An seiner Seite

Senta Berger, Thieme, Simonischek, Karolus. Zum Achtzigsten eine weitere Glanzrolle

Foto: ZDF / Hendrik Heiden
Foto Thomas Gehringer

Ein würdiger Film zum Geburtstag einer der populärsten und bedeutendsten Schauspielerinnen des Landes: Senta Berger wird am 13. Mai achtzig Jahre alt und glänzt in „An seiner Seite“ (Arte, ZDF / Bavaria Fiction) in einer bewegenden Altersrolle. Charlotte, ihrem Dirigenten-Ehemann stets treu ergeben, beginnt durch einen Brief ihrer Tochter und eine Begegnung mit einem freundlichen Witwer, der nicht aus dem Milieu des Klassik-Jetset stammt, die eigene Rolle und das Leben „an seiner Seite“ zu hinterfragen. Top besetzt (Simonischek, Thieme, Traue, Morreis), erstklassig gespielt und von Felix Karolus stimmig inszeniert.

Dirigent Walter Kler (Peter Simonischek) gibt seinen Einstand als Orchesterleiter in München, während seine Frau Charlotte (Senta Berger) noch auf dem Weg vom Flughafen zum Konzerthaus ist. Der Platz im Konzertsaal neben der gemeinsamen Tochter Viola (Antje Traue) bleibt leer. Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 2 bereitet (nicht nur) der Berger zu Beginn eine musikalisch große Bühne und auch die Villa der Klers ist eine eindrucksvolle Kulisse, doch der Eindruck täuscht: „An seiner Seite“ ist ein eher leiser Film mit vielen, konzentrierten Dialogszenen mit selten mehr als zwei Personen, mit ruhiger Kameraführung und sorgsamen Bildkompositionen von Wolfgang Aichholzer, die ab und zu von gedämpfter Klavier-Musik begleitet werden. So entsteht eher das Gefühl eines intensiven Kammerspiels als eines opulenten Dramas im großbürgerlichen Milieu.

„An seiner Seite“ ist die zum „abendfüllenden“ Film verlängerte Version des Kurzfilms „Menuett“, den Felix Karolus ebenfalls mit Senta Berger, Thomas Thieme und Marlene Morreis gedreht hatte. Die Grundidee einer romantischen Alters-Liebe wird durch weitere Figuren und Handlungsstränge klug ergänzt, so dass die 90-minütige Fassung einen eigenständigen, neuen Film ergibt. Während Senta Berger in „Menuett“ noch eine verwitwete Frau spielte, ist sie nun die Ehefrau, die im Schatten ihres Mannes den möglichst reibungslosen Familienalltag zu organisieren hat. Nach zahlreichen Stationen im Ausland kehren die Klers nach München zurück. Charlotte hofft auf ein Ende des unsteten Lebens, erlebt aber schon kurz nach der Ankunft gleich mehrere Enttäuschungen. Die Kartons stehen im neuen Zuhause noch unausgepackt herum. Ihr Mann lobt ein bisschen zu überschwänglich die deutlich jüngere Klavier-Solistin Natalie Noirot (Petra Michelle Nérette). Und dann verschweigt ihr Walter auch noch, dass sich für ihn vielleicht doch noch der Traum von einem Engagement an der New Yorker Metropolitan Opera erfüllt. Charlotte, die ihre eigene Karriere als Musikerin zugunsten der Ehe mit dem Dirigenten aufgegeben hat, wird schmerzlich bewusst, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse zweitrangig sind.

An seiner SeiteFoto: ZDF / Hendrik Heiden
Und dann ist da auf einmal dieser Mann, Martin Scherer (Thomas Thieme), der so anders ist als der egomanische Gatte. Die unglückliche Charlotte (Senta Berger) ist hin und weg von dem feinsinnigen Witwer, der zuhören kann.

Und dann klingelt ein Mann mit einem grünen Eimer in der Hand an der Tür. Martin Scherer (Thomas Thieme) bittet darum, etwas Erde aus dem Garten mitnehmen zu dürfen – für das Grab seiner kürzlich verstorbenen Frau, die in dem Haus aufgewachsen war. Thieme, der nicht selten als polterndes, furchteinflößendes Mannsbild zu sehen ist, zeigt hier als höflicher, verliebter Witwer die zarte Seite seiner Spielkunst. Die unglückliche Ehefrau aus dem Musiker-Jetset und der trauernde, aus der DDR stammende ehemalige Schwimmer und Bademeister – zwei Menschen aus unterschiedlichen Welten, die sich behutsam kennenlernen und gegenseitig Aufmerksamkeit schenken. Und das schwierige Verhältnis zu den eigenen Töchtern bietet schon bald über die Klassengrenzen hinaus ein gemeinsames Gesprächs- und Lebensthema. Viola wirft ihren Eltern in einem Brief vor, dass sie in ein Internat abgeschoben worden sei. Witwer Martin dagegen wird von Grit (Marlene Morreis) etwas übergriffig rundum versorgt. Charlotte und Martin – das ist mal eine schön erzählte, wunderbar gespielte Altersromanze, berührend ernsthaft und ganz und gar frei von kitschigen Floskeln.

