Autos klauen und sie zu Schrott fahren – das ist liebster Freizeitspaß einer gelangweilten Jugendclique aus einer jener scheußlichen Plattenbau-Wohnsiedlungen im Osten Berlins. Filmemacher Uwe Frießner („Das Ende des Regenbogens“) erzählt in seinem Fernsehfilm „Abgefahren“, wie leicht diese sogenannten Crash-Kids abdriften können ins kriminelle Milieu. Einziges Glück von Hauptfigur Pattie ist es, dass sie noch keine 14 ist, also noch nicht in den Knast einfährt. Nach jeder dieser „echt geilen“ Verfolgungsjagden mit der Polizei, landet sie wieder zuhause bei der Mutter. Es hagelt Vorwürfe. Doch als die Versicherungen die Eltern zur Kasse bitten für die Schäden, die ihre Sprößlinge angerichtet haben, dreht die kleine Pattie erst richtig auf: Zusammen mit ihrem Freund Sven klaut sie Nacht für Nacht begehrte Karossen, die sie an eine gut organisierte Polen-Gang verkauft. Als der 15jährige Sven in den Knast wandert, macht das Mädchen allein weiter: „Du hast es einfach nicht druff!“
„Die Kinder aus dem Ost-Berliner Plattenbau verstricken sich immer tiefer in Geldnot und Kriminalität wegen hoher Forderungen der Versicherungen. Das Überzeugende an Frießners zusammen mit Sozialarbeitern entwickeltem Stück ist die Natürlichkeit der Darsteller. Kein anklägerisches Pathos mindert die Wirkung. Die rührende Einfalt einer pubertären Liebe gleicht dem Licht, welches das Elend nur noch schwärzer erscheinen läßt.“ (Spiegel)
Dem Berliner Uwe Frießner ist es wieder einmal gelungen, einen Film über Jugendliche ohne erhobenen Zeigefinger zu drehen. Man spürt, dass er weiß, wovon er erzählt. Er hat mit Crash-Kids gesprochen, um sich ein Bild vom sozialen Milieu zu machen. Und er hat in seinem temporeichen Road-Movie der Straßenwirklichkeit auf den Mund geschaut: „Ich beobachte junge Leute, wie sie reden, habe mich immer schon sehr viel im Jugendmilieu aufgehalten“. Mit Slang musste er sich zurückhalten. „Manchmal ist die Sprache so extrem, dass man sie dem Zuschauer nicht zumuten kann. Man müsste permanent untertiteln.“
Seine jugendlichen Hauptdarsteller suchte er zunächst in Berliner Schulen. Doch dort wurde man nur fündig für die Nebenrollen. Susanne Bormann und Pierre René Müller fand man in den Castingbros, die mittlerweile auch Jungdarsteller vermitteln. „Das sind wirklich begabte junge Leute, die ohne Milieuerfahrung, gute, stimmige Typen darstellen“, urteilt Frießner, der in seinen früheren Filmen fast ausschließlich mit Laiendarstellern gedreht hat. Frießners Stärke ist es, Milieu und Medium Film zu einer spannenden Synthese zu vereinen. „Ich erfinde Geschichten, die nicht zu sehr im Genremäßigen verhaftet bleiben, sondern sich mehr an dem orientieren, was die Figur bewegt, was sie zum Handeln treibt“, sagt der 53jährige über seine filmische Methode. „Ich habe zwar was begriffen von dem, was Jugendliche bewegt. Doch 1:1 lässt sich das nicht übertragen. Ein Film muss Geschichten erzählen.“ (Text-Stand: 1995)