Der nächste Finanzcrash kommt bestimmt. In Frankfurt am Main melden die Geldautomaten: „Außer Betrieb.“ Auf den Straßen brechen Unruhen aus, Rauchwolken steigen auf. Doch hoch oben über der Stadt, auf der Terrasse einer schicken Penthouse-Etage, finden das ein paar Investmentbanker lustig und stoßen auf ihren Coup an. Die Mini-Serie (sechs Teile à 52 Minuten) „Bad Banks“ hat die notwendige Portion Zynismus, die es für einen Film über die Branche der Finanzinvestoren braucht. Kennt man, diese vom Millionenspiel, von Drogen, Sex und von sich selbst berauschten Typen. Aber die Serie hat im Gegensatz zu Kinofilmen wie „The Wolf of Wallstreet“ oder dem Grimme-gekrönten Fernsehfilm „Dead Man Working“ fünf Stunden Zeit, um Figuren und Geschichten zu entwickeln. Und sie thematisiert dabei stärker als vergleichbare Produktionen die Rollenbilder der Branche. Hauptfigur ist eine junge Frau, die sich in der Männerdomäne Investmentbanking durchsetzen will. Ein zeitgemäßer Ansatz und zugleich packendes Serienfernsehen mit kaum einmal nachlassender Spannung.
Foto: ZDF / Sammy Hart
Kündigung in Luxemburg, neuer Job in Frankfurt
In der mitreißenden Auftaktfolge („Die Kündigung“) werden nicht nur die wichtigsten Figuren eingeführt und die ersten Handlungsfäden ausgelegt – es geht gleich mit hohem Tempo in die Vollen. Nach der Vorblende auf den Finanzcrash springt das Drehbuch acht Wochen zurück. Jana Liekam (Paula Beer) arbeitet bei einer Bank in Luxemburg als Assistentin eines unsympathischen Brokers, für den sie ein Nichts, eine reine Befehlsempfängerin ist. Luc Jacoby (Marc Limpach) ist ein arrogantes Großmaul und leistet wegen Drogenkonsums gerade Sozialstunden ab, ist aber der Sohn des Vorstandsvorsitzenden. Als Jana sich bei einem Kundengespräch als kompetenter erweist als er, wird ihr prompt gekündigt. Empört marschiert sie in das Büro ihrer Vorgesetzten Christelle Leblanc (Désirée Nosbusch), was zwar nichts an der Kündigung ändert, ihr aber die Tür zu einem neuen Job bei der Deutschen Global Invest in Frankfurt öffnet. Dort hat Gabriel Fenger (Barry Atsma) die Investment-Abteilung übernommen, ein smarter Manager, der zehn Jahre nach der Lehman-Pleite und der darauffolgenden Bankenkrise wieder Aufbruchstimmung erzeugen soll. Fenger beauftragt Jana, den Luxemburgern das Geschäft zu vermasseln. Sie soll das Produkt, das Luc und sie entwickelt haben, für die Global Invest erfolgreich am Finanzmarkt platzieren. Es handelt sich um Wetterderivate – ein absurdes Anlagegeschäft, bei dem darauf spekuliert wird, dass in Kalifornien keine größeren Naturkatastrophen eintreten. Jana wird Chefin eines kleinen Teams und liefert sich in Folge eins ein Wettrennen mit Luc um potenzielle Kunden.
