jahrtausend zurechtfinden musste, so führt auch der Hamburger Jan Starck als Kriminalkommissar ein richtiges Leben im falschen: Er ist eigentlich Berufsverbrecher. Der Vorspann der neuen RTL-Serie verdeutlicht die Metamorphose: Der geteilte Bildschirm zeigt zwei Männer; der eine in der linken Hälfte ist eher cool, der andere in der rechten eher brav. Doch dann beginnt der rechte zu verblassen, und der linke übernimmt seine Rolle. In der Auftaktfolge („Ich bin du“) sieht das dann so aus: Jan (David Rott) ist ein sympathischer Krimineller, sein Zwilling Jesko Hauptkommissar. Die unterschiedlichen Lebenswege haben ihre Bruderliebe offenbar nicht beeinträchtigt. Nach einem geplatzten Kokaindeal wird Jan nicht nur von dem Gangster Tarek (Dimitri Bilov), sondern auch von der Polizei gejagt, aber es ist Jesko, den die tödliche Kugel des Drogenbosses trifft. Er drückt Jan seinen Ausweis in die Hand und bittet ihn mit seinem letzten Atemzug, auf seine Töchter aufzupassen und die Finger von seiner Frau zu lassen. Also nimmt der Ganove die Identität seines Bruders an und ist als Ermittler überraschend erfolgreich.

Bad Cop – Kriminell gutFoto: RTL / Georges Pauly
Die coole Ausgangsidee verpufft allzu bald. Die RTL-Serie „Bad Cop“ (RTL, 2017) mit David Rott bleibt dennoch sehenswert.

Ähnlich wie viele andere Krimireihen der letzten Jahre (allen voran der „Polizeiruf 110“ aus Rostock oder die ersten „Tatort“-Episoden aus Dortmund und Berlin) kombiniert „Bad Cop“ eine horizontal erzählte Handlung mit einem jeweiligen Fall. Die Fortsetzungsebene gilt allerdings nicht der Jagd nach dem Mörder des Bruders, sondern dem Rollentausch: Jeskos Ehe steckt in einer tiefen Krise, Gattin Bea (Alma Leiberg) hat ihn vor die Tür gesetzt; nun lebt er in seiner Garage. Dass Jan irgendwann Gefühle für Bea entwickeln wird, ist zwar ebenso wenig überraschend wie die Alterskonstellation der beiden Töchter – eine noch klein, die andere in der Pubertät –, aber natürlich eine reizvolle Ergänzung zu den Krimihandlungen, zumal es eine zweite Frau gibt: Folge eins beginnt mit leidenschaftlichem Sex, denn Jan hat ein Verhältnis mit Gina (Mersiha Husagic), der attraktiven Frau des Obergangsters, und die macht sich mit Erfolg daran, auch den vermeintlichen Jesko zu erobern.

Schon Folge 2 („Klassentreffen“) wirkt über weite Strecken wie eine ganz normale Krimiepisode: Als ein allseits unbeliebter Immobilienhändler ermordet wird, vermutet Jan, dass die geldgierige Witwe (Picco von Groote) dahintersteckt. Eine frühere Mitschülerin (Julia Brendler) des Mordopfers hätte ebenfalls ein gutes Motiv, denn der Mann wollte ihre Eltern vertreiben. Anders als der dicht inszenierte Auftakt ist die Fortsetzung wesentlich spannungsärmer. Umso verwunderlicher, dass der Regisseur von Folge eins seinen Namen zurückgezogen hat; in einschlägigen Datenbanken findet sich nun das Pseudonym „Alan Smithee“. Folge 2 ist von Oliver Dommenget inszeniert worden. Es macht zwar immer noch Spaß, David Rott zuzuschauen, aber die Intensität hat deutlich abgenommen. Auch das ist eine Parallele zu vielen semi-seriell erzählten Formaten: Die einzelnen Fälle sind meist nicht so spannend wie der rote Faden. Außerdem wird das Potenzial der Kernidee nicht ausgeschöpft; so wird nur kurz angedeutet, dass die Polizei Jan für den Mörder seines Bruders hält. Auch wenn es ein beliebtes Erzählmotiv ist, dass ein Mordverdächtiger den wahren Täter sucht, um seine Unschuld zu beweisen: Es hätte „Bad Cop“ um eine interessante Komponente erweitert; ganz abgesehen davon, dass sich Jan zumindest pro forma selbst jagen müsste. Wenig Federlesens macht die Serie auch mit der Tragik der nunmehr vaterlosen Töchter. Ab Folge 2 gibt es auch verstärkte Comedy-Elemente, weil Jan nun flapsige Sprüche klopft und schlechte Witze macht: Der Kollege will das KIT alarmieren (Kriseninterventions-Team), Jan spricht mit seiner Armbanduhr und ruft „K.I.T.T.“, das Auto von Hasselhoffs „Knight Rider“.

