Was für ein Zufall: Am Weihnachtsabend Treffen sich Carl (Ulrich Noethen) und Sina (Aglaia Szyszkowitz), ein Ehepaar im Trennungsjahr, im Zug von Salzburg nach München. Erst einmal fällt man zurück in alte Gewohnheiten, dann überschlagen sich die Ereignisse: Mitten im Nirgendwo blockiert ein umgestürzter Baum die Schienen, eine chinesische Geigerin bekommt ein Baby, der Filius macht sich mit einem Kumpel auf die Suche nach der nächsten Straße; prompt kommen sich die beiden Streithähne unverhofft wieder näher.
Selbst wenn die Geschichte nicht so amüsant und abwechslungsreich wäre: Schon allein die virtuose Bildgestaltung ist sehenswert. Natürlich stand Kameramann Johannes Geyer für seine mitunter waghalsigen Fahrten und verblüffenden Perspektiven ein Modell zur Verfügung; trotzdem sind seine Manöver ziemlich eindrucksvoll. Ohnehin ist es imposant, wie viel Regisseurin Gabriela Zerhau aus dem bisschen Handlung rausgeholt hat. Abgesehen vom Prolog, einem Intermezzo im Schnee und dem Epilog spielt „Ausgerechnet Weihnachten“ ausschließlich im Zug, und das auch noch über weite Strecken in einem einzigen Abteil. Kein Wunder, dass Details eine wichtige Rolle spielen. Nicht nur wegen der mimischen Virtuosität gerade von Noethen lohnt daher der genaue Blick. Als Carl nach dem ersten Trubel endlich in Ruhe den „Spiegel“ aufschlägt, kann man eine Überschrift entziffern: „Ritt ins Ungewisse“. Hübsch ist auch die Szene, in der sich das Paar Nase an Nase lauthals im zunächst überfüllten Gang angiftet (der Film ist ohnehin die satirische Umsetzung jener Maxime, nach der man das Leben in vollen Zügen genießen soll), bis sie am Ende ganz allein da stehen.
Foto: BR / ORF
Für die Darsteller ist solch ein Kammerspiel natürlich ein gefundenes Fressen, was Aglaia Szyszkowitz und Ulrich Noethen auch weidlich ausnutzen. Die beiden bilden ein fabelhaftes Paar, das sich keine Bosheit schuldig bleibt. Die gegenseitigen Gemeinheiten zwischen dem Arzt und der Lehrerin reichen von der kaum kaschierten Handgreiflichkeit bis zum offenen Tiefschlag: Er schüttet ihr „ganz aus Versehen“ heißen Kaffee auf die Hose, als der Zug bremst. Sie revanchiert sich, indem sie die Abteiltür krachend zuschlägt, wohl wissend, dass er sich mit der Hand am Rahmen abstützt; und während man noch versucht, seinen Gesichtausdruck zu deuten, der wie eine rätselhafte Mischung aus Verdutztheit und Erleichterung wirkt, zeigt die Kamera seinen Fuß, der den Aufprall der Tür glücklicherweise abgefangen hat. Erst die gemeinsam gemeisterte Niederkunft der Chinesin bringt das Eheeis zum Schmelzen; die Sorge um die Kinder tut ein Übriges.
Die Besetzung verdeutlicht übrigens auch die ausdrückliche Familientauglichkeit des Films: Noethen und Szyszkowitz waren schon im ersten „Sams“-Film ein prima Paar. Kulleräugiger Vermittler zwischen den Eltern ist der zehnjährige Sohn Felix (Moritz Basilico spielte schon im Frühsommer den postillon d’amour in dem Freitagsfilm „Ein Geschenk des Himmels“). Nicht minder geschickt führt Zerhau auch die Nebendarsteller (allen voran Peter Lerchbauer, erst polternd, dann die Geburt fröhlich verschnarchend). Die müssen angesichts des streitenden Ehepaars zwar derart vehement mit vielsagenden Blicken um sich werfen, dass man sich beinahe ducken möchte, halten aber die Balance zwischen Komödie und Klamotte. Hübsch sind auch die Auftritte der sächsischen Zugbegleiterin, während sich das Dazutun von Young-Shin Kim neben dem Wegschnaufen der Wehen darauf beschränkt, zwischen Hoffen und Bangen das Mantra aller Reisenden aufzusagen: „Der fährt bestimmt gleich weiter“.
Und weil „Ausgerechnet Weihnachten“ eben kein plumpes Freitagsstück ist, sondern eine intelligente, liebevoll gemachte Screwball-Comedy, darf man auch nicht darauf hoffen, dass diese herrlichen Szenen einer Ex-Ehe in ein simples Happy End münden. (Text-Stand: 2005)