Der Applaus für gierige Banker-Figuren ist leicht zu haben
Wie funktioniert diese Branche? Was macht ihre Faszination aus? Eine hochklassige Serie über „die schillernde Welt der Hochfinanz, in der riskante Geldgeschäfte das Adrenalin durch die Adern der beteiligten Akteure jagen“, wie das ZDF schön blumig für „Bad Banks“ wirbt, sollte diese Welt nicht nur als Bühne für Dramen auf Speed nutzen, sondern sollte die Branche ernst nehmen und etwas von ihren hochkomplexen Geschäften verstehen. Sollte dem Publikum einen Einblick in die Funktionsweise geben und moralische Posen vermeiden. Denn nichts dürfte leichter fallen, als das Klischee von gierigen, skrupellosen Bankern zu bestätigen. Dieser Applaus ist billig zu haben. Die Kunst ist vielmehr, das Publikum hin und her zu reißen. Wir Zuschauer müssen die Figuren einerseits mögen, müssen beeindruckt sein, mitfiebern, wenn sie Konkurrenten ausstechen oder in wenigen Tagen Millionen verdienen sollen. Andererseits gilt es, die Mechanismen des Systems offen zu legen, die Art der Geschäfte, den harten Konkurrenzkampf, die fiesen Tricks, gegenseitige Rücksichtslosigkeit. „Bad Banks“ gelingt dieser Spagat vorzüglich und ist auf packende Weise entlarvend.
„Ich glaube, der Erfolg der modernen Serien ist zurückzuführen auf die zunehmende Bereitschaft der Gesellschaft, die Komplexität der Welt und der Menschen zu akzeptieren. Wir haben verstanden, dass einfache Antworten keine Lösungen für schwierige Fragen sind; wir glauben nicht mehr an Gut und Böse, wollen eine ehrliche Auseinandersetzung. Gute Serien erheben keinen Zeigefinger, sondern geben uns die Chance, einen fremden Kosmos zu betreten und uns selbst ein Urteil zu bilden.“ (Headautor Oliver Kienle)
Foto: ZDF / Ricardo Vaz Palma
Duell der verbündeten Frauen: Paula Beer und Désirée Nosbusch
Keine Figur ist hier ausschließlich gut oder böse. Als Zuschauer ist man natürlich sofort an der Seite Janas, die offenbar aus dem Job gemobbt wurde. Auch erscheint es sympathisch, dass sich zwei Frauen in der Männerwelt verbünden. Christelle hat Jana den Arbeitsplatz in Frankfurt verschafft. Doch wenn sie Jana anbietet, „ab jetzt Teil Ihres Netzwerks zu sein“, dann ist das kein Akt der Frauen-Solidarität. Denn jeder folgt seinen eigenen Interessen – und jede auch: Frauen sind hier genauso ehrgeizig und egoistisch wie die Männer. Es dauert nur bis zum Beginn der zweiten Episode („Folge dem Schrott“), da erwartet Christelle von Jana die erste Gegenleistung: Informationen über Bilanzmanipulationen bei Global Invest. Und später fährt sie noch schwerere Geschütze auf, um Jana wie eine Marionette für ihre Zwecke einzusetzen. Désirée Nosbusch als clevere, lebenserfahrene und zu allem entschlossene Strippenzieherin im Hintergrund, das ist eine der Überraschungen in dem ausgezeichneten internationalen Cast. Neben Deutsch wird auch Englisch, Französisch und Flämisch (mit Untertiteln) gesprochen, wobei es manchmal etwas gekünstelt wirkt, wenn die Sprachen innerhalb eines Dialoges wechseln. Paula Beer („Vier Könige“, „Frantz“) trägt mit bemerkenswerter Leichtigkeit die Last der herausfordernden Hauptrolle. Jana ist die Überfliegerin, die mit jugendlicher Frische und einer gewissen Unverfrorenheit erfolgreich ist. Man nimmt Paula Beer aber auch die zunehmende Härte dieser Figur ab, die sich ihre Position im Team erkämpfen und sich gegen Christelle und Gabriel Fenger behaupten muss.