Bad Cop – Kriminell gutFoto: RTL / Georges Pauly
Wie so oft bei RTL: Ein bisschen nackte Haut kann nicht schaden, auch im Krimi! David Rott & Mersiha Husagic in „Bad Cop“

Soundtrack:
Folge 1: Jessie J & Ariana Grande & Nickie Minjaj („Bang Bang“), Modern Talking („Cheri, Cheri Lady“), Udo Lindenberg („Mein Ding“).
Folge 2: Kings of Leon („Walls“), The Heavy („How You Like Me Now“).
Folge 3: Brian & Tony Gold & Shaggy („Hey Sexy Lady“), The Chainsmokers & Coldplay („Something Just Like This“), Beth Hart („Caught Out In the Rain“), Kasabian („Twentyfourseven“)

Der Polizist, der gewissermaßen aus einer anderen Welt kommt, ist die deutlichste Überschneidung mit „Der letzte Bulle“, aber es gibt noch weitere. Die Sat-1-Serie, übrigens vom heutigen RTL-Fiction-Chef Philipp Steffens produziert, lebte letztlich vom Mit- und Gegeneinander der beiden Hauptfiguren, weil Mick Brisgaus spießiger Kollege mehr und mehr in den Mittelpunkt rückte. Auch „Bad Cop“ knüpft an die Krimi-Tradition des „Buddy Movie“ an, bei dem der zentralen Rolle ein möglichst gegensätzlicher Partner zur Seite gestellt wird: Jeskos neuer Beifahrer Luís (Daniel Rodic) ist ein eifriger Kommissarsanwärter mit Migrationshintergrund, der frisch von der Polizeischule kommt und immer wieder verblüfft feststellt, dass Jans Methoden in keinem Lehrbuch stehen. Natürlich spürt er, dass irgendwas nicht stimmt, weil „Jesko“, der sich ihm als „Jan“ vorstellt, immer wieder kleine Aussetzer hat. Spätestens in Folge 3 ist Luís als gleichwertiger Partner etabliert, der sich zudem für eine attraktive Feuerwehrfrau (Laura Berlin) erwärmt. Der doppeldeutige Titel „Feuer & Flamme“ bezieht sich allerdings auch auf einen Mord: Der Mentor der jungen Frau ist erschossen worden, und schweren Herzens muss Luís akzeptieren, dass sie ziemlich mordverdächtig ist. Bei dieser Folge hat ebenfalls Dommenget Regie geführt. Die zwischenmenschlichen Szenen sind gelungen, aber der lahme Showdown wird auch durch die Zeitlupe nicht spannender.

Trotz vieler guter Ansätze wirkt „Bad Cop“ unterm Strich so, als wäre mehr drin gewesen. Immerhin passt die rockige Musik gut zu Tonfall & Stimmung der Serie, die RTL im Doppel-Pack mit „Alarm für Cobra 11“ ausstrahlt; eine Kombination, die sicher gut funktionieren wird. Kreativer Kopf der Produktion ist Claudia Kratochvil als Chefautorin und Producerin; in ähnlich entscheidender Funktion war sie auch schon an der RTL-Serie „Männer! Alles auf Anfang“ beteiligt. Die Kernidee des Identitätswechsels hatte Jens Maria Merz.

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Mit David Rott, Daniel Rodic, Alma Leiberg, Mersiha Husagic, Dimitri Bilov, Lisa Marie Trense, Victoria Fleer, Amelie von Trott, Nicki von Tempelhoff

Kamera: Stephan Wagner, Maximilian Lips, Namche Okon, Stefan Spreer

Szenenbild: Tim Tamke

Kostüm: Ingalill Knorr

Schnitt: Friederike von Normann, Oliver Gieth, Ingo Recker, Nina Meissner, Achim Seidel

Musik: Jaro Messerschmidt, Nik Reich

Produktionsfirma: Talpa Germany

Produktion: Claudia Kratochvil

Headautor*in: Claudia Kratochvil

Drehbuch: Claudia Kratochvil, Clemens Murath, Hagen Moscherosch, Alexander M. Rümelin, Linus Förster, Rafael Solá Ferrer, Michael Ehnert – Idee: Jens Maria Merz

Regie: Oliver Dommenget, Peter Ladkani, Michael Kreindl

Quote: Folge 1+2: 2,31 Mio. Zuschauer (9,35% MA)

EA: 21.09.2017 21:15 Uhr | RTL

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