Eine Richterin, die ihre Karriere für ihre Überzeugung aufs Spiel setzt – so was kann es nur im Fernsehen geben! Lena Kalbach vergisst, wenn sie ihre moralischen Prinzipien verletzt sieht, schon mal ihre juristischen Pflichten. Das bringt ihr Anerkennung ein, aber auch eine Strafversetzung vom Frankfurter Landgericht ans Amtsgericht im Provinzstädtchen Fulda. Ihre alte Heimatstadt. Die Paragraphenreiter dort sind alles andere als erbaut über die aufmüpfige Richterin. Auch ihre eigene Tochter, selbst Juristin im Staatsdienst, die mit ihrer Familie in Fulda lebt, würde ihre Mutter am liebsten so schnell wie möglich wieder loswerden.
Eine Alt-68erin im Kampf gegen Kleinmut und Konventionen, die mit frischem Besen durch die Kleinstadt fegt. Das ist eine zwar ausgedachte, aber hübsche Grundidee und serientauglich ist sie allemal. Erst recht, weil Michaela May für die Rolle gewonnen wurde. Schade nur, dass beim Versuch, die Talare ein wenig auszulüften, vergessen wurde, auch die Dramaturgie vom Muff zu befreien. Die geplante Serie im Blick haben Autor Sebastian Andrae, Produzent Hermann Kirchmann und Regisseur Zoltan Spirandelli, die schon desöfteren für gelungene TV-Unterhaltung gut waren, vergessen, auf den Pilotfilm genügend Sorgfalt zu verwenden.
Die Handlung plätschert belanglos dahin wie das Saxofonspiel der Heldin. Ein schwerreicher, todkranker Zeitungsverleger enthebt seine Kinder ihrer Posten und will gemeinsam mit seiner 18-jährigen Geliebten das Ruder in die Hand nehmen. Lena Kalbachs Intimfeind, gespielt von Fritz Karl, strengt im Namen der Kinder eine Entmündigung des mitunter etwas verwirrten Mannes an. Man muss kein Prophet sein, um zu erraten, dass die aufrechte Richterin einen menschenwürdigen Kompromiss finden wird. „Wie wichtig ist die Karriere? Und wie wichtig ist es mir, dass ich mich persönlich und menschlich weiterentwickle?“ Das sind für Michaela May die Fragen, die ihr Interesse an der Richterin geweckt haben. Auch privat habe sie sich „den Mut zu einer Haltung, den Mut, auch mal nein zu sagen, wenn man auf Widerstände stößt“, bewahrt. Doch alles was recht ist: Übersehen hat sie, dass sie mit dieser bislang sehr eindimensionalen Rolle dem Fernsehalltag nur den 299. Gutmenschen hinzufügt.
Bei einer möglichen Fortsetzung wäre zu raten, das Konfliktpotenzial zwischen den drei Generationen etwas pfiffiger anzulegen. Da ist Potenzial drin’ – nicht zuletzt, weil Anna Schudt ihrem überbesorgten Muttertier, das der freakigen Ex-Rabenmutter die Hölle heiß macht, mehr Nuancen zu geben in der Lage wäre. Dass Fritz Karl zu mehr taugt als zum schmierigen Charmeur, der der Hessinnen Herzen höher schlagen lässt, ist spätestens seit Wedels „Papa und Mama“ oder „Auf ewig und einen Tag“ bekannt. Die Schlussszene zwischen Richterin und Staranwalt inklusive Ausblick auf ihre kommende „Beziehung“ stimmt schon versöhnlicher mit dem alles in allem recht belanglosen Film. (Text-Stand: 21.2.2008)