Als der Fremde kam

Andreas Kleinert hat den Arbeiterfilm einer zeitgemäßen Revision unterworfen

Foto: WDR / Uwe Stratmann
Foto Rainer Tittelbach

Im Kaff Selmkirchen steht das Zementwerk kurz vor einer Fusion. Ein erfahrener Gewerkschaftsfunktionär soll retten, was zu retten ist, soll die von der Firmenleitung beabsichtigten Stellenstreichungen verhindern. Doch die Arbeiter wollen zunächst nichts von ihm und seinen Plänen wissen… „Als der Fremde kam“ hat nichts mehr gemein mit jener klassenkämpferischen Romantik, die die Arbeiterfilme der 70er Jahre auszeichnete und in denen die Protagonisten stets siegreich aus dem Klassenkampf hervorgingen.

Im Kaff Selmkirchen steht das Zementwerk kurz vor einer Fusion. Ein erfahrener Gewerkschaftsfunktionär soll retten, was zu retten ist, soll die trotz gefüllter Auftragsbücher von der Firmenleitung beabsichtigten Stellenstreichungen verhindern. Doch die Arbeiter wollen zunächst nichts von ihm und seinen Plänen wissen. Und er bleibt ein Fremder – auch noch, nachdem er die Arbeiter zu einem Hungerstreik bewegen kann. Die erwartete Mobilisierung der Öffentlichkeit bleibt aus, vielmehr springt sogar noch der rettende Investor aus dem Ausland ab. Die Hoffnung schwindet zusehends und der Kampfgeist verpufft, auch bei jenem Möchtegern-Arbeiterführer, der am Ende in mehrfacher Hinsicht verbrannte Erde hinterlassen wird. Dass er mit der Frau des letzten noch verbliebenen Gewerkschaftsmitglieds in der Belegschaft eine Affäre beginnt, macht die politische Aufgabe nicht einfacher.

Als der Fremde kamFoto: WDR / Uwe Stratmann
Also das muss man ihr lassen: Kochen kann sie … und noch einiges mehr (siehe Foto oben). Götz George & Dagmar Manzel

„Ich finde es enorm wichtig, dass solche Filme gemacht werden“, sagt Götz George. Er spielt in „Als der Fremde kam“ jenen abgetakelten Retter, der sich bald als spießiger, versoffener alter Mann entpuppt und den der Schauspieler als „einen schwachen Menschen“ interpretiert hat: „Das Einzige, was ihn aufrecht hält, ist sein Engagement für die Menschen, das Gefühl, dass er für sie etwas erreichen kann und dafür Applaus und Zuwendung bekommt.“ Von außen betrachtet mag er helfen, doch innerlich ist sein Handeln von Eitelkeit geprägt. Und die eigene Instabilität treibt ihn auch in die Arme der verheirateten Frau, die sich durch die Liebe zu dem Fremden aus ihrem Ehe- und Provinzkäfig kurzzeitig hinausträumt. Dagmar Manzel spielt sie mit dem ihr bestens zu Gesicht stehenden spröden Humor.

Andreas Kleinert („Hurenkinder“) hatte die ostdeutsche Ausnahmeschauspielerin genauso beim Schreiben im Kopf wie Götz George, mit dem er bereits „Schimanski“ und „Mein Vater“ drehte, für die männliche Hauptrolle. Und da haben sich wirklich drei gefunden, die aus diesem Stoff alles andere als einen drögen Arbeiterfilm gemacht haben. „Als der Fremde kam“ hat nichts mehr gemein mit jener klassenkämpferischen Romantik, die die Arbeiterfilme der 70er Jahre auszeichnete und in denen die Protagonisten stets siegreich aus dem Klassenkampf hervorgingen. Doch die Roten Fahnen wehen nicht mehr, heute macht das (Un-)Wort der „Entlassungsproduktivität“ die Runde. In einem solchen menschenverachtenden Klima kann ein Film, der ein wenig von der Zeitstimmung spiegeln will, allenfalls die allgemeine Ratlosigkeit wiedergeben, glaubt WDR-Fernsehfilmredakteur Wolf Dietrich Brücker.

Veränderte Verhältnisse in der Arbeitswelt sieht auch Regisseur Kleinert. „Der klassische Arbeiter verschwindet, andererseits unterscheiden sich die Konflikte, die Arbeiter haben ja nicht von denen, die viele Angestellte auch haben.“ Arbeitslosigkeit geht alle an. Von daher versteht Kleinert nicht ganz die Vorbehalte vieler Fernsehredakteure. „Eigentlich müsste sich doch eine breite Schicht von so einer Geschichte angesprochen fühlen“, glaubt er. Zumal ja Kleinert den Zeigefinger durch Tragikomik und Humor ersetzt. (Text-Stand: 10.5.2006)

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Fernsehfilm

WDR

Mit Götz George, Dagmar Manzel, Christian Redl, Gudrun Ritter, Aljoscha Stadelmann, Waldemar Kobus, Thomas Lawinky

Kamera: Johann Feindt

Szenenbild: Stefan Schönberg

Schnitt: Gisela Zick

Produktionsfirma: Colonia Media

Drehbuch: Hans-Werner Honert, Andreas Kleinert

Regie: Andreas Kleinert

EA: 10.05.2006 20:15 Uhr | ARD

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