Raus aus dem Beruf, rein ins Privatleben – das ist kein Leichtes, wenn man weder Freunde noch Hobbys hat und wenn einen weder mit der Mutter noch mit der eigenen Tochter viel verbindet. Für die ehemalige Zahnärztin Almuth wird der Ruhestand zur größten Herausforderung seit Jahren. Es scheint, als ob sich die Mittsechzigerin nach der Scheidung vor fast 20 Jahren freiwillig in einen eisernen Käfig gesperrt habe. Die einzigen Menschen, die sie regelmäßig sieht, sind ihre Mutter, die in einer „Seniorenresidenz“ wohnt, bevor sie zum Pflegefall wird, und ihre muntere, einfach gestrickte Zugehfrau Rita, die sich Almuth zunächst auf Distanz halten möchte. Doch so einfach geht das nicht. „Kein Lebewesen ist gern alleine“, mit diesem und ähnlichen „Weisheiten“ kommt die fidele Frohnatur ihrer bourgeoisen „Madame“. Die muss erkennen, dass ein Fünkchen Wahrheit in diesen Kalendersprüchen steckt – was sie mindestens genauso ärgert wie die Leere ihres Daseins. Wird Almuth irgendwann so weit sein, Ritas unverstellte, verbindliche Art anzunehmen? Oder bleibt sie für sie die geistig minderbemittelte Ossi-Putzfrau, die sie bezahlt und herumschubsen kann?
Der ARD-Freitagsfilm „Almuth und Rita“ ergänzt die Binsenweisheit „Gegensätze ziehen sich an“ dramaturgisch mit einer klassischen Läuterungsgeschichte. Es dauert, bis das Eis zwischen dem ungleichen Paar, dass lobenswerterweise im Verlauf der 90 Filmminuten nicht zum „Du“ wechselt, ein wenig zu schmelzen beginnt. So relativiert sich das anfangs in ihren Gegensätzlichkeiten einen Tick zu überzogen agierende Pärchen. Und so mutiert diese Tragikomödie nicht zum sozialen Märchen, vielmehr bewahrt sich die Geschichte weitgehend ihre Glaubwürdigkeit. Eine Frau, die es verlernt oder nie gelernt hat, Gefühle zuzulassen, die sich selbst nicht mag und so nicht in der Lage ist, Liebe zu geben, wird in den paar Wochen (der erzählten Zeit) nicht über ihren Schatten springen. Fortschritte sind erkennbar. Ein Kuss für die Jugendliebe. Mehr eine Übung als eine Aktion mit Folgen. Endlich eine Umarmung mit der Tochter. Eine Vertrauen schaffende Geste Ritas, die die Heldin annehmen kann.
Mit einer weiteren Binsenweisheit kommt uns das ARD-Presseheft: „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Zuschauer.“ Auch das ist nicht falsch. Senta Berger und Cornelia Froboess sind – keine Frage – ein ideales Paar. Allerdings hätte Autorin Brigitte Blobel ein bisschen weniger Kontrastmittel in das Beziehungssüppchen schütten sollen. Ein lebensfroher Mensch und eine verpanzerte Person – wäre das nicht schon Gegensatz genug?! Diese Herz-am-rechten-Fleck-Rhetorik der flotten Schnauze Rita ist so dick aufgetragen und der Plot ächzt unter allzu grobem Charakter-Schnitzwerk, dass man das Erzählte nicht so recht ernst nehmen kann. So gelungen auch die feinsinnige Inszenierung mit ihren weichen, den Gang der Dinge konnotierenden Abblenden, so alltagsnah und beiläufig kommen die Dialoge und Interaktionen der beiden Hauptfiguren nicht immer daher. Die von Almuth von ihrer dominanten Mutter übernommene Floskel „Schluss, aus, Themawechsel!“ findet etwas zu oft Verwendung. Wir haben verstanden! Ein bisschen nuancierter in die Psychologie der Familie zu gehen, das hätte den Schauspielern gut zu Gesicht gestanden! So ist „Almuth und Rita“ am Ende ein hübscher Film für die Zielgruppe der Generation 60 plus – aber nicht mehr. (Text-Stand: 31.1.2013)