„About a Girl“ – Heldin der Geschichte von Mark Monheim, die der Debütant gemeinsam mit dem Produzenten Martin Rehbock geschrieben hat, ist die junge Charleen (Jasna Fritzi Bauer), die ein (fast) ganz normales Teenagerleben führt. Ihre Gedanken sind allerdings etwas düsterer als die von anderen Mädchen in ihrem Alter, und als sie auf die typische Pubertätsfrage nach dem Sinn des Lebens keine befriedigende Antwort findet, will sie es kurzerhand beenden und stellt sich mit einem Föhn in die Badewanne. Als sie wieder zu sich kommt, wird ihr im Krankenhaus der „Selbstmörderteller“ serviert: mit Plastikbesteck.
„About a Girl“ hat von der FBW zum Kinostart das Prädikat „Besonders wertvoll“ erhalten, Hauptdarstellerin Jasna Fritzi Bauer wurde 2014 im Rahmen des Bayerischen Filmpreises als beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnet.
Der ARD gebührt ein Sonderlob, dass sie diesen vom Bayerischen Rundfunk koproduzierten Kinofilm (2015, knapp 50.000 Zuschauer) nicht wie andere Debüts erst mitten in der Nacht ausstrahlt, sondern schon um 20.15 Uhr zeigt: weil die Komödie Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen anspricht. Unbedingt sehenswert ist Jasna Fritzi Bauer, und das nicht bloß, weil sie so überzeugend missmutig dreinblicken kann. Eine Überraschung ist ihre Leistung allerdings nicht; sie war zuvor schon in der Tourette-Komödie „Ein Tick anders“ (2011) ein Ereignis. Bei den Dreharbeiten zu „About a Girl“ war die zierliche Schweizerin bereits 24, doch selbst das passt: Körperlich ist Charleen knapp 16, aber geistig ist sie viel weiter. Der Hauptdarstellerin ist es auch zu verdanken, dass die gelegentlich etwas überbordenden Kommentare nicht stören. Wenn das Mädchen zu Beginn seine Familie vorstellt, erinnert der Film an die Kinderkanal-Dokureihe „Schau in meine Welt!“. Ungleich origineller ist Charleens für dieses Alter gar nicht mal untypische morbide Ader: Die Popstars an den Wänden ihres Zimmers sind allesamt verstorben (die Filmsongs stammen allerdings von Sebastian Pille und sind eigens für „About a Girl“ komponiert worden). Ihr Berufspraktikum macht sie bei einem Bestatter; die Toten, findet sie, „sehen glücklich und zufrieden aus.“ Noch während der Einführung sorgt Monheim für ein Gegengewicht zu dieser düsteren Seite seiner Heldin, indem er beiläufige Slapstick-Elemente einstreut.
Blickpunkt:Film zum Kinostart:
Mit viel Witz, originellen Einfällen und Sympathie für seine Hauptfigur (und ihre Patchwork-Familie) erzählt Regisseur und Kodrehbuchautor Mark Monheim eine ganz und gar nicht biedere, sondern wunderbar freche tragikomische Coming-of-Age-Geschichte, die sich vor britischen oder US-Vorbildern nicht zu verstecken braucht. Temporeiche, gewitzte Dialoge, ein perfekter Soundtrack und ein starkes Ensemble allen voran Jasna Fritzi Bauer als Titelheldin machen die Selbstmörder-Geschichte zum Feelgood-Movie, ohne Probleme Jugendlicher zu verharmlosen.
Gerade diese Mischung aus Lebensmüdigkeit und Übermut ist Monheim ganz wunderbar gelungen. Einerseits schildert er realistisch, wie es für Charleen weitergeht, andererseits sorgt er immer wieder dafür, dass die Komödie nie vollends ins Drama umschlägt, obwohl das Mädchen lauter verwirrende und emotional widersprüchliche Erfahrungen verkraften muss: Sie verkracht sich mit ihrer besten Freundin Isa (Amelie Plass-Link) und verliebt sich ausgerechnet in den von seinen Mitschülern gemobbten Streber Linus (Sandro Lohmann), der den gleichen Psychotherapeuten wie sie besucht; dann stirbt auch noch ihre geliebte lebenskluge Oma (Dorothea Walda), und über allem schwebt die Drohung einer voreingenommenen Mitarbeiterin des sozialpsychiatrischen Dienstes, sie in eine geschlossene Anstalt einzuweisen. Kein Wunder, dass das alles zu viel für einen jungen Menschen ist, der sich ohnehin in einem Zustand potenzieller Verwirrung befindet.
