Die lange Busfahrt von Berlin ins tiefste Oberbayern ist nicht gerade verlockend. Doch es ist der 23. Dezember – und die Aussicht auf Weihnachten, Schnee und Heimatgefühle stimmen versöhnlich. Das gilt besonders für den Neuberliner Felix (Klaus Steinbacher), der seine Eltern (Elena Uhlig & Philipp Moog) und sein Herzblatt Saskia (Leslie-Vanessa Lill) besucht. Auch Hanna (Sinje Irslinger) ist gut drauf, sie steht zwar weniger auf Weihnachten, dafür hat sie noch ein paar Stunden Geburtstag und liebt eine andere Tradition: die Feiertage gemeinsam mit ihrer unkonventionellen Oma (Lisa Kreuzer) zu verbringen. Hanna und Felix haben sich im Bus kennengelernt, sie, die leicht Chaotische, die ihre Freiheit über alles liebt, und er, der bestens Organisierte, der endlich seiner Langzeitfreundin einen Antrag machen will. Aus der Verlobung wird aber erstmal nichts. Ein Jahr später ein ähnliches Spiel. Wieder unbeschwertes Flirten im Bus – jetzt jedoch mit Kuss. Den werden beide nicht so schnell vergessen. Felix holt sogar Rat bei seiner Mutter ein. So vergeht wieder ein Jahr, in dem die Beziehung zwischen ihm und seiner Saskia scheinbar fester denn je ist. Würde ihm nur endlich diese verfluchte Hanna aus dem Kopf gehen. Die hat allerdings irgendwann die Faxen dicke. Schließlich haben andere Großmütter auch attraktive Enkelsöhne.
Romantische Komödien bauen auf eines der simpelsten Genre-Muster: Girl meets Boy = Happy End. Dennoch gelingt es den Filmen und Serien dieser Spielart, ihr Publikum immer wieder zu verzaubern. Möglicherweise liegt es daran, dass bei Gefühlen im Film der Kritiker im Zuschauer Pause macht, der Verstand aussetzt und sich dafür Identifikationsprozesse in den Vordergrund schieben. Kommt dazu noch Weihnachten ins Spiel und die Metapher vom „Fest der Liebe“, ist allerdings doch Schlimmes zu befürchten. In der Theorie. In der Praxis kann das völlig anders aussehen: „Alle Jahre wieder“ ist eine romantische Weihnachtskomödie, die von der ersten bis zur letzten Minute wunderbar funktioniert. Treue Seele trifft auf flotten Feger, Ordnung auf Spontaneität, Familiensinn auf Unabhängigkeitsliebe – das erinnert zunächst ein bisschen an die frechere RomCom-Variante: die Screwball Comedy. Sinje Irslinger verkörpert ihre Hanna im ersten Jahr wie einen lebenslustigen Wildfang, kess, spielerisch, ironisch und um keinen lockeren Spruch verlegen. Klaus Steinbacher wiederum gibt den bodenständigen „Bub“, sichtlich überfordert mit der Situation, setzt er ein verlegenes Dauerlächeln auf, was Hanna nur noch mehr zum Schäkern anstachelt. Felix ist gleichsam fasziniert von dieser Frau, die so erfrischend anders ist als Saskia, seine bisher einzige Liebe.
