Während man hierzulande bei tumb-dekadenten Reichen im Fernsehen an die „Geissens“ denkt und sich von den inszenierten Euro-Prolls unter Niveau unterhalten lassen muss, zeigt die Nachbarrepublik Österreich, wie das klug, pfiffig und bitterböse geht: Patriarch Rolf Rauchensteiner (Udo Kier) leidet unter Hepatitis D und braucht dringend eine neue Leber, sonst ist er dem Tode geweiht. Also will er sich – Geld spielt ja keine Rolle – schnell eine besorgen. Aber Bestechungsversuche bei der Organvergabestelle im Krankenhaus scheitern. Und so versammelt Rauchensteiner seine dekadente Sippe um sich und verspricht der Person, die ihm schnellstmöglich ein neues Organ besorgt, das fette Familienerbe. Das gilt nicht nur für seine Kinder und deren Partner, sondern auch für seinen beunruhigend loyalen Personenschützer Kralicek (Robert Palfrader) & seinen Sekretär Brunner (Thomas Stipsits).
Und so ist die Jagd auf die Leber eröffnet: Sohn Zeno (Nicholas Ofczarek) schachert beim Glücksspiel um Organe. Seine Freundin (Edita Malovčic) klopft mit ihrem Hundesitter bei einer ominösen Tierklinik an, Kralicek erkundigt sich bei Berufskollege Sonnborn nach der Möglichkeit des Kaufs einer illegalen Leber aus dem Nahen Osten. Derweilen lassen Rauchensteiners andere beiden Kinder Jakob (Manuel Rubey) und Jana (Nora von Waldstetten) ihr inzestuöses Verhältnis wieder aufleben. Seine notorisch fremdgehende Gattin Liane (Sunnyi Melles) hat andere Pläne. Sie will mit Hilfe von Dr. Schober (Cornelius Obonya) ihren gehassten Liebsten los werden, noch bevor der eine neue Leber bekommt.
Satirisch, bitterböse, tiefschwarz – so erzählen können wohl nur die Österreicher. Ein Beispiel von vielen sind die hervorragenden Verfilmungen der Brenner-Krimis mit Josef Hader. Der Autor, Produzent und Regisseur David Schalko hat das noch einmal gesteigert. Sein Zweiteiler „Der Aufschneider“, eine bitterböse Krankenhauskomödie, und die Serie „Braunschlag“, eine sperrige Groteske um ein bankrottes Dorf im Waldviertel, waren schon wunderbares Fernsehen. „Altes Geld“ schließt da nahtlos an, ist ein rabenschwarzes Sittenbild aus der noblen, aber grundverdorbenen Welt der Milliardäre. Hiermit setzt der Niederösterreicher seine Trilogie zum Thema Gier und Korruption fort, die er mit „Braunschlag“ begonnen hat.
In „Altes Geld“ geht es um Inzest, Erpressung, Bestechung, Eifersucht, Geld, Gier und Korruption. Ein „Dallas für Geisteskranke“ nennt Schalko sein Dekadenz-Epos. Und keine Frage, diese durchgeknallte Ösi-Familie stellt die Ewings in jeglicher Beziehung in den Schatten. Das ausgesetzte „Preisgeld“ trägt das seine dazu bei, dass weiter an der Egozentrik-Schraube gedreht wird. Die Rauchensteiners sind hysterisch und skrupellos, ihre beispiellos missratenen Kinder dekadent, spielsüchtig und nymphomanisch, zwei von ihnen pflegen ein inzestuöses Liebesverhältnis. Die Bediensteten vom Personenschützer bis zum Sekretär, die Freunde des Hauses vom Leibarzt bis zum Bürgermeister vervollständigen das Sittenbild des Wiener Geldadels. Wie wer mit mit wem verbunden ist, dass wird auf herrlich verschlungenen Pfaden erzählt, die Intriganten beherrschen die Szenerie und auch Anspielungen auf real existierende österreichische Verhältnissen hat Schalko in Form des Bürgermeisters, eines Grünen und eines drohenden Untersuchungsausschusses einfließen lassen.
Mit Scherz, Satire und Ironie arbeitet der Serienschöpfer, weniger mit dramatischer Zuspitzung und Empathie für die Figuren. Dieser Clan erhebt sich über Leben und Tod, glaubt mit Geld, Beziehungen und Drohungen kann man alles erreichen. Dialoge voller Wortwitz und Boshaftigkeit hat Schalko seinen Protagonisten ins Texbuch geschrieben. Die klingen so: „Du musst aufhören, dich ständig umzubringen, das ist unter deiner Würde.“ Und: „Das ist der Vorteil in dieser Familie: Keiner geniert sich, ein Arschloch zu sein.“ Oder: „Weißt du, es wäre vielleicht alles anders, wenn du anders wärst.“ Als Regisseur führt Schalko seine Figuren vor. Man lebt und leidet nicht mit den dekadenten und egoistischen Charakteren, man blickt distanziert auf ihr Treiben, erfreut sich daran, wie sie sich gegenseitig zerfleischen und wer alles auf der Strecke bleibt. Und man ist begeistert über diese Besetzung, die – sieht man einmal von Josef Hader ab – die Crème de la Crème der österreichischen Schauspieler umfasst: Nicholas Ofczarek, Manuel Rubey, Thomas Stipsits, Robert Palfrader, Simon Schwarz, Cornelius Obonya, Nora von Waldstetten und Ursula Strauss. Dazu die wunderbare Sunnyi Melles und Udo Kier. Eigentlich war für diese Rolle Burgtheater-Star Gert Voss vorgesehen, der starb fünf Tage nach Beginn der Dreharbeiten. Schalko reagierte, wollte aber keinen „B-Voss“, sondern besetzte den Rauchensteiner mit einem ganz anderen Typus. Und so gibt Kier beinahe beängstigend einen vom Tode gezeichneten, rachsüchtigen und gefühlskalten Patriarchen, dem sein Nazivater in SS-Uniform im Traume begegnet und der unter den Familiendevotionalien ein Paar Handschuhe aus Menschenhaut hortet. Jeder der Schauspieler in dieser Serie ist schon für sich ein Genuss, liefert ein kleines Mosaiksteinchen zu diesem Sittenbild des Geldadels und seiner Lakaien drumherum. Zusammen sind sie eine Wucht!
„Es ist ein Schauermärchen über eine Welt, die völlig ohne Liebe auskommt“, so Schalko. Er hat dieses Märchen in satte Farben und prächtige Bilder getaucht. Wenn Sunnyi Melles durch den Garten mit der Größe mehrerer Fußballfelder reitet, ihr Gatte mit ausgebreiteten Armen auf der Wiese steht und philosophiert: „Was ist das für ein Leben, wenn nie ein Löwe wartet? Wir müssten mehr um unser Leben laufen“ – dann sind das Bilder wie kleine Gemälde. Und dazu durch die ganze Serie hindurch Klaviermusik, komponiert vom in Wien lebenden Norweger Kyrre Kvam, der auch schon die Musik zu „Braunschlag“ geschrieben hat. Der sagt: „Wir verpassten jeder Episode ihr eigenes Musikstück, welches dann in verschiedenen Variationen durch die jeweilige Handlung führt. Was sie alle gemeinsam haben, ist das Klavier, nur das Klavier. Es war das einzige Instrument an meiner Seite“. (Text-Stand: 7.3.2017)