Alte Bande

Mario Adorf, Prückner, Beyer. Gediegene Unterhaltung aus dem Seniorenknast

Foto: WDR / Roland-Guido Marx
Foto Tilmann P. Gangloff

Die Gaunerkomödie „Bomber & Paganini” aus den 70ern ist zu Recht nicht in die Filmgeschichte eingegangen, aber Mario Adorf und Tilo Prückner haben damals großen Spaß gemacht. Nun ist das Duo wieder vereint, und erneut verkörpern die beiden Schauspieler zwei Ganoven; diesmal allerdings als Häftlinge im Rentnerknast. Dass „Alte Bande“ (WDR / Elsani & Neary) dennoch nicht rundum gelungen ist, hat am wenigsten mit Adorf, Prückner oder Hermann Beyer als Drittem im Bunde zu tun. Viele Gags sind etwas plump, einige Nebendarsteller hatten offenbar das Gefühl, neben den alten Hasen besonders auftrumpfen zu müssen, und die Dialoge sind im Vergleich zu Seniorenkomödien wie „Spätzünder“ längst nicht bissig genug. Sehenswert ist der von gleich zwei Regisseuren inszenierte Film daher vor allem als Hommage an die Freundschaft und als Verbeugung vor Mario Adorf.

Abgesehen von den Beteiligten wird es nicht mehr viele Menschen geben, die sich noch an „Bomber & Paganini“ (1976) erinnern können. Die Gaunerkomödie des zumindest hierzulande ebenfalls weitgehend in Vergessenheit geratenen griechischen Regisseurs Nikos Perakis („Milo, Milo“, 1979) handelte von zwei Kleinganoven und ihrem großen Traum vom Glück. Der Film lebte von den beiden Titelfiguren: Mario Adorf als gutgläubiger Kraftprotz Bomber, Tilo Prückner als sein verschlagener Partner. Als ein Coup schiefgeht, tragen beide infolge einer Explosion schwere Verletzungen davon, ergänzen sich aber nach wie vor vortrefflich: Bomber kann nicht mehr sehen, Paganini kann nicht mehr gehen.

Gut vierzig Jahre später ist das Darstellerduo wieder vereint, wenn auch nicht in den Rollen von einst; und auch dieser Film wird, wenn überhaupt, nur wegen Adorf und Prückner in Erinnerung bleiben. Interessant ist allerdings die Idee, einen großen Teil der Handlung in einem „Seniorenknast“ anzusiedeln. Hin und wieder gibt es mal Reportagen über solche Gefängnisse, aber im Grunde ist nicht viel über sie bekannt; der Schauplatz ist also durchaus reizvoll. In solch’ einer Anstalt landet auch Boxer (Adorf), ein Kölner Berufsverbrecher, der die meiste Zeit seines Lebens hinter Gittern verbracht hat. Eigentlich könnte das Leben hier ganz schön sein: Die Betten sind höhenverstellbar, das Frühstücksbüffet ist reichhaltig. Wenn der Schließer (Felix Vörtler) seine Runde macht, überprüft er nicht, ob alle Insassen noch da sind, sondern ob sie noch leben. Trotzdem will Boxer, der seit einem spektakulären Juwelenraub in Haft ist, ausbrechen: Sein alter Komplize Henne (Hermann Beyer), dem eine Beteiligung an dem Raub nie nachgewiesen werden konnte, hat endlich Boxers große Liebe Kathrin aufgestöbert; und die hat eine Tochter, die Boxer eindeutig ähnlich sieht. Dritter im Bunde war damals Wallberg (Prückner). Weil er sich ebenfalls an Kathrin rangemacht hat, sind die beiden Freunde zu Feinden geworden, aber nun schließen sie Frieden, denn Wallberg hat einen todsicheren Fluchtplan. Kaum ist das Trio wieder vereint, stellen Boxer & Wallberg schockiert fest, dass das Versteck mit den geraubten Juwelen leer ist.

Alte BandeFoto: WDR / Roland-Guido Marx
Verbeugung vor drei Goldies. Unterstützt von Henne (Hermann Beyer) wagen Boxer (Mario Adorf) und Wallberg (Tilo Prückner) den Ausbruch in die Freiheit. Doch die Welt draußen hat sich verändert. Nichts läuft so, wie es sich die beiden vorgestellt haben.