Obwohl „An seiner Seite“ teilweise im großbürgerlichen Künstler-Milieu spielt, handelt es sich kaum um einen typischen Geburtstags-Film, bei dem prominente Schauspielerinnen gerne mal mit mondänen, glanzvollen Rollen beschenkt werden. Nun ist Charlotte zweifellos eine „abgehobene“ Figur, eine Frau ohne materielle Sorgen, die sich sogar zum Kaffeetrinken bei Martin chauffieren lässt. Aber sie steht nicht im Mittelpunkt irgendeiner feinen Gesellschaft, sondern ist eher die einsame Ehefrau im goldenen Käfig ohne nennenswerte Kontakte. Wenn ihr Mann Walter daheim Hof hält, ist sie die Randfigur, die mit am Tisch sitzt. Peter Simonischek spielt diese beiläufige, nuancenreiche Lieblosigkeit des Star-Dirigenten gegenüber seiner Frau ebenso großartig wie Senta Berger die Einsamkeit und Verletztheit einer Frau, die darin geübt ist, Haltung zu bewahren. Charlotte ist aber nicht nur ein bedauernswertes „Opfer“: Zum einen gibt sie ihrem Gatten Contra, zum anderen hat sie das Wohlergehen der eigenen Tochter aus der Ferne offenkundig nur oberflächlich im Blick gehabt. Die Atmosphäre bei den Treffen mit Viola und deren Tochter Lisa (Laila Padotzke) ist beklemmend kalt – wie Fremde begegnen sich Mutter, Tochter, Enkelin.

Dass da nun mit Martin ein „einfacher“ Mann der wohlhabenden Lady auf die Sprünge hilft, könnte leicht zu einem Klischee-Desaster führen, doch da ist die sorgfältige, fein austarierte Inszenierung von Felix Karolus vor. Und auch wenn hier die Lebensnähe und der Einfallsreichtum von Dominik Grafs „Hanne“ (mit Iris Berben) vielleicht nicht erreicht wird, gelingt Senta Berger das differenzierte Porträt einer Frau im fortgeschrittenen Alter – ein weiterer, glänzender Mosaikstein in der sechs Jahrzehnte währenden Laufbahn einer der populärsten und bedeutendsten Schauspielerinnen dieses Landes. Eine Laufbahn, in der sich auch deutsche Emanzipationsgeschichte spiegelt: Senta Berger, die schöne – und auf ihre Schönheit reduzierte – Jungschauspielerin mit Hollywood-Erfahrung, reifte zur Charakterdarstellerin (und Filmproduzentin), die in vielen Genres zuhause ist und mit ihrem Namen für Anspruch und gute Unterhaltung steht. Ob als Schickeria-Mona in „Kir Royal“, als selbstbewusste Taxifahrerin in „Die schnelle Gerdi“, als aufrechte Buchhalterin in „Frau Böhm sagt Nein“ oder als alleinstehende Kommissarin Prohacek in „Unter Verdacht“, die gebürtige Wienerin hat unvergessene Fernseh-Marksteine gesetzt.

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Fernsehfilm

Arte, ZDF

Mit Senta Berger, Thomas Thieme, Peter Simonischek, Antje Traue, Marlene Morreis, Petra Michelle Nérette, Laila Padotzke, Florian Karlheim

Kamera: Wolfgang Aichholzer

Szenenbild: Verena Barros de Oliveira

Kostüm: Silke Schmelzer

Schnitt: Gerald Slovak

Musik: Renzo Vitale

Redaktion: Elke Müller

Produktionsfirma: Bavaria Fiction

Produktion: Oliver Vogel, Jan Kruse

Drehbuch: Florian Iwersen, Felix Karolus

Regie: Felix Karolus

Quote: 5,18 Mio. Zuschauer (16,9% MA)

EA: 07.05.2021 20:15 Uhr | Arte

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