Der Palästinenser Tarek soll in Tel Aviv auf dem belebten Markt eine Bombe zünden. Doch als Tarek den Knopf drückt, versagt der Schalter. Zwar gibt es die Möglichkeit, dass seine Auftraggeber den Sprengstoffgürtel per Telefonanruf aktivieren. Doch Tarek irrt erst einmal ratlos umher und gerät zufällig in die Straße, in der die junge Keren ein Kiosk und der alte Katz einen Elektroladen betreiben. Der Attentäter will den Schalter austauschen, doch der wird erst zwei Tage später bei dem Händler eintreffen. Und weil am nächsten Tag Sabbat ist und nur wenige Menschen auf der Straße sind, redet Tarek seinen Auftraggebern die Fernzündung aus und gewinnt etwas Zeit. Um das Dach von Katz‘ Haus zu reparieren. Um Katz‘ lebensmüder Ehefrau das Leben zu retten. Und um sich in die schöne Jüdin Kerek zu verlieben.
Kann das gut ausgehen? Bei diesem Film fürchtet man so oder so den Schluss, entweder weil ein fröhliches Happy End falsch und verlogen wäre, oder weil man den Figuren das logische, tödliche Ende nicht wünscht. Auch nicht Tarek, dem Selbstmordattentäter, dessen mörderische Entschlossenheit sich weniger aus politischen Gründen speist, als vielmehr aus dem Drang, seinen Vater im Heimatdorf zu rehabilitieren. Tarek wird wütend, wenn er auf den Hauswänden von Tel Aviv „Tod den Arabern“ liest. Eigentlich ist er „wütend auf die ganze Welt“. Ein Fußballer, dessen Karriere durch die Grenzbefestigungen Israels gestoppt wird.
Ein Selbstmord-Attentäter als Protagonist mit menschlichen Zügen, sogar als Sympathieträger: Dass das glaubwürdig funktioniert, ist eine starke Leistung des Schauspielers Shredy Jabarin – und des Regisseurs: Dror Zahavi wurde 1959 in Tel Aviv geboren, studierte in den achtziger Jahren an der DDR-Filmhochschule Konrad Wolf in Potsdam und drehte in den vergangenen Jahren bemerkenswerte Fernsehfilme, „Eventfilme“ wie „Die Luftbrücke“ ebenso wie Dramen mit gesellschaftspolitischem Zündstoff wie „Zivilcourage“ mit Götz George und zuletzt „Kehrtwende“ mit Dietmar Bär. „Alles für meinen Vater“ war Zahavis Kino-Debüt, eine deutsch-israelische Produktion, bereits 2007 in Tel Aviv gedreht. 2009 lief sie bei uns im Kino, es folgte eine DVD-Auswertung, nun kommt sie endlich als TV-Erstaufführung ins Erste. Koproduktionspartner war der NDR, damals noch mit Fernsehspielchefin Doris J. Heinze.
Die Hitze ist spürbar in diesem Film, die Bilder sind in kräftigen, beinahe unwirklichen Brauntönen gehalten. Dennoch wirkt die Szenerie weit authentischer als viele der üblichen deutschen Produktionen, die im Ausland drehen und mit deutschen Schauspielern einen Krimi in Venedig oder Istanbul erzählen wollen. Hier war ein überwiegend israelisches Dreh-Team am Werk, mit einem Regisseur, der sich am Schauplatz auskennt. Und der etwas zu sagen hat. Zahavi verpackt seine humane Botschaft vor allem in einer sanften, schönen Liebesgeschichte – Romeo und Julia in Tel Aviv. Voller Symbolkraft die schlichte Szene am Strand, in der der junge Araber und die junge Jüdin Rücken an Rücken sitzen, gemeinsam Musik hören und sich an den Händen fassen. „Du bist mein Freund, oder?“, fragt sie ihn.
Das war’s zum Glück schon an Pathos – weiter reicht die völkerverbindende Annäherung nicht, kein Wunder, denn Tarek ist ja an den Sprengstoffgürtel gefesselt, ein unsichtbares Symbol für die Ausweglosigkeit. Das private Glück, es zählt nicht viel, und die Gewalt zerstört auch den Familienfrieden. Das verbindet wiederum den Araber Tarek, dessen Vater sich aus Liebe zu seinem Sohn mit den Israelis einließ und deshalb im Dorf ein Verstoßener ist, mit dem kauzigen Juden und Holocaust-Überlebenden Katz, der um seinen beim israelischen Militär verstorbenen Sohn trauert. Aggressionen finden sich auf beiden Seiten: Keren wird von orthodoxen Juden bedroht, weil die ihren Lebenswandel nicht tolerieren wollen. Der Wortführer der jüdischen Sittenwächter ist nichts weiter als ein übler Rabauke. Sonst sind die Figuren stark, obgleich sie etwas plakativ mit Botschaften aufgeladen sind.
Soweit zum Drama. Immer mal wieder wechselt Zahavi jedoch die Tonart und wird komödiantisch, etwa bei den Szenen mit der verschrobenen, sich ewig streitenden Nachbarschaft in Tel Aviv. Vor allem aber dem Terror und Fundamentalismus rückt er mit schwarzem Humor zu Leibe. Die Idee, der grotesk verfahrenen Lage im Nahen Osten auch mit Sinn fürs Groteske zu begegnen, ist sympathisch. Aber manchmal wird es doch arg plump, etwa wenn Keren sagt: „Ich glaube, ich explodier‘ gleich.“ Immerhin: Resignative, fatalistische Stimmung kommt in diesem Film nicht auf. Dabei gäbe es allen Grund dazu.