Alle reden von „Akte X“ – da war es nur eine Frage der Zeit, wann auch hierzulande magische Kräfte und außersinnliche Wahrnehmungen in TV-Movies und Serien aufgegriffen werden würden. Vergangenen Herbst versuchten sich bereits RTL und Pro Sieben am Genre, jetzt zieht Sat 1 nach: mit Uwe Jansons Mystery-Thriller „Annas Fluch – Tödliche Gedanken“ (nach Monica Simons Buch) mit Katja Flint als Konzertpianistin mit dem zweiten Gesicht.
Anna Cremerius steht unter Mordverdacht. Blutverschmiert fand man sie neben einem Toten. Sie beteuert ihre Unschuld, will vielmehr diese Bluttat, wie frühere Morde, vorhergesehen haben. Ihr Anwalt Nick Welte glaubt ihr ebenso wenig wie die Öffentlichkeit. Dennoch erzwingt der ehrgeizige junge Mann für die undurchsichtige Frau, zu der er sich erotisch hingezogen fühlt, einen Freispruch. Wenig später passiert ein weiterer Mord – und alle Beziehungen geraten aus den Fugen. Jetzt ist sogar Nicks hochschwangere Frau in Gefahr.
Der unerfahrene Anwalt und die Frau von Welt. Es beginnt alles wie die prüde TV-Variante von Uli Edels Hollywood-Flop „Body of evidence“. Zwar macht Katja Flint im Gegensatz zur sinnlich dampfenden Madonna auf feinsinnig. Dafür aber sieht Steffen Wink, bis in den letzten Zug seiner Mundwinkel aus wie der kleine Bruder von Willem Dafoe („Platoon“). Doch dann (g)rumpelt der Soundtrack – und Uwe Janson („Koma“) versucht vergeblich, Telepathie telegen ins Bild zu rücken. Dann hat es endlich ein Ende mit der vornehmen Blässe der schönen Heldin, die sich in ihrer Gegenwelt der vorgestrigen Interieurs spiegelt, dann zucken grelle Neonbilder – und Vergangenes gerät bedeutungsvoll und -trächtig in den Blick.
Katja Flint („Vicky’s Alptraum“) darf hier kurz vor ihrer „Marlene“ (Dietrich) im Kino schon mal auf Sat 1 eine große Knstlerin geben. „Eine Figur, die nicht so leicht zu durchschauen ist“ – das reizte die Schauspielerin, die, wie sie sagt, „bei jeder Rolle, die sie spielt, versucht, einen neuen Menschen zu kreieren“. Ihre hellseherisch veranlagte Anna fungiert im Film als Ikone des Übersinnlichen. Sie steht für sich – introvertiert und narzisstisch. „Nick versteht nichts von ihrer Musik, und Anna versteht nichts von diesem trockenen, klaren Anwaltsdenken“, betont Flint. Das passt zwar zur Geschichte, doch zum Spiel, der Handlung mit den bodenständigeren Figuren, findet ihre ätherisch-magische Schönheit keine rechte Bindung. Wie zuletzt bei „Schutzengel“ gelingt es Janson auch in „Annas Fluch“ nicht, trotz großer Mimen wie Pinkas Braun, Manfred Zapatka oder Gunther Schoß noch in kleinsten Rollen, Nähe und Distanz, Emotionalität und Esoterik sinnlich zu versöhnen.