Der besondere Reiz des Films liegt in seiner Dramaturgie. Alle Jahre wieder – das gilt hier nicht nur für das Fest der Feste, sondern auch für die Struktur dieser Geschichte von Tommy Wosch („Faking Hitler“), Drehbuchautor und Produzent in Personalunion. Viermal fährt der Bus vom wenig einladenden Berliner Busbahnhof ins romantisch verschneite Mittenwald. Was auf dieser Fahrt passiert, erfährt jedes Mal eine Variation. Hier der ironische Flirt, ein Jahr später ein magischer Kuss und wieder ein Jahr später eine Situation, die der sonst nicht auf den Mund gefallenen Hanna die Sprache verschlägt, und wieder ein Jahr später fühlt sich die bisher immer so gut gelaunte junge Frau ein wenig einsam. Auch in Felix‘ Leben gibt es Veränderungen und selbst der nach strengem Ritual ablaufende Heiligabend bekommt durch den Tod des grantigen Großvaters (Hans Stadtbauer) eine nachdenklichere Tonlage. Allein Felix Schwester Toni (Lilly-Marie Vogler) bleibt sich treu: Alle Jahre wieder ein neuer Lover. Mehr Beständigkeit – ohne diese Umwege – verspricht eine weitere Bus-Geschichte. Die alleinerziehende Kathrin (Maria Simon) reist mit ihrem herzkranken Sohn (Lennox Louis) Richtung Oberbayern und kommt mit dem Busfahrer (Charly Hübner), der gar nicht so ein Muffelkopp ist, wie man zunächst annehmen kann, ins Gespräch. Doch im zweiten Jahr fehlt der Junge, und im vierten sitzt eine Frau am Steuer. Doch in einer Weihnachtskomödie muss am Ende alles gut werden, und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.
Soundtrack: Chris Rea („Driving Home To Christmas“), Lily Allen („Somewhere Only We Know“), Bailen („Christmas Is All Around“), Eartha Kitt („Santa Baby“), Ella Fitzgerald („A Tisket A Tasket“), Nathan Dawe feat. Ella Henderson („21 Reasons“), Lola Kirke („Cross You Off My List“), Sara Bareilles & Ingrid Michaelson („Winter Song“), Bobby Helms („Jingle Bell Rock“), Yves V. feat. Afrojack & Icona Pop („We Got That Cool“), Keane („Somewhere Only We Know“)
Die Dramaturgie folgt einem Schema, ohne dass die Handlung auch nur im Geringsten schematisch ablaufen würde. Dafür steckt viel zu viel Leben in den Charakteren, Irslinger und Steinbacher spielen herzerfrischend, auch Lisa Kreuzers Großmutter bringt als „Alterslesbe im Passivmodus“ Schwung und gute Laune in ihre Szenen mit Irslinger. Hinzu kommen Szenen, die gewitzt sind und großen Spaß machen: Die alljährliche Sauforgie in der Autobahnraststätte gehört dazu, ebenso die Situation zu Beginn, in der Hanna ihren Kopf unvermittelt in seinen Schoß legt, bevor sich ein kleiner Disput um ihren Po und seinen Sack entspinnt. Und dieses „Alle Jahre wieder“-Prinzip bringt auch makrodramaturgisch viel Abwechslung ins Geschehen. Die Ellipsen und Zeitsprünge zeigen mit wenigen Schnitten Entwicklungen der Charaktere auf, wofür eine gleichmäßig lineare Erzählung deutlich mehr erklärende Worte machen müsste. In „Alle Jahre wieder“ muss man als Zuschauer einfach nur hingucken, wohin die Reise der beiden geht, oder hinhören (auch der Soundtrack ist ein edler Mix aus Pop & Crooner-Jazz), man kann sich darüber freuen, dass das Wetter weihnachtlich mitspielte und nicht die üblichen, unvermeidlichen Schnee-da-Schnee-weg-Anschlussfehler gemacht werden mussten, man kann sich überraschen lassen und auf der Zielgeraden ein bisschen mitfiebern, denn diesem süßen Pärchen gönnt man dieses Happy End von Herzen. Selbst der obligate Kuss am Ende hat nichts Kitschig-Peinliches an sich; der Autobahnraststätte sei Dank.
Eine Antwort
Die Geschichte hätte gut werden können – leider Fehlanzeige! Dass man sich bei einer solchen Besetzung nicht mehr Mühe mit einem soliden Drehbuch gegeben hat, ist echt schade. Ein bunt beleuchteter Bus, Schneelandschaft und “ Driving home for christmas“ machen noch längst keine Weihnachtsstimmung. Langweilige und uninspirierte Dialoge, die Story nicht besonders originell – da war nichts frech, witzig oder gar charmant. Die Top-Besetzung hätte mehr verdient.
Fazit: den Film hätte es nicht gebraucht, da sind mir Wiederholungen guter Filme am Ende lieber.