„About a Girl“ ist konsequent aus der Perspektive seiner Protagonistin erzählt und bekommt dadurch seine bemerkenswerte Glaubwürdigkeit. Dabei ist zuerst das zu recht preisgekrönte Drehbuch zu loben, dass Regisseur Mark Monheim und Produzent Martin Rehbock gemeinsam geschrieben haben. Sie beweisen darin sowohl ein großes Einfühlungsvermögen, mit dem sie sich in die Gedankenwelt einer Heranwachsenden hineinversetzten können wie auch ein komödiantisches Talent, denn sie haben ihre Protagonistin nicht nur mit einer permanent miesen Laune, sondern auch mit viel Sinn für Humor ausgestattet. So sind die Dialoge im doppelten Sinn des Wortes pointiert, also zugleich punktgenau und witzig. Das gesamte Darstellerensemble ist genau passend besetzt und spielt durchgängig inspiriert. (Aus dem FBW-Gutachten = Film- und Medienbewertung)
Eine besondere Qualität des Drehbuchs ist der Umgang mit dem gerade in einem Jugenddrama heiklen Thema Suizid; von Goethes „Werther“ bis zum ZDF-Mehrteiler „Tod eines Schülers“ gibt es genug Beispiele aus Literatur, Fernsehen und Kino, die Jugendliche zur Nachahmung angeregt haben. Die gleich zweifach vermittelte Botschaft, das Leben sei ein Geschenk, dessen Wert sich erst im Angesicht des Todes erschließt, mag schlicht klingen, ist aber überzeugend verpackt. Das hat auch mit der Gestaltung der Nebenfiguren zu tun, die nur auf den ersten Blick klischeehaft sind; sogar die vermeintlich oberflächliche Isa offenbart am Ende eine ungeahnte Seite. Dass in Charleens Leben große emotionale Unordnung herrscht, liegt nicht zuletzt an ihrer zwar liebevollen, aber auch etwas überfordert wirkenden Mutter Sabine. In anderen Filmen merkt man Heike Makatsch mitunter an, dass sie eine Rolle spielt; davon ist hier nichts zu spüren. Selbst Charleens nichtsnutziger Erzeuger (Aurel Manthei), der sich früh aus dem Staub gemacht hat, ist doch zu etwas nütze. Besonders interessant ist die Rolle des Therapeuten (Nikolaus Frei), der einen eher amüsierten als besorgten Eindruck macht, aber eine clevere Methode findet, um Charleen aus ihrer Reserve zu locken.
Monheim und Koautor Rehbock gönnen den Nebenfiguren zudem verblüffende Auftritte, wenn auch oft bloß in Charleens Kopfkino. Das beginnt bereits mit dem Prolog, in dem sich das Mädchen daran erinnert, wie Jeff von Sabine vor die Tür gesetzt und dann von einem Laster überfahren wurde; später muss sie einräumen, dass sich der Rauswurf in Wirklichkeit etwas anders zugetragen hat. Je nach Laune lässt sie auch Linus solche Anschläge mal überleben (ein Auto verfehlt ihn), mal nicht (ein Kühlschrank erschlägt ihn aus buchstäblich heiterem Himmel). Auch sonst ist der Tod ständig präsent: Weil Charleen mit ihrer Polaroid-Kamera tote Tiere fotografiert, hängt Linus eines Tages scheinbar leblos überm Zaun; und als er ihr demonstrieren will, dass die Selbstmordmethode mit Föhn in der Wanne wenig aussichtsreich ist, stirbt beinahe sein Hamster. Monheim setzt diese kleinen Vorfälle mit einer beeindruckenden Souveränität in Szene. Umso erstaunlicher ist die Belanglosigkeit der beiden „Fanny“-Freitagsfilme mit Jutta Speidel, die er anschließend gedreht hat. (Text-Stand: 2017)