Unsichtbare Freunde sind im Kinderalltag ganz normal. Wissenschaftler schätzen, dass ungefähr 30 Prozent aller Kinder einen „Fantasiegefährten“ haben. Sie verarbeiten auf diese Weise oft einschneidende Erlebnisse, etwa die Trennung der Eltern oder den Tod einer Bezugsperson. Aber auch ein schlichter Umzug und der Verlust der vertrauten Umgebung können dazu führen, dass ein Wesen auftaucht, das einen Platz am Esstisch beansprucht.
Bei geistig gesunden Erwachsenen tritt das Phänomen eher seltener auf; oder sie wollen es nicht zugeben. Ganz unbekannt aber sind auch ihnen die unsichtbaren Begleiter nicht, wie man aus der Film- und Fernsehgeschichte („Mein Freund Harvey“, Dieter Wedels „Mein alter Freund Fritz“) weiß. Max Spielhagen (Raacke) kann eine gewisse Kindlichkeit ohnehin nicht leugnen, schließlich beschäftigt er sich den ganzen Tag mit Spielzeug. Allerdings beruflich: Er besitzt eine Spielzeugfabrik. Leider hat er auch einen älteren Bruder (Horwitz), der gewissermaßen sein düsteres Gegenstück verkörpert. Max ist nach dem Tod seiner Frau ein wenig schwermütig geworden; und dann war plötzlich Albert da. Außer Max kann ihn niemand sehen oder hören, aber die beiden führen stundenlange Gespräche. Der freundliche Spieleerfinder weiß selbst, dass etwas mit ihm nicht stimmt, und geht aus freien Stücken in eine Klinik. Darauf hat der Bruder nur gewartet. Er hat schon immer gern Krieg gespielt. Jetzt will er aus der „Traumfabrik“ eine Rüstungsschmiede für Kriegsspielzeug machen.
Foto: Sat 1 / Stefan Erhart
Sat 1 knüpft mit Tonfall und Machart von „Albert – Mein unsichtbarer Freund“ nahtlos an frühere Familienfilme an, die gleichfalls ausnahmslos sehenswert waren („Das Gespenst von Canterville“, „Das total verrückte Wunderauto“). Schon der liebevoll gestaltete Einstieg ist ungemein sympathisch. Max hat eine komplizierte Kugelbahn gebaut, aus deren Verlauf die Namen der Darsteller (etwa durch den Looping) entstehen; einer springt aus dem Toaster heraus. Doch das Idyll ist nur von kurzer Dauer, denn plötzlich, berichtet Daniel (glänzend geführt: Johann Hillmann), wurde es „ganz grau um uns herum“: Die Mutter stirbt. Und selbstredend wird nun auch der Film ganz grau. An Farbigkeit gewinnt das Leben (und damit auch die Bilder) immer nur dann, wenn Max Gute-Nacht-Geschichten von Albert erzählt. Damit ist Schluss, als Max in die Klinik kommt und Daniel fortan ein freudloses Dasein in der Obhut des stets uniformiert wirkenden Bruder Siegbert fristen muss. Horwitz entwickelt bewundernswerten Ehrgeiz darin, sich in der Phalanx Böhser Onkelz der Filmgeschichte eine Sonderrolle zu erobern. Mit seinen markanten Gesichtszügen ohnehin prädestiniert, in Filmen dieser Art den Kinderschreck zu spielen, eifert er fröhlich dem Grafen Olaf aus Lemony Snickets „Rätselhaften Ereignissen“ nach. Einer aber ist noch teuflischer und heißt daher sinnigerweise DeVille, gespielt von Ingo Appelt: Der Gangster hat Siegberts martialisches Treiben finanziert und will nun sein Geld zurück. Siegbert muss die „Traumfabrik“ daher an die Chinesen verkaufen, weshalb Daniel seinen Vater aus der Klinik befreit. Gemeinsam mit der tapferen Lena Sommer (Susanna Simon), Max’ Assistentin, die verliebt ist in ihren Chef, legen sie Siegbert das Handwerk; auch wenn ein leicht trotteliger Kommissar (Sanchez) hartnäckig den falschen Bruder jagt, weil er Max für einen gefährlichen Entführer hält.
Auf das Wortspiel mit dem Namen des Oberschurken ist Autorin Rodica Döhnert zwar nicht als erste gekommen (die böse Pelzliebhaberin aus dem Disney-Film „101 Dalmatiner“ heißt Cruella De Vil), aber dass DeVille auf wundersame Weise immer wieder in diversen Bildschirmen auftaucht (unter anderem auch im Display eines Navigationsgeräts), ist schon recht wirkungsvoll. Es sind, wie so oft, nicht zuletzt die Details, die aus der Geschichte mehr machen als eine hübsche Familien-Komödie. Jorgo Papavassiliou setzt diesen scheinbar leichten Stoff ohnehin wesentlich schwungvoller um als seine Sat-1-Thriller „Es war Mord und ein Dorf schweigt“ oder „Unter Mordverdacht“. Selbst wenn er den konsequent unsichtbar bleibenden Albert überwiegend konservativ inszeniert: Alberts Auftritte beschränken sich auf Türen, die sich wie von Geisterhand öffnen und schließen. Immerhin ist das unbemannt radelnde Fahrrad ein kleines Kunststück. Gleiches gilt für den Drachen, der auch ohne Wind fliegen kann. Und nur hypersensible Gemüter werden sich an einer Bemerkung des Kommissars reiben, der die Mitteilung, in einem Hotel hätten sich zwei Araber einquartiert, brummelig kommentiert: „Terroristen! Haben mir gerade noch gefehlt“.