20 Jahre lang hat der Pfarrer einer Schwarzwaldgemeinde seine Beziehung zu einer Ärztin eines Ordenskrankenhauses geheim halten können – selbst vor seinen beiden Kindern. Jetzt, da der 19-jährige Sohn beschlossen hat, Theologie zu studieren und Priester zu werden, muss es ein Ende haben mit der Lügerei. „Das Zölibat hat so viel Unheil angerichtet“, nimmt die Mutter einen ersten Anlauf. „Wir werden Heimlichtuerei und Lügen nicht mehr zulassen“, entgegnet der Sohn. Dann eines Abends sagt sie es frei heraus: „Conrad ist dein Vater.“ Damit setzt sie eine Lawine in Gang. Der Priester-Vater ist hin und her gerissen: sich versetzen lassen und heimlich weiter lieben? Sich öffentlich bekennen und als laisierter Seelsorger weitermachen? Auch als Vater von zwei Kindern besitzt der Gottesmann eine Verantwortung.
„Am Kreuzweg“ – dort befindet sich die männliche Hauptfigur des ARD-Fernsehfilms von Rodica Döhnert (Buch) und Uwe Janson (Regie). Jener Conrad Feninger hat seinen Glauben, die Kirche, eine Familie und die Liebe zu einer Frau. Ein klassisches Dilemma. Die Frau will nicht mehr länger dieses unwürdige Versteckspiel. Ein befreundeter Theologe und Zölibatsgegner drängt auf Offenheit und Courage. Und auch der Sohn, der sich zwar von seinem Vater abwendet, will für eine moderne Kirche eintreten. Die Richtung also, in die sich der Priester entwickeln wird, ist vorgegeben. Einfach gemacht werden dem Helden seine Entscheidungen durch einen Hardliner-Bischof und die Frauenfeindlichkeit, die dieser unverhohlen an den Tag legt. Dramaturgisch ist das grob geschnitzt. Döhnert macht über weite Strecken aus einem Themenfilm einen Thesenfilm. Jeder bekommt sein Plädoyer – das ist nicht schlimm, schwerer wiegen der Missbrauch der Nebenfiguren als Träger einer gut-böse-Dramaturgie, die simplen Statements und ihre durchschaubare Funktion.
Im Rahmen dieser Rhetorik gibt Krassnitzer den Modell-Heiligen überaus lebendig und spielt die große Tragik ins Alltägliche herunter – sensibel wie gewohnt. Eine nicht ganz so schwere Aufgabe hat Karoline Eichhorn zu bewältigen. Ihre Mutter muss sich nicht mit unsympathischen Buhmännern herumschlagen, sondern kann sich der verstummten Tochter und den eigenen Gefühlen nähern. Sie muss keine weltbewegenden Statements ablassen, sie kann kämpfen für ihr Glück und diesen Kampf ein Stück weit auch zum Kampf gegen die ständig abwesenden Männer machen, die die Familienverantwortung scheuen. Großartig die über zweiminütige Szene, in der Eichhorns Ärztin ihre ganze Wut raus schreit. Da ist etwas zu spüren von 20 Jahre Schmerz. In derselben Einstellung wird zugleich die große Nähe zwischen dem Paar deutlich. Mit solchen wunderbaren Szenen einer (wilden) Ehe hätte aus diesem fiktionalen Zölibats-Diskussions-Beitrag etwas ganz Großes werden können!
Foto: SWR / Hardy Spitz