„Aufschneider“ – so ein Film kann nur aus Österreich kommen. Keiner kann mit mehr Schmäh, Witz und Sarkasmus das pralle Leben zwischen Leichen erzählen als unsere südlichen Nachbarn. In „Aufschneider“ geht es „wie bei jeder guten Sache um Leben und Tod,“ sagt Co-Autor und Hauptdarsteller Josef Hader – wie oft in Filmen von und mit dem genialen Kabarettisten und Schauspieler: vom „Knochenmann“ über „Komm, süßer Tod“ und „Silentium“ bis zum Grimme-Preis gekrönten „Ein halbes Leben“. Diese Ösi-Komödie ist ein hinreißend schräger und skurriler Spaß, der jedem empfohlen sei, der Lust auf schwarzen Humor und wahnwitzige Dialoge hat und beim Anblick von Leichen nicht gleich aus den Latschen kippt. Ursprünglich mal als Kinofilm, dann als Serie angedacht, machte das kongeniale Austria-Duo Josef Hader (Buch) und David Schalko (Buch/Regie) letztlich einen Zweiteiler daraus, der in der Alpenrepublik bis zu 30% Marktanteil beim Publikum erreichte.
Foto: ORF / Superfilm / Pertramer
Der besondere Kniff der Autoren bei „Aufschneider“, dessen beide Teile Arte an einem Abend direkt hintereinander zeigt: Klassische Krankenhausgeschichten werden hier aus einer ungewöhnlichen Perspektive erzählt, von schräg unten – aus der stilecht in kaltes Neonlicht getauchten Pathologie im städtischen Margaretenspital in Wien. Dort ist der Arbeitsplatz des stets übel gelaunten und meist zynischen Pathologiechefs Fuhrmann – erfolgreich im Beruf, schroff im Umgang mit den Mitarbeitern und im Privatleben ein Totalversager. Seine Ex-Frau (Ursula Strauss) lässt sich mit seinem verhassten Erzfeind, dem arroganten Chirurgen Dr. Böck (Oliver Baier), ein, seine Teenager-Tochter (Tanja Raunig) geht mit dem jungen Assistenzarzt (Manuel Rubey) ins Bett, seine Gehilfen, die Max (Raimund Wallisch) und Moritz (Georg Friedrich) heißen, klauen die Augen der toten Patienten und verkaufen sie mit Hilfe der hocherotischen Bestattungsunternehmerin (hinreißend: Meret Becker), seine Mitarbeiterin Wehninger (Pia Hierzegger) stellt sich als psychisch nicht ganz stabil heraus und entführt per Rollstuhl aus dem Kühlhaus die Leiche ihres gerade verstorbenen Vaters.
Wiener Schmäh in der Pathologie funktioniert bestens in dem rabenschwarzen Zweiteiler mit ineinander verwobenen, episodischen Erzählungen. Natürlich lebt der Film in starkem Maß von der österreichischen Mundart, kein Dialekt kann dieses Morbide da unten im Keller des Margaretenspitals besser zum Ausdruck bringen. So geht durch die Untertitelung für die Arte-Ausstrahlung (muss wohl der Verständlichkeit halber sein) eine gute Portion Witz verloren, denn richtig übersetzen kann man das, was da gesprochen wird, nicht.
Pathologen erfreuen sich in deutschen Krimis seit Jahren großer Beliebtheit – sind mal bemüht witzig, mal wortkarg, mal überkorrekt. Doch so wie hier, in einer solchen Ansammlung an schrägen und skurrilen Typen, hat man sie noch selten gesehen. Und Josef Hader drückt mit seinem trockenen, oft doppelbödigen Witz seines unausstehlichen (hier darf man es schreiben, im Film fällt das Wort des öfteren) „Arschlochs“ den Stempel auf. Und gibt dem Fuhrmann eine tiefere Dimension: Im Mikroskop entdeckt dieser Zyniker („Krebs ist wunderschön, wie ein psychodelisches Gemälde aus den 1960er-Jahren“) jedes noch so winzige Detail, im sozialen Leben aber fehlt ihm der Blick fürs Wesentliche (Text-Stand: 24.5.2012).