Stuttgart 2017. Gediegen die Wohngegend, in die Familie Berger gerade umgezogen ist. Lauter nette Nachbarn, doch irgendwann glaubt sich Mutter Johanna von ihnen verfolgt. Auch in ihrer neuen Firma fühlt sie sich zunehmend unwohl: Wird sie überwacht? Manipuliert? Und weshalb hat sie immer wieder diese merkwürdigen Aussetzer? Ihr neuer Arbeitgeber heißt Protecta Society. Die Philosophie der Firma verspricht eine sichere Welt. Gemeinsam mit dem PCC, dem Neurowissenschaftlichen Pre-Crime-Center des LKA, setzt Protecta auf eine aggressive Verbrechensprophylaxe, die ihrerseits vor Verbrechen nicht zurückschreckt. Mit dem Brain-Scanner soll das genetisch festgeschriebene Böse geortet werden. „Der freie Wille des Menschen ist eine Illusion“, predigen die Überwachungs-Gurus. Das sehen ihre Gegner anders. Das Netzwerk apollon kommt dem Alpha-Experiment des PCC auf die Spur, das die schlimmsten Horrorszenarien à la „Big Brother is watching you“ Wirklichkeit werden lässt.
„Alpha 0.7 – Der Feind in dir“ ist ein transmediales Serienprojekt, in das Internet und Hörfunk kreativ eingebunden werden. Bereits zwei Monate vor der TV-Premiere wurde ein eigener Serienkosmos im Netz etabliert und potenzielle Fans „angefüttert“ mit Informationen zur Serie, mit Blogs, mit Videos, mit den Vorgeschichten der Figuren und der wissenschaftlichen Fiktionen. Googelt man Mila Antonovic, Protecta Society oder das Pre-Crime-Center stößt man sofort auf die fiktiven Fakten hinter der Serien-Fiktion. Sogar die in die Psychiatrie abgeschobene Hauptfigur Johanna Berger mit ihrem Allerweltsnamen findet man bereits an 6. Google-Stelle. Da haben sich die Internet-Experten vom SWR und der Produktionsfirma Zeitsprung wirklich Mühe gegeben. Aber nicht nur die. Auch die Serie ist klar und dramaturgisch präzise auf das 25-Minuten-Format hin strukturiert. Gewissheiten und Fragezeichen halten sich klug die Waage, sodass man nach einer Folge unbedingt die nächste sehen möchte. Eine Woche Wartezeit ist lang – aber vielleicht verfängt ja in diesem Punkt das Konzept des Projekts: man guckt also mal, was das Internet zur Serie so alles zu bieten hat.
„Alpha 0.7“, initiiert von der „Debüt im Dritten“-Redaktion, ist nicht nur einfallsreich in Sachen nicht-lineare Dramaturgie und mediale Vernetzung, die 150-minütige Serie muss sich nicht das Mäntelchen eines Experiments umhängen, um handwerkliche Mängel leichter entschuldigen zu können. Die Serie von Marc Rensing („Parkour“) kann sich in jeder Hinsicht sehen lassen. Die kühle, sachliche Bildsprache, die zu Sujet und Genre passt, fällt ins Auge. Außerdem die stimmige Besetzung: Victoria Mayer, Anna Maria Mühe und Arne Lenk geben drei wunderbare Identifikationsfiguren ab und die Bösen, Oliver Stritzel, Rolf Kanies und vor allem Thomas Huber („Frau Böhm sagt nein“), übertreiben es nicht mit ihrem Fanatismus. Das erhöht die latente Bedrohlichkeit, die von dieser „neuen schönen Welt“ ausgeht. Die Polizisten allerdings sehen aus wie Robocops – der ID-Scanner ist bei jedem Einsatz dabei. Der Mensch wird gläsern. Das Szenario ist nicht neu. Aber im Zeitalter von kinderleichter Datenspeicherung, von sozialen Netzwerken, von ach so praktischen Ortungs- und Überwachungssystemen, ist dieses Szenario gar nicht mehr so weit von der Wirklichkeit entfernt. Dem Facebook-hörigen Zielpublikum könnte das durchaus zu denken geben.