Ein Bus rast durch die Gegend. Schwerverletzte pflastern den Weg von Mattock. Ein Lebenslänglicher, der aus dem Gefängnis ausgebrochen ist, Geiseln genommen hat und Rache nehmen will. Sein Zielobjekt: Hauptkommissar Josef Zuckmaier, der ihn hinter Gitter gebracht hat. Seine Forderungen: eine Lok, ein Eisenbahnwagen, den bayerischen Musterpolizisten und seinen ehemaligen Kollegen Schübel im Austausch mit den Geiseln, seine Freundin und das eine oder andere, mit dem er seine Machtposition zur Schau stellen kann. Kiez-König a.D. Mattock fühlt sich wieder als der „King“. Ziellos rauscht er mit dem Zug übers Land, seine Gefangenen demütigend, die Medien im Schlepptau, bis er den Zug an einer für ihn sicheren Stelle stoppen lässt. Alle sind übernächtigt, die Aufmerksamkeit lässt nach – und doch will es Mattock genau wissen: weshalb arbeiten die beiden Kommissare nicht mehr zusammen? Er bohrt, quält – bis es Schübel herausschreit: „weil ich mit seiner Frau abgehauen bin.“ Das ist ganz nach Mattocks Geschmack. Also her mit „der Nutte“, der „King“ wird wieder munter…
„Alleingang“ beginnt rasant als ein Fest der Physis: Armin Rohde als „King“ gibt den Ton an. Eine narzisstisch deformierte Persönlichkeit. Dagegen abgesetzt, leise, zurückhaltend, fast demütig, mit stoischem Gleichmut, Josef Zuckmaier, der Liebende und an seiner Liebe Leidende. Der laute, hyperaktive Prolet trifft den Mann, der lieber schweigt. Mit der Zeit, der Müdigkeit des Aktivpostens Mattock, gewinnt das stille Moment zunehmend an Bedeutung. Die Figurenkonstellation spiegelt sich in der Genrefärbung von Hartmut Schoens Films wider. Die Handlung klingt nach Krimi – und fühlt sich doch nach Drama an. Im Schlussdrittel gerät der SEK-Eingreiftrupp fast gänzlich aus dem Blickfeld. Die „Äußerlichkeiten“ fallen ab – von den Protagonisten, von der Geschichte. Hartmut Schoen lässt alles auf einen vermeintlichen Zweikampf hinauslaufen, doch die Erschöpfung lässt beide zu sich selbst kommen. In den Bergen obsiegt die Natur über die Gesellschaft, das Menschsein über das Gut- oder Bösesein. „Man hilft, das lernt man als Kind vom Vater, von der Mutter“, weiß der „Gute“. Und auch der „Böse“, der gerade noch tönte, „ich bin besser wie du, Zucki“, hat es nicht vergessen.
Foto: BR / Bernd Schuller
„Alleingang“ ist ungewohnt und beeindruckt in der etwas spröden Mischung aus Krimi-Plot und dramatisch szenischer Bearbeitung. Der Fernsehfilm ist inszeniert als Kammerspiel in Landschaft, ein Vier-, Drei-, schließlich Zwei-Personen-Stück. Perfekt die Psychologie der Dialoge, die Charakterköpfe im scharfen Bildanschnitt. Mal fesselt das Bedrohungsszenario, mal fasziniert die innere Stärke des Kommissars mit dem bayerischen Zungenschlag, mal die Lautersprecher-Penetranz des Aggressors, mal stimuliert das Liebesdrama das Empathieempfinden des Zuschauers. Als Parabel ist der stimmungsvoll fotografierte Film angelegt, als eine Reise ins Ich. Und als Schauspielerfilm (Held & Rohde – grandios!). Als solcher vor allem ist dieser ein überragendes Stück Fernsehen. (Text-Stand: 30.12.2011)