Der Titel ist eine Antwort: Was ist das Schlimmste, wenn man Kinder hat? Die anderen Eltern. Dies ist der Einstieg in eine siebenteilige Reihe, die wie eine Dokumentation aussieht, tatsächlich jedoch das Ergebnis einer jederzeit überzeugenden Improvisation darstellt. Der Handlungsrahmen ist alltäglich: Weil Yoga-Lehrerin Nina (Lavinia Wilson), derzeit mit dem dritten Kind schwanger, keinen Kita-Platz für das zweite bekommt, beschließt sie, mit Gleichgesinnten in Köln-Nippes eine eigene Einrichtung zu eröffnen. Räumlichkeiten sind bald gefunden, aber dann zeigt sich, dass es gar nicht so einfach ist, die unterschiedlichen Vorstellungen der Beteiligten unter einen Hut zu bringen, zumal einige noch nicht mal Eltern sind. Der schwule Schauspieler Malte (Daniel Zillmann) zum Beispiel ist noch auf der Suche nach einer (Leih-)Mutter für seine Kinder. Das Ehepaar Lars und Anita (Sebastian Schwarz, Nadja Becker), er Anwalt, sie Lehrerin, hat sich zwar bereits gefunden, scheitert aber schon seit geraumer Zeit an dem Versuch, sich fortzupflanzen; diverse Versuche einer künstlichen Befruchtung haben noch nicht zur erhofften Schwangerschaft geführt. Ebenfalls aus dem Rahmen fällt Musikproduzentin Nike (Henny Reents), Maltes Schwester, und das nicht nur als Raucherin; ihre Neigung zu pragmatischen Lösungen deckt sich nur bedingt mit der ganzheitlichen Philosophie von Nina. Zu TV-Ehren kommt die Initiative, weil Ninas Mutter (Johanna Gastdorf) Filmemacherin ist. Sie will dem Phänomen der Helikoptereltern auf den Grund gehen und kommt genau zur richtigen Zeit, um die Gründungsphase zu dokumentieren.
„Andere Eltern“, eine Produktion für TNT Comedy, erinnert an das Neo-Format „Diese Kaminskis – Wir legen Sie tiefer!“ (2014), dessen Pilotfilm beim Grimme-Preis sehr positiv diskutiert worden ist. Die Reihe funktionierte auf zwei Ebenen: vordergründig als Doku-Soap mit Sitcom-Zügen, hintergründig als Parodie. Der Ansatz von Produzent und Regisseur Lutz Heineking jr. („Das Institut – Oase des Scheiterns“) sowie seinem Autorenteam (Leitung: Sabine Steyer-Violet) ist jedoch ein anderer. Die ironische Haltung gilt nicht der Machart, denn die wirkt wie eine Doku-Soap, die mit Mitteln des Dokumentarfilms arbeitet. Dazu passt auch der gelegentlich süffisante Kommentar, wenn sich Ninas Mutter unter anderem fragt, wie Köln heute wohl aussähe, wenn die Trümmerfrauen von gleichem Schlag gewesen wären wie ihre Tochter. Später zeigt sich, dass die Dokumentation so etwas wie das Vermächtnis der Filmemacherin wird. Auch das eigentliche Thema ihrer Arbeit kristallisiert sich erst nach und nach heraus: In Grunde geht es in „Andere Eltern“ um die Zerrissenheit des modernen Individuums; und das gilt nicht für den Zwiespalt zwischen einem Bekenntnis zum ganzheitlichen Leben und der Lust auf ein deftiges McDonalds-Menü.
Foto: TNT / Tom Trambow
Ähnlich realitätsnah sind die Charaktere. Der satirische Effekt entsteht durch die Ballung dieser Figuren, die es auch im wahren Leben gibt: Nina will zwar nur das Beste für die Kita, macht ihre eigenen Maßstäbe jedoch gern zum kategorischen Imperativ und entwickelt auf diese Weise unsympathische, autokratische Züge. Björn (Serkan Kaya) ist Hausmann und ständig im Rechtfertigungsmodus, damit sein Dasein nicht als verkappte Arbeitslosigkeit erscheint. Die meisten Reibungspunkte setzt jedoch Lars, der in diesem Rahmen noch am ehesten komödiantisch wirkt und dank Sebastian Schwarz’ pointierten Spiels neben Nina zur interessantesten Figur wird: weil sich hinter seinem gönnerhaften Auftreten reaktionäre Abgründe auftun. Der Mann hat nicht nur ein überholtes Rollenverständnis, er ist auch xenophob und homophob, allerdings auf eine Weise, die harmlos klingen soll, weil er seine Einstellungen gern als witzig gemeinte Bemerkungen verpackt. Dadurch entlarven Heineking & seine Mitstreiter als Rassismus und Ignoranz, was im Alltag flapsig oder bloß gedankenlos daherkommt, wenn Lars beispielsweise das schweigsame japanische Elternpaar für Chinesen hält oder im Zusammenhang mit Maltes Homosexualität vom „braunen Salon“ faselt.
