Eleonore Krämer hat sich völlig abgeschottet von ihrer Umwelt. Die preisgekrönte Kinderbuch-Illustratorin hasst Überraschungen, Berührungen jeder Art und verlässt nur im äußersten Notfall ihre Wiener Wohnung. Weil ihr geliebter Bruder im Sterben liegt, muss die psychisch kranke Frau über ihren Schatten springen und aus ihrem selbst gezimmerten Gefängnis ausbrechen. Denn Fred Krämer, der seine Erfüllung als Priester fand, hat es einst nach Südafrika verschlagen, wo er als Leiter eines Waisenhauses arbeitete. Den Bruder nach Europa zu holen, ist aussichtslos – also verlängert Eleonore ihren Aufenthalt im Land der Selbstfindungsmöglichkeiten und scheint sich langsam aus ihrer tiefen Einsamkeit, in der sie sich vergraben hatte, aus eigener Kraft befreien zu können. Dabei helfen ihr die Waisenkinder, Max, ein „guter Mensch“ und Förderer des Waisenhaus-Projekts, und schließlich ein Löwe.
Jutta Speidel über ihre phobische Hauptfigur:
„Eleonore ist ein wahnsinniger Egozentriker, sehr auf sich und ihre Befindlichkeiten fixiert. Sie ist eine, die sich total versteckt und Angst vor allem hat: vor der Öffentlichkeit, vor Menschen, vor Unvorhersehbarem, vor Krankheiten… Eleonore ist einsam.“
Foto: ZDF / Peter Evers
Die Problemlösungsstrategien, denen der ZDF-Fernsehfilm „Auf der Spur des Löwen“ folgt, sind eher einem jener Kinderbücher, die von der Heldin illustriert werden, entlehnt als dem wahren Leben. Die Psychologie wertet die Geschichte, die sich die Autoren Andrea Sixt und Andreas Bradler ausgedacht haben, allenfalls ein wenig auf, sie verdichtet die an sich dünne Handlung und macht die Charaktere ein Stück weit interessanter. Nicht nur die von einer schweren Sozialphobie gebeutelte weibliche Hauptfigur, sondern auch Max Reimann, der Sozialprojekt-Manager und ewige Single, hat so seine Probleme mit Nähe und Distanz, mit Arbeit und Liebe. Thematisch vertieft wird in diesem ebenso opulenten wie vorhersehbaren Feiertagsmelodram wenig, Probleme sind offenbar allein zum Lösen da. So lobenswert es an sich ist, seelischen Störungen einen Platz in Unterhaltungsprogrammen zu geben, so sehr irritiert dann doch die stereotype Art und Weise, in der sich die psychischen Konflikte in Wohlgefallen auflösen. Da wird das gängige Lösungsmuster der Trivialunterhaltung mal eben auf das Seelenleben übertragen. Das könnte man für fahrlässig halten. Dass der Film zwischenzeitlich wie eine melodramatische Tragikomödie daherkommt, ändert wenig daran.
Regisseur Riedlsperger über seinen Film:
„Eine Tragikomödie zu inszenieren, ist immer eine heikle Sache. Es ist ein schwieriges Genre, weil man das richtige Maß zwischen Schwere und Leichtigkeit finden muss.“
Ansehnlich gemacht ist „Auf der Spur des Löwen“ allerdings schon. Pluspunkte des Films sind neben dem Realismus der Sprache (die Afrikaner werden nicht übersetzt) vor allem Jutta Speidel und die Besetzung des männlichen Hauptdarstellers mit „Normalo“ Max Herbrechter. Erhard Riedlsperger ist ein Melodram gelungen, das mit dem optischen „Ausgangsmaterial“ Afrika mehr anzufangen weiß, als bloßen Postkartenkitsch zu reproduzieren. Die Landschaft, die Farben, das Licht, die Bildkompositionen erzählen zwischen den Zeilen des Buchs etwas Genretypisches mit, das dem Film einen guten Schauwert verleiht. Paradoxerweise lassen diese opulente Ansehnlichkeit das Dilemma dieses Films noch deutlicher hervortreten: Es besteht hier eine Diskrepanz zwischen dem Kleinen und dem Großen, zwischen dem psychologischen Subtext und dem „Milieu“, in dem diese ARD/ORF-Koproduktion angesiedelt ist. Afrika ist eine Nummer zu groß für die Intimität des Konflikts. (Text-Stand: 20.3.2012)
Foto: ZDF / Peter Evers