Alle Macht den Kindern

Hannes Jaenicke, Rebecca Immanuel, Carlo Rola. Weichgespülter Sat-1-Rollentausch

Foto: Sat1 / Boris Guderjahn
Foto Gϊti Hatef-Rossa

Die Eltern sind rat- und hilflos. Sie wollen nur das Beste, aber was auch immer sie tun, die Kids fühlen sich permanent ungerecht behandelt und gegängelt. Und dann packt die 14-jährige Tochter ihre Sachen und ist weg… Das Friedensangebot der Eltern: Erwachsene und Kinder tauschen die Rollen. Eine Familie, vier Wochen, zehn Regeln. „Alle Macht den Kindern“, entstanden nach dem Bestseller von Jochen Metzger, gelingt es nicht, das Potenzial und den guten thematischen Ansatz in 90 Minuten auszuspielen. Alles plätschert dahin. Schade!

Familie Wiebeck ist eine typische Sat-1-Durchschnittsfamilie, alles gediegen, alles sonnig und sehr deutsch (obwohl der Film in Kapstadt gedreht wurde). Mattes ringt seit drei Jahren mit seinem den mehrfach angekündigten Ruhestand beharrlich verweigernden Vater darum, die gynäkologische Praxis in der dritten Generation endlich eigenverantwortlich zu übernehmen. Mattes Frau Hannah kümmert sich hingebungsvoll um die Vermeidung von Kaffeerändern auf Möbeln und betreibt einen kleinen Blumenladen. Es könnte alles so schön sein, wären da nicht die aufsässigen Kinder: der unzufriedene Tommy und seine pubertierende Schwester, Emily. Vor allem die 14-jährige fühlt sich von ihren Eltern ständig ungerecht behandelt und sieht sich mit ihren Bedürfnissen und Ansichten nicht ernst genommen. Sie revoltiert erst durch Autofahren ohne Führerschein, und dann steht wegen des Diebstahls von String-Tangas auch noch die Polizei vor der Tür. Als die Eltern Emily die Anschaffung des heiß ersehnten Hundes verweigern, reicht es ihr. Sie packt ihre Sachen und verlässt die elterliche Vorhölle.

Mattes will seine Tochter um jeden Preis aufhalten und macht ihr ein verlockendes Angebot. Eltern und Kinder tauschen die Rollen: Eine Familie, vier Wochen, zehn Regeln. Mutter Hannah ist zunächst wenig begeistert von der Idee, doch dann überwiegt die Hoffnung, dass die Kinder aus dem Rollentausch lernen könnten und das Experiment ohnehin nicht lange durchhalten werden. Und so übernehmen am nächsten Morgen die Kinder das Kommando, und es kommt, wie es kommen muss. Emily lädt gleich am ersten Tag zu einer Hausparty ein, und Tommy gibt einen Großteil des Haushaltsgelds für eine Spielkonsole aus. Sehr bald wird das Geld knapp und der Kühlschrank bleibt leer. Das Experiment gerät immer weiter außer Kontrolle, bis schließlich eine Dame vom Jugendamt vor der Tür steht…

Alle Macht den KindernFoto: Sat1 / Boris Guderjahn
Kleines Würstchen, große Wirkung: Die Damen vom Jugendamt ist angesichts der Zustände im Hause Wiebeck not amused! Der Hunger macht unberechenbar.

„Alle Macht den Kindern“ bemüht sich darum, den Humor unterschiedlicher Zielgruppen zu treffen. Erwachsene können sich über zarte bis plumpe Anzüglichkeiten mehr oder weniger amüsieren und Kinder sollen Spaß am recht vorhersehbaren pseudo-anarchistischen Rollentausch haben. Emily ist im Grunde die Figur, um die sich bei diesem Rollentausch alles dreht. Doch leider kauft man dem Teenager, die endlich dem begluckenden Regelgefängnis ihrer Eltern entfliehen kann, nur selten ab, was sie sagt. Es gibt wenige Momente, in denen ein wohltuend ernster Ton der Komödie die Tiefe gibt, auf deren Basis man gerne weiter von einem Slapstick zur nächsten Katastrophe holpern würde. Einer dieser lichten Momente ist zwischen Opa Lukas und Emily zu finden, die langsam den Ernst der Lage zu begreifen scheint. Auch Hannah lernt für sich etwas vom Tausch der Machtverhältnisse. Sie ist weniger pingelig und lässt auch mal schmutziges Geschirr schmutzig sein. Mattes Erkenntnisgewinn aus dem Experiment hält sich in Grenzen. Der heimische Kühlschrank ist leer, die Hundekekse sind trocken, und so verfällt er vor lauter Hunger den kulinarischen Verführungskünsten der schönen Sophia. Mit “Involtini di Vitello“ unde ganze vielene „E“ am Ende der Worte wollen diese Szenen in ihrer stilistischen Übertreibung nicht so recht zum Rest des Films passen.

„Alle Macht den Kindern“ zieht einige Register: ein aufs Haus stürzender Baum, eine Geburt, zwei vermeintliche Seitensprünge, Hannah im Negligé, Mattes ohne Toilettenpapier, weiße Mäuse, Schüsse aus der Paintballwaffe, mehrere Feuerwehreinsätze, ein Hund, der sich auf Kommando („drop dead“) tot stellt und ein Seifenkistenrennen. Dennoch hinterlässt die Familienkomödie keinen bleibenden Eindruck. Der an sich spannende Rollentausch wirkt insgesamt weichgespült, und die Figuren schöpfen den Raum für verschieden Facetten nicht aus. Schade, dass Regisseur Carlo Rola alles in rosaroten Farben malt. So plätschern leider 90 Minuten Seichtes dahin. „Alle Macht den Kindern“ kann das Potenzial und den guten thematischen Ansatz, der auf Jochen Metzgers gleichnamigen Bestseller zurück geht, nicht recht ausspielen. Metzgers Buch basiert auf dem tatsächlich mit seiner Familie vollzogenen Experiment, für vier Wochen die Rollen von Erwachsenen und Kindern zu tauschen. Im echten Leben gab es dafür am Ende eine Vorladung vom Jugendamt: Es gäbe Gesprächsbedarf. Nach Sichtung dieses Films gibt es keinen.

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Fernsehfilm

Sat 1

Mit Hannes Jaenicke, Rebecca Immanuel, Walter Kreye, Johanna Werner, Max Boekhoff, Dennenesch Zoudé, Heike Brunner, Martin Kluge

Kamera: Frank Küpper

Schnitt: Friederike von Normann

Musik: Enis Rotthoff

Produktionsfirma: TeamWorx

Drehbuch: Christiane Dienger – nach dem gleichnamigen Bestseller von Jochen Metzger

Regie: Carlo Rola

Quote: 2,79 Mio. Zuschauer (9,8% MA)

EA: 14.05.2013 20:15 Uhr | Sat 1

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