Grundsatz-Entscheidung in Folge vier: Jana zweifelt und denkt ans Aufhören
Dabei setzt sie allerdings ihre Beziehung aufs Spiel. Die Entfremdung von Noah (Jeff Wilbusch) spiegelt die Entwicklung Janas, die sich immer tiefer in der Banken-Welt verliert. Dort gibt es ohnehin niemanden mit einem intakten Familienleben. Geschickt wird der private Hintergrund jeder wichtigen Serien-Figur einbezogen, ohne dass dies übertrieben viel Raum einnehmen würde. Etwas überkonstruiert erscheint am Ende allenfalls die Geschichte Fengers, dessen Frau bei einem Autounfall starb. Die Umstände der privaten Tragödie und des Finanzcrashs kommen sich in den letzten beiden Folgen etwas in die Quere. Doch auch Fengers Figur bleibt kein pures Klischee, und der Niederländer Barry Atsma hat das notwendige Charisma für die Rolle des zupackenden, erfolgsbesessenen, aber nicht verantwortungslosen Top-Managers. In der wichtigen vierten Folge („Alte Schulden“) zeigt er Jana sein privates Reich. Fenger wohnt im „Eisberg“, einem Stockwerk, das in Banken früher offenbar als Lagerstätte für Koks diente. „Ich wollte dir nur zeigen, wer du werden könntest“, sagt er. Jana versteht dies zurecht als „Warnung“. Diese Episode markiert einen entscheidenden Wendepunkt. Jana steht schwer unter Druck, weil sie bei ihren internen Nachforschungen aufgeflogen ist. Auch von Christelle wird sie bedroht. Jana schwankt, zweifelt, denkt ans Aufhören und entschließt sich doch fürs Gegenteil. Unter anderem gibt es ein Wiedersehen mit Luc, der eigentlich gerade dank seiner Liebe zu einer bodenständigen Kellnerin auf dem Weg zu einem besseren Menschen war. Chance verpasst, aber ein Gewinn für die Serie, auch dank des großartigen Luxemburgers Marc Limpach.
„Seit der Krise von 2008 dürfen die Mitarbeiter der Banken nicht mit Journalisten oder Leuten wie mir über ihre Arbeit sprechen. Einen offiziellen Zugang bekommt man nicht. Wir mussten viele komplizierte Wege gehen, bis man uns Einblicke gewährte. Wenn man mit Investmentbankern ins Gespräch kommt und ihr Vertrauen gewinnt, erfährt man hinter vorgehaltener Hand unglaubliche Geschichten. Für einen Filmemacher, der sein Publikum in Staunen versetzen will, eine unendliche Schatzkammer. Ich konnte nicht aufhören mit der Recherche, die Gespräche lösten einen Rausch aus.“ (Regisseur Christian Schwochow)
Foto: ZDF / Fabrizio Maltese
Vier Milliarden für die Finanzierung von „Leipzig 2025“: Woher nehmen?
Spannung entsteht nicht zuletzt durch den im Drehbuch (Headautor: Oliver Kienle) klug angelegten dramaturgischen Rahmen: Der enorme Zeitdruck in der Branche bestimmt den Rhythmus. Immer gilt es, schneller zu sein als die Konkurrenz und knapp kalkulierte Fristen einzuhalten. Zugleich muss Jana die Skepsis ihrer neuen Kollegen überwinden. Und ihr Team mit der strengen, schweigsamen Thao Hoang (Mai Duong Kieu) und dem streberhaft wirkenden Adam Pohl (Albrecht Schuch) hat im Verlauf der Serie einige Überraschungen zu bieten. Nebenbei zeigt sich, dass Investmentbanking nicht nur spekulatives Wetten bedeutet, sondern durchaus etwas mit der Realwirtschaft zu tun hat. Im Mittelpunkt steht „Leipzig 2025“, ein gewaltiges Städtebauprojekt, um dessen Finanzierung sich die Großbanken reißen. Allerdings müssen vier Milliarden Euro von Investoren beschafft werden. Die Zeit drängt, auch weil Leipzigs Oberbürgermeister (Jörg Schüttauf) todkrank ist und er sein Lebenswerk noch unbedingt aufs Gleis setzen will. Jördis Triebel spielt in wenigen prägnanten Szenen seine Ehefrau, die ihn davon überzeugen will, die letzten Wochen seines Lebens lieber zu genießen. Stark besetzt sind auch weitere, im Serienverlauf zunehmend wichtige Nebenrollen. Tobias Moretti ist Quirin Sydow, Vorstandsmitglied bei Global Invest, eine dank Morettis Schauspielkunst besonders abgründige Figur. Ab Folge 4 gerät Sydow an einen hartnäckigen Feind: den Mann von der Finanzaufsicht. Der im Fernsehen selten auftretende Theater-Star Tobias Langhoff glänzt in dieser komischen, bittersüßen Rolle als unterschätzter Beamter.
Funkelnder Schick unter einem schmutzigen Frankfurter Himmel
Die Inszenierung von Christian Schwochow („Der Turm“, „Bornholmer Straße“) überzeugt aber nicht nur in den kleinen, intimen, von Schauspiel und klasse Dialogen getragenen Szenen, sondern bietet auch Opulenz und Größe. Etwa bei der Aktionärsversammlung in Folge zwei. Oder am Arbeitsplatz der Broker, die in dem turnhallengroßen Raum wie Arbeitsbienen wirken. Die Kamera von Frank Lamm sorgt dort für Dynamik und hohe Intensität. Außerdem schafft die exzellente Bildgestaltung bisweilen eine eigenwillige, beinahe apokalyptische Atmosphäre: Der ganze funkelnde Schick – die gläsernen Büro-Fassaden, die luxuriösen Wohnungen, die teuren Bars – kontrastiert mit dem in schmutzigen Farbtönen gehaltenen Frankfurter Himmel. Denn gerne trifft man sich, buchstäblich abgehoben, zu vertraulichen Gesprächen auf Hausdächern. Im Hintergrund sieht man manchmal ein paar Fabrikschlote wie Relikte der vergangenen Industrie-Epoche.
Konflikte zwischen Männern und Frauen, Oben und Unten
In der aktuellen Geschlechter-Debatte bietet „Bad Banks“ eine Menge Anschauungsmaterial. Jana erlebt bei ihrem Aufstieg typische Übergriffe, wird von Luc wüst beschimpft, von Fenger unangemessen berührt und geohrfeigt, von Sydow roh bedroht. Den Respekt muss sie sich in der Männerwelt erkämpfen, die Konfliktlinien verlaufen aber nicht nur zwischen Männern und Frauen, sondern vor allem zwischen Oben und Unten. Es geht um Macht und Kontrolle. In einer Szene belästigt der angetrunkene Fenger in Feierlaune eine Putzfrau – und alle finden das lustig, auch Jana. In einer anderen Szene möchte ein junger Banker bei Sydows Assistentin einen Kaffee bestellen, wird aber von dem Manager zusammengestaucht – wobei Sydow an ihm wohl vor allem den Ärger über die Finanzaufsicht auslässt. In der Serie sind viele genaue Beobachtungen über den Umgang zwischen Männern und Frauen – und zwischen Frauen und Frauen – verstreut. Über allem steht der Erfolg, das eigene Vorankommen. Sex ist eher Mittel zum Zweck, manchmal Belohnung, die man sich nach einem harten Tag wie eine Linie Koks gönnt. Jana und Thao schleppen Jungs in der Bar ab, aber auch das weibliche Vergnügen trägt obsessive Züge, jedenfalls bei der Besitz ergreifenden Thao („Du bist jetzt meiner“). Die erkennt nach dem gemeinsamen Feier-Abend immerhin Jana als Chefin an. Zu dem Song „Bungalow“ von Bilderbuch reflektieren beide ihre Rolle als Kolleginnen. „Wir sind halt Frauen“, sagt Jana. „Wir tun lieber so, als würden wir uns hassen und machen uns kaputt.“ In dieser fiktiven Finanz-Welt gibt es nur Netzwerke, was nicht mit Freundschaften zu verwechseln ist. (Text-Stand: 21.2.2018)