Abgefahren

Susanne Bormann in Uwe Frießners TV-Road-Movie zwischen Plattenbauten

Foto Rainer Tittelbach

Autos klauen und sie zu Schrott fahren – das ist liebster Freizeitspaß einer gelangweilten Jugendclique. Die Kinder aus dem Ost-Berliner Plattenbau verstricken sich immer tiefer in Geldnot und Kriminalität wegen hoher Forderungen der Versicherungen. Da nützt es auf Dauer wenig, dass man erst 14 und noch nicht knastfähig ist… Dem Berliner Uwe Frießner ist es wieder einmal gelungen, einen Film über Jugendliche ohne erhobenen Zeigefinger zu drehen. Dabei mischt er Sozialreportage und Genrekino zu einem für die 90er Jahren ungewöhnlich physischen Stück Fernsehen, für das es zu recht den Grimme-Preis gab.

Autos klauen und sie zu Schrott fahren – das ist liebster Freizeitspaß einer gelangweilten Jugendclique aus einer jener scheußlichen Plattenbau-Wohnsiedlungen im Osten Berlins. Filmemacher Uwe Frießner („Das Ende des Regenbogens“) erzählt in seinem Fernsehfilm „Abgefahren“, wie leicht diese sogenannten Crash-Kids abdriften können ins kriminelle Milieu. Einziges Glück von Hauptfigur Pattie ist es, dass sie noch keine 14 ist, also noch nicht in den Knast einfährt. Nach jeder dieser „echt geilen“ Verfolgungsjagden mit der Polizei, landet sie wieder zuhause bei der Mutter. Es hagelt Vorwürfe. Doch als die Versicherungen die Eltern zur Kasse bitten für die Schäden, die ihre Sprößlinge angerichtet haben, dreht die kleine Pattie erst richtig auf: Zusammen mit ihrem Freund Sven klaut sie Nacht für Nacht begehrte Karossen, die sie an eine gut organisierte Polen-Gang verkauft. Als der 15jährige Sven in den Knast wandert, macht das Mädchen allein weiter: „Du hast es einfach nicht druff!“

„Die Kinder aus dem Ost-Berliner Plattenbau verstricken sich immer tiefer in Geldnot und Kriminalität wegen hoher Forderungen der Versicherungen. Das Überzeugende an Frießners zusammen mit Sozialarbeitern entwickeltem Stück ist die Natürlichkeit der Darsteller. Kein anklägerisches Pathos mindert die Wirkung. Die rührende Einfalt einer pubertären Liebe gleicht dem Licht, welches das Elend nur noch schwärzer erscheinen läßt.“ (Spiegel)

Dem Berliner Uwe Frießner ist es wieder einmal gelungen, einen Film über Jugendliche ohne erhobenen Zeigefinger zu drehen. Man spürt, dass er weiß, wovon er erzählt. Er hat mit Crash-Kids gesprochen, um sich ein Bild vom sozialen Milieu zu machen