Gelungene Seniorenkomödien machen meistens doppelt Spaß: weil es eine Freude ist, den alten Hasen zuzuschauen; und weil es in den Geschichten oft ordentlich selbstironisch zugeht. Das gilt auch für die Freundschafts-Hommage „Alte Bande“, deren Titel vor diesem Hintergrund subtil doppeldeutig ist. Außerdem sind die Helden zwar betagt, aber dank Prückner und Adorf, der in diesem Jahr neunzig wird, noch sehr vital und unternehmungslustig. Allerdings hatten einige Nebendarsteller offenbar das Gefühl, sie müssten neben den berühmten Kollegen besonders dick auftragen, um sich zu profilieren. Adorf dagegen weiß natürlich, dass komische Effekte doppelt wirksam sind, wenn der Schauspieler seine Rolle ernst nimmt. Es gibt zwar einige augenzwinkernde Momente, wenn der alte Herr seine halb so alten Kontrahenten mit einem Handgriff erledigt, aber ansonsten verkörpert er den Ganoven als klassischen Gangster. In einigen Szenen gerade zu Beginn könnte Boxer auch eine Figur aus einem Scorsese-Epos über alte Mafiosi sein. Dass der Kölner Dialekt des in der Vulkaneifel aufgewachsenen Schauspielers (wie in seiner Parade-Rolle in „Kir Royal“) ein Imitat ist, wird außerhalb des Rheinlands ohnehin niemand stören.

Die Sympathie für das Titeltrio kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Alte Bande“ gerade im Vergleich zu Seniorenkomödien wie den beiden „Spätzünder“-Filmen ausgesprochen harmlos ist. Grimmige Scherze hat das Drehbuch (Constantin Lieb, Simon X. Rost) nicht zu bieten; das höchste der Gefühle ist in dieser Hinsicht Wallbergs vorgetäuschte Demenz. Selbst aus dem Besuch des Yogakurses im Gefängnis schlägt der Film kein komödiantisches Kapital, obwohl Entspannung für die alten Insassen angesichts der attraktiven jungen Kursleiterin im hautengen Trikot vermutlich nicht das Hauptmotiv für ihre Teilnahme ist. Trotzdem wirkt „Alte Bande“ mitunter etwas unentschlossen: Es gibt durchaus nachdenkliche und berührende Momente, wenn Boxer beispielsweise endlich seiner großen Liebe (Hildegard Schmahl) und deren Tochter (Julia-Maria Köhler) begegnet, aber einige Szenen sind recht plump geraten. Viel effektiver als der ständig wiederholte Gag mit dem alten Herrn (Jochen Stern), der sämtliche Männer für seinen Sohn hält, sind die kleinen Scherze am Rande, etwa der lautstarke Protest der vor dem Gemeinschaftsfernseher versammelten Insassen, als der Wärter mitten in der „Lindenstraße“ zu „Quarks & Co“ umschaltet. Zwar gewöhnungsbedürftig, aber immerhin interessant ist die Musik von Dürbeck & Dohmen.

Seltsamerweise nennt der Vorspann gleich zwei Regisseure. Natürlich gibt es Duos, die ihre Filme gemeinsam inszenieren, aber im deutschen Fernsehen hat die Doppelregie großen Seltenheitswert, zumal sich die Wege von Grimme-Preisträger Kaspar Heidelbach („Das Wunder von Lengede“), der für den WDR viele „Tatort“-Episoden gedreht hat, und seinem Kollegen Dirk Kummer („Zuckersand“) filmisch bislang noch nie gekreuzt haben. Tatsächlich haben die beiden laut WDR aufgrund von Terminproblemen und Projektüberschneidungen hintereinander gearbeitet: Kummer hat die erste Drehhälfte verantwortet, Heidelbach hat die Szenen im „Seniorenknast“ gedreht. Dem Film ist diese Arbeitsteilung nicht anzumerken.

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Fernsehfilm

WDR

Mit Mario Adorf, Tilo Prückner, Hermann Beyer, Johanna Gastdorf, Jochen Stern, Hildegard Schmahl, Felix Vörtler, Jörg Gudzuhn, Julia-Maria Köhler

Kamera: Andrés Marder

Szenenbild: Florian Langmaack

Kostüm: Susa Sasserath

Schnitt: Katharina Schmidt

Musik: Dürbeck & Dohmen

Soundtrack: Louis Armstrong („What A Wonderful World“), David Bowie („Heroes”), Queen & David Bowie („Under Pressure”)

Redaktion: Lucia Keuter

Produktionsfirma: Elsani & Neary Media

Produktion: Anita Elsani

Drehbuch: Constantin Lieb, Simon X. Rost

Regie: Kaspar Heidelbach, Dirk Kummer

Quote: 4,14 Mio. Zuschauer (13,3% MA); Wh. (2022): 2,50 Mio. (11,4% MA)

EA: 08.01.2020 20:15 Uhr | ARD

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