Carlos stimmt auf der Mundharmonika die legendäre „Spiel mir das Lied vom Tod“-Melodie an, doch schon wenig später genießt Johann Friedrich von Allmen den Champagner im Cabrio. Jojo Hirth hat das mit einem absurden Koffer-Berg abgesetzte Duo in der Wüste abgeholt. Was wäre der notorisch klamme Detektiv, dem die Schweizer Finanzbehörden auf den Fersen sind, ohne seinen treuen Butler und seine wohlhabende Freundin? Die Fahrt führt jedenfalls auf einer traumhaften Straße an der Steilküste von Teneriffa zu einem luxuriösen Anwesen, das hoch oben über dem Meer einen fantastischen Ausblick bietet. „Allmen und das Geheimnis des Koi“ bedient trotz der Anspielungen auf den Karneval das sommerliche Lebensgefühl und erspart dem Publikum gleichzeitig den Anblick eines Heino Ferch in Badehose. Die zeitlose Extravaganz der stets perfekt gekleideten Hauptfigur nimmt in der Sonne von Teneriffa keinen Schaden. Wohl aber gibt es in der Inszenierung von Sinje Köhler zarte Ansätze weiblicher Emanzipation. So handelt sich von Allmen eine Standpauke von Carlos‘ resoluter Lebensgefährtin Maria (Isabella Parkinson) ein, die Eitelkeit und Eigensinn des Lebenskünstlers zornig aufs Korn nimmt. Nicht sehr sympathisch kommt auch die Überheblichkeit rüber, mit der der Detektiv auf Jojos Ambitionen bei den Ermittlungen reagiert. „Die Rolle der Miss Marple passt nicht zu dir“, sagt er von oben herab, und so findet der Begriff „Mansplaining“ Eingang in eine Reihe, die sonst auf den Zeitgeist mit zur Schau gestelltem Luxus und hedonistischem Lebenswandel pfeift.
Foto: Degeto / UFA Fiction / Melian
Von Allmen wird sein Versprechen, mit Jojo einen unbeschwerten Urlaub zu verbringen, natürlich nicht einlösen. Der auf Teneriffa lebende Filmproduzent Steve Garrett (Uwe Kockisch) vermisst ein besonders wertvolles Exemplar seiner Koi-Sammlung und nötigt den notorisch verschuldeten Detektiv, das Tier wiederzubeschaffen. Dass der ebenso verschwundene Koi-Pfleger im Koi-Becken ertränkt wurde, weiß vorerst nur das Publikum. Von Allmen nimmt den Auftrag wohl auch deshalb gerne an, weil es ihm Garretts schöne Gattin angetan hat: Akina de la Vega (Edita Malovčić) ist Koi-Expertin und flirtet nicht nur mit dem Detektiv, sondern auch mit dem reichen Italiener Vittorio Giunninazzi (David Lifschitz), einem angeblichen Mafioso, der selbst ebenfalls Kois sammelt und somit der Verdächtige der ersten Wahl ist. Die dritte Person auf der Insel, die scharf auf die „schwimmenden Edelsteine“ aus Japan ist, ist die berühmte Fotografin Helen Lifehouse (Michaela Rosen). Die breite Palette künstlerischer Berufe und klingender Namen wird durch den Musikproduzenten Freddie Turnbill (Falilou Seck) komplettiert, ein dicker Freund und „Blutsbruder“ von Allmens aus gemeinsamen Kindertagen. Für den Detektiv wird es mal wieder brenzlig: Während die Schweiz ihn zum Steuerflüchtling erklärt hat, gerät er auf Teneriffa in Mordverdacht.
Um atemlose Spannung geht es hier weniger, doch das wieder von Martin Rauhaus nach dem Suter-Roman geschriebene Drehbuch bietet einige unterhaltsame Wendungen und keine allzu offensichtliche Auflösung. Im Übrigen ist auch der fünfte „Allmen“-Film ein Fest der Anspielungen und Zitate, beginnend bei den Masken und Kostümen des Karnevals. Denn dass Kleider Leute machen, weiß wohl keiner besser als der Schweizer Lebenskünstler, der selbst ein elegantes Spiel um Schein und Sein treibt. Der lässige Bonvivant meistert jede brenzlige Situation mit unerschütterlicher Ruhe und schöpft aus einem schier unendlichen Fundus aus Zitaten, Aphorismen und philosophischen Kalendersprüchen. Das kann auf Dauer anstrengend werden und bedarf jedenfalls scharfzüngiger Mitspieler:innen. Ab und zu gelingen sogar Überraschungen, etwa wenn der vermeintliche Mafia-Boss philosophisch kontern kann.
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Die auch erotisch aufgeladenen Mann/Frau-Wortduelle wirken zwar etwas altbacken, immerhin sind die weiblichen Figuren hier nicht nur schmückendes Beiwerk im Bikini. Insbesondere Jojo Hirth gewinnt an Format und wächst zu einer Protagonistin auf Augenhöhe. Mit Carlos bildet von Allmen ohnehin ein eingespieltes Team, die Freundschaft der ungleichen Typen sorgt für die nötige Bodenhaftung. Sehenswert auch Sinje Köhlers Inszenierung, die dem Genrekino mit altmodisch anmutenden Stilmitteln ihre Reverenz erweist und dennoch nicht unzeitgemäß wirkt. Die musikalischen Zitate, von Georges Bizet („Carmen“) bis Simple Minds („Don’t You“), bedient ebenfalls die Lust am Populären. Johann Friedrich von Allmen macht überdies schmerzhafte Bekanntschaft mit dem angeblichen Original-Bass von Paul McCartney. Den Fischen geht es dagegen nicht an den Kragen. Auch „die Blaue Mauritius unter den Fischen“ (von Allmen), also der heftig umkämpfte Koi, der aussieht wie eine schwimmende japanische Landesflagge, landet nicht auf dem Teller.