Soundtrack:
Bläck Föös („En unserem Veedel“), Herbert Gönemeyer („Kinder an die Macht“), Kasalla („Stadt met K“), Pelemele („Der Anfang vom Anfang“, „Arnold 100“), Kassette feat. Daniel Zillmann („Wir dürfen alles“)
Auch das für viele Zuschauer vermutlich absurde Helikopterverhalten ist dem Leben abgeschaut: Bevor Björn seine Kinder auf den Spielplatz lässt, testet er erst mal alle Spielgeräte. Außerdem hat er immer Eigen-Urin dabei (natürlich vom morgendlichen Mittelstrahl), falls sich eins der Kleinen eine Schramme holt. Nina, erklärte Impfgegnerin, besucht mit ihren Kindern eine Masernparty, nicht ahnend, dass Ehemann Jannos (Jasin Challah) die beiden heimlich hat impfen lassen; ein entsprechender Krach lässt nicht lange auf sich warten. Später ist Jannos der einzige, der tatsächlich Masern bekommt. Ähnlich funktioniert die Elterngemeinschaft: Sämtliche Ereignisse sind völlig realistisch; der heitere Effekt ergibt sich durch die absurd anmutende Häufung. Für Abwechslung sorgen neben gelegentlichen Konflikten zwischen Nina und ihrer Mutter, die vor laufender Kamera einige unverarbeitete Mutter/Tochter-Themen verarbeiten, regelmäßige Exkurse, etwa die Besuche von Lars und Anita bei einer Paartherapeutin oder bei der Geburtsvorbereitung; Anita ist zwar immer noch nicht schwanger, weil auch der zehnte künstliche Befruchtungsversuch ergebnislos geblieben ist, aber der Kurs war bereits gebucht. Schräg sind auch Maltes Begegnungen mit den potenziellen Müttern seiner Kinder. Eine Frau würde am liebsten umgehend zur Tat schreiten, was ihn etwas verstört; er hatte sich den Zeugungsvorgang deutlich körperloser vorgestellt. Trotzdem lässt er sich auf ein zweites Date ein; diesmal hat er einen Sexvertrag dabei, der im Detail regelt, wo der Spaß für ihn aufhört.
Foto: TNT / Tom Trambow
Treffend sind auch die gelegentlichen Seitenhiebe, wenn beispielsweise beiläufig zur Sprache kommt, dass eine autofreie Siedlung ja ganz schön ist, aber den Nachteil hat, dass die Autos den Menschen im angrenzenden Wohngebiet die Parkplätze wegnehmen. Gelegentliche Gäste sorgen dafür, dass etwas Bewegung in die Gruppendynamik der Eltern kommt, selbst wenn deren Debattenthemen, etwa die Gender-Frage, viel Stoff für absurde Diskussionen bietet. Personifizierte Realsatire ist beispielsweise Franz, der Schamane (Gerhard Liebmann), der die Kita-Räume spirituell reinigen soll; alles zwar nur Schall und Rauch, aber der sorgt dafür, dass die Sprinkleranlage die Renovierungsarbeiten zunichte macht. Den Rest besorgt während der abschießenden Eröffnungsfeier eine handfeste Prügelei zwischen Jannos und Björn, die einige Kollateralschäden mit sich bringt; kein Wunder, dass am Ende selbst der engelsgeduldige Franz sein Scheitern eingestehen muss. Als einzige unerschütterlich bleibt die von Maike Jüttendonk hart am Rand der Karikatur als kölsche Frohnatur verkörperte Erzieherin.
Nicht alle Abschweifungen sind in der Umsetzung so originell, wie sie als Idee vermutlich geklungen haben, und andere führen zu weit vom eigentlichen Thema weg. Das gilt sowohl für den Karaoke-Abend einiger Eltern wie auch für Nikes Bemühungen, eine Band für Kinder zu gründen, mit Malte als Sänger, der sich schon als „Lady Gaga für Kinder“ sieht. Einige Einschübe haben immerhin einen verblüffenden Twist: Als Nike ihr Baby in einem Car-to-go-Mini vergessen hat, stehen plötzlich überall solche Fahrzeuge ’rum. Am stärksten ist die Serie immer dann, wenn sie ihrem Titel gerecht wird und den Eltern dabei zuhört, wie sie in den Einzelinterviews kräftig über die anderen herziehen. Spätestens jetzt reden sie sich teilweise um Kopf und Kragen, und das gilt nicht nur für Lars, der sich tatsächlich als weltoffen bezeichnet; die restlichen Eltern sind aus seiner Sicht Mitglieder von Randgruppen, die mit einem normalen Menschen wie ihm ein Experiment wagen. Auch Björn, der sich zunehmend von seiner Frau Yaa entfremdet („Yaa wird immer mehr zu einem Nein“), entpuppt sich als ziemlich intolerant, vor allem in Bezug auf seine Nachbarn. Wenn sich die Mitwirkenden das alles spontan ausgedacht haben, was sie da zum Besten geben, gebührt ihnen doppelter Respekt. Die zermürbenden Stuhlkreisgespräche wiederum werden sie womöglich aus eigener Erfahrung kennen: Sie sind genauso zäh und fruchtlos wie viele Elternabende.