Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau

Bielefeldt, Meletzky & die enorm präsente, unwiderstehliche Katharina Wackernagel

Foto: SWR / Hardy Brackmann
Foto Rainer Tittelbach

„Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau“ erzählt vom Aufstieg einer Unternehmerin, die nicht länger nur die Frau an der Seite eines erfolgreichen Mannes sein wollte. Triebkraft ihres Handelns waren neben der Vision von einer modernen Modezeitschrift mit Modellen zum Nachschneiderndem ein Stück weit auch die Verletzungen, die ihr durch den Casanova-Gatten widerfahren sind. Das Drehbuch von Regine Bielefeldt zeigt Aenne Burda als eine Frau, die ihrem Mann auf Augenhöhe begegnen will. Leistung, Pflicht, Verantwortung, das sind die von Männern geprägten Begriffe der Zeit, jener Nachkriegs(wunder)jahre, nicht Emanzipation, Gleichberechtigung oder gar Selbstverwirklichung. Die Jahre zwischen 1949 und 1954 werden chronologisch aufgefächert. Im ersten Teil dominieren der süddeutsche Provinzmuff und der Grauschleier der Nachkriegsjahre; Teil 2 hingegen liefert einem telegenen, höchst sinnlichen Bilderbogen der frühen 50er Jahre. Katharina Wackernagel verleiht dieser Frau eine große physische Präsenz und macht aus Burda das, was sie war: eine Persönlichkeit.

Diese Frau lässt sich nicht mit einem neuen Pelzmantel abspeisen. Als Anne Burda (Katharina Wackernagel) herausfindet, dass ihr Mann, der Verlagsinhaber Franz Burda (Fritz Karl), seit Jahren in einer Art Zweit-Beziehung mit seiner ehemaligen Sekretärin (Cornelia Gröschel) lebt und mit ihr ein Kind hat, droht sie ihm mit der Scheidung. Als den Gipfel der Demütigung empfindet sie, dass der Göttergatte ihre Geschäftsidee einer Modezeitschrift mit Modellen zum Nachschneidern längst realisiert hat: Während er ein solches Magazin ihr gegenüber als Investitionsgrab abtut, hat er seiner Geliebten ein solches Projekt längst finanziert. Anne, die sich bald Aenne nennt, erreicht, dass er ihr die Zeitschrift und den Verlag überschreibt. Obwohl die ungemütliche Fabrikhalle ihrer hoch verschuldeten Firma so gar nichts besitzt von dem, was sie sich mit ihrem Produkt für sich und die Frauen erträumt, die Wiederentdeckung des Schönen und die Vertreibung der Nachkriegstristesse, macht sie sich mit großem Elan an die Arbeit. In der Näherin Edith Schmidt (Luise Wolfram) findet sie eine Vertraute mit Sinn fürs Organisatorische, und Lise Schneegass (Annika Olbrich) entpuppt sich bald als die Frau für die Schnittentwürfe. Die Pariser Haute Couture in das Offenburger Modemagazin zu integrieren, scheitert allerdings an der großen Politik: Für Kooperationen mit dem „Erzfeind“ sind die französischen Modeschöpfer so wenige Jahre nach dem Krieg noch nicht bereit.

Aenne Burda – Die WirtschaftswunderfrauFoto: SWR / Hardy Brackmann
Burda liebt den Pariser Chic. Die Franzosen aber lieben die Deutschen nicht. Eine Ausnahme: André Lambert (Jean-Yves Berteloot); der könnte sich mehr vorstellen.

„Sie war auf ihrem Weg an die Spitze aggressiv, laut, wild und unberechenbar. Aber auch charmant, großzügig und witzig, loyal und kreativ. Und sie war leidenschaftlich, als Frau und als Chefin. Für diese Mischung wurde sie geliebt und respektiert, von dem einen oder anderen sogar gefürchtet.“ (Regine Bielefeldt, Autorin)

Die ersten 90 Minuten des ARD-Zweiteilers erzählen eine typische Aufstiegsgeschichte. Die Phasen sind vorhersehbar, die Dramaturgie entspricht dem Muster zwei Schritte vor, ein Schritt zurück. Vor unüberwindbare Probleme wird diese Aenne Burda nicht wirklich gestellt. Die Kraft der Erzählung erwächst erfreulicherweise weniger aus den Steinen, die dieser Frau in den Weg gelegt werden, als vielmehr aus der Power und den Macher-Qualitäten, die diese Figur an den Tag legt. Die Konfliktlagen werden nicht überbetont, und so bekommt die Geschichte nichts übermäßig Dramatisches, sondern sie erzählt eben genau von dem, was der Untertitel verspricht: von einer „Wirtschaftswunderfrau“. Die Jahre zwischen 1949 und 1954 werden chronologisch aufgefächert. Im ersten Teil dominieren der süddeutsche Provinzmuff und der Grauschleier der Nachkriegsjahre. Die Inszenierung von Francis Meletzky („Nur eine Handvoll Leben“) passt sich der Ikonografie der Zeit an. Zunächst also dominiert Offenburg über Paris. Der zweite Teil liefert hingegen einen reizvollen Bilderbogen der frühen fünfziger Jahre – mit dem von der Heldin früh antizipierten Italien-Boom, mit telegenen Ausflügen zur Berliner Modewoche und mit einer kleinen Reminiszenz an den deutschen Heimatfilm. Damit verbunden ist ein Hoch auf die entpsrechenden Gewerke. Während die Heldin Bella Italia für sich entdeckt, wirbt der geläuterte Gatte mit der Schönheit der deutschen Natur um seine erfolgreiche bessere Hälfte. Doch die hat den Spieß umgedreht: „Das ist Massimo Russo, mein Liebhaber“, begrüßt sie selbstbewusst den ihr in den Süden nachgereisten Ehemann. „Ihr seid zwei Anführer“, bringt ein Freund der Familie, der Künstler Hans Kuhn, das Verhältnis der Burdas auf den Punkt. „Sind wir zwei noch gut füreinander?“, fragen sie sich. Ihre offene Beziehung unter dem Motto „Zusammen gehören, aber sich nicht gehören“ ist fortschrittlich und gewissermaßen ein Vorausblick auf die frei(zügiger)en sechziger Jahre.

Aenne Burda – Die WirtschaftswunderfrauFoto: SWR / Hardy Brackmann
Auf Augenhöhe. Und irgendwann steht Aenne Burda sogar eine Stufe höher auf der Erfolgsleiter.als ihr Mann, mit dem sie fortan eine offene, moderne Beziehung führt.

„Um wirklich zu verstehen, was Aenne Burda erreicht hat, muss man sich vor Augen führen, in welcher Zeit die Anfänge ihres Verlages lagen: Frauen hatten selten ein eigenes Konto. Wenn sie arbeiten wollten, mussten sie ihre Männer um Erlaubnis bitten. Die arbeitende Frau war – vor allem in gehobenen Kreisen – die absolute Ausnahme. Doch genau zu diesen Kreisen wollte Aenne Burda schon seit frühester Jugend gehören. Durch die Ehe mit Franz hat sie das geschafft, durch ihren eigenen Erfolg hat sie die Enge Offenburgs hinter sich gelassen und die Welt erobert! Sie hat ihre eigenen Regeln definiert und nach ihnen gelebt. Als Unternehmerin. Und als Frau. Ihre Ehe mit Franz kombinierte sie mit einer leidenschaftlichen Beziehung zu ihrem sizilianischen Liebhaber. Was die Leute über sie sagten, war ihr egal, Aenne war frei.“ (Regine Bielefeldt, Autorin)

Wie es der Filmtitel „Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau“ erwarten lässt, dreht sich in den 180 Minuten so gut wie alles um die erfolgreiche Verlegerin. Das liegt nicht zuletzt auch an ihrer Darstellerin Katharina Wackernagel („Contergan“). Sie verleiht dieser öffentlichen Frau eine enorme physische Präsenz und macht aus ihr das, was sie war: eine Persönlichkeit. Ihr kraftvoller Gang, ihr souverän nach außen getragenes Selbstbewusstsein und, nachdem die Mundwinkel anfangs verbittert auf Halbmast stehen, ihr breites, gelegentlich fast provokantes Lächeln: Wackernagel gibt Aenne Burda etwas Unwiderstehliches. Und natürlich kommt der Schauspielerin, die man fortan zwangsläufig mit dieser Rolle verbinden wird, dabei die Geschichte dieser mutigen Frau, die Gütertrennung akzeptierte und einen Schuldenberg übernahm, um sich von ihrem Mann unabhängig zu machen, zupass: Auch wenn der Plot nicht vor Originalität strotzt und das kleinstädtische Lokalkolorit und die Art und Weise, wie sich die Bürgerschaft das Maul zerreißt über diese Frau, nicht gerade vor Sexyness sprüht, so ist man als Zuschauer doch sofort bei dieser Heldin des Alltags und fiebert den Genugtuungen entgegen, zu denen es einfach kommen muss. Diese Frau, die aus einfachen Verhältnissen stammt und der offenbar deshalb, das problemlose Nachschneidern der Modelle durch die „normale Hausfrau“ am Herzen lag, hat ganz andere Ansichten als die Damen der besseren Gesellschaft. Und diese lästern hinter ihrem Rücken: „Nur weil man betrogen wird muss man doch nicht gleich arbeiten gehen.“ Aber eben nicht jeder Frau reicht ein neuer Pelzmantel.

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SWR

Mit Katharina Wackernagel, Fritz Karl, Luise Wolfram, Annika Olbrich, Jean-Ives Berteloot, Hansa Czypionka, Christoph Glaubacker, Cornelia Gröschel, Martina Eitner-Acheampong, Michele Cuciuffo

Kamera: Bella Halben

Szenenbild: Knut Loewe. Art Director: Petra Ringleb

Kostüm: Katharina Ost

Schnitt: Benjamin Hembus

Musik: Martin Lingnau, Ingmar Süberkrüb

Redaktion: Manfred Hattendorf, Friederike Barth

Produktionsfirma: Polyphon

Produktion: Sabine Tettenborn

Drehbuch: Regine Bielefeldt

Regie: Francis Meletzky

Quote: 1. Teil: 6,25 Mio. Zuschauer (21,2% MA); 2. Teil: 6,35 Mio. (20.7% MA)

EA: 05.12.2018 20:15 Uhr | ARD

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