Alle Zeit der Welt

Weitzenböck, Herrschmann, Deutschmann, passende Metaphern, der richtige Takt

Foto: Degeto / Britta Krehl
Foto Rainer Tittelbach

„Alle Zeit der Welt“ ist ein launiges Lügen-Komödien-Dramolett in angenehm altmodischem, kleinstädtischem Ambiente, ohne falschen Schmus, im Detail putzig erzählt und liebevoll inszeniert. Das Uhrmacher-Handwerk und die Charakteristik der Hauptfigur, der Wert der Tradition geben der Geschichte ihre stimmige Grundierung. Andrea Katzenbergers Film ist ein sehr passend besetztes Feelgood-Movie, mal gewitzt, mal romantisch, mal märchenhaft.

Der passionierte Uhrmacher Rudolf Wohlgemuth macht seinem Namen keine Ehre. Er ist wortkarg, wirkt mürrisch und er hat vom Leben – geschweige von der Liebe – wenig Ahnung. Um seinen Bruder, zu dem er jahrelang keinen Kontakt hatte, nicht ausbezahlen zu müssen, muss dieser aus der Zeit gefallene Einsiedler nun Familie spielen. Für ein paar Tage. Seine einzige Mitarbeiterin, Karina, allein erziehend und seit Jahren mit der reservierten Art ihres Chefs bestens vertraut, spielt mit. Rasch wird der museale Muff aus dem Wohlgemuth-Anwesen gefegt – und es zieht eine frische Familien-Heimeligkeit ein. Der Uhrmacher spürt, dass er offenbar doch noch etwas will vom Leben. Wäre da nur nicht dieser Bruder, der ihn schon wieder in die zweite Reihe abzudrängen droht! Auch Karina beginnt, ihren Chef mit anderen Augen zu sehen, findet aber auch dessen unkomplizierteren Bruder Klaus sympathisch. Das Stehgreiftheater klappt – nur, über die Zukunft des Familienbetriebs herrscht Uneinigkeit, und das belastet auch die Frühlingsgefühle des falschen Ehepaars.

Karina: „Da arbeitet man so lange zusammen und weiß doch gar nichts voneinander.“
Rudolf: „Was wollen Sie denn so wissen?“
Karina: „Alles, was man so wissen muss, wenn man verheiratet ist… Was sind Sie denn für ein Sternzeichen?“
Rudolf: „So was muss man wissen?“

Alle Zeit der WeltFoto: Degeto / Britta Krehl
Karina, bitte sagen Sie jetzt nichts… Katja Weitzenböck und Johannes Herrschmann in „Alle Zeit der Welt“ (ARD Degeto, 2011)

„Alle Zeit der Welt“ ist ein launiges Lügen-Komödien-Dramolett in angenehm altmodischem, kleinstädtischem Ambiente, das ohne falschen Schmus auskommt und im Detail putzig erzählt und liebevoll inszeniert ist. Das Uhrmacher-Handwerk und die Charakteristik der Hauptfigur, der Wert der Tradition, Beständigkeit und Zuverlässigkeit, geben der Geschichte ihre stimmige Grundierung. So wie die Autoren Martin Kluger und Maureen Herzfeld mit treffenden Metaphern (der Mann, der die Zeit anhalten kann) jonglieren und den Filmtitel sinnfällig beleben, so jongliert Regisseurin Andrea Katzenberger mit eindringlichen Bildern aus der Welt der Uhren und lässt den Film in einem gleichmäßigen Takt schlagen. Zeit ist das Herzstück jeden Films. „Alle Zeit der Welt“ thematisiert das Phänomen Zeit auf mehreren Ebenen.

Eingeschlichen hat sich allerdings ein gravierender handlungslogischer Fehler. Da hört der Bruder im Kirchturm das vermeintliche Ehepaar sich siezen („Frau Beckmann“), doch wer annimmt, dass der Bruder sein Wissen nutzt und dass das Spiel im Spiel in der Folgezeit eine zusätzliche Drehung erfährt, sieht sich getäuscht – und ein wenig enttäuscht. Später beim „Geständnis“ fällt jener Bruder Klaus dann sogar aus allen Wolken… „Alle Zeit der Welt“ ist ein sehr passend besetzter Wohlfühlfilm, mal gewitzt, mal romantisch, mal märchenhaft, ein Film, der mehr aus der Mentalität seiner männlichen Hauptfigur heraus atmet als aus einer Happy-End-geleiteten Genrestruktur, die der Film gleichsam besitzt und bedient. Ein Blick auf Johannes Herrschmann, jenen feinen Menschendarsteller, der einst überzeugend Karl Valentin spielte, lässt die kleinen dramaturgischen Ungereimtheiten dieser für den Freitagsfilm überdurchschnittlichen Degeto-Produktion vergessen.

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Katja Weitzenböck, Johannes Herrschmann, Heikko Deutschmann, Minna Markert, Diana Körner, David Berton, Michele Oliveri

Kamera: Marco Uggiano

Szenenbild: Susanne Dieringer

Schnitt: Melanie Werwie

Musik: Ingo Frenzel

Produktionsfirma: Pinguin Film

Drehbuch: Martin Kluger, Maureen Herzfeld

Regie: Andrea Katzenberger

Quote: 4,14 Mio. Zuschauer (13,4% MA)

EA: 21.10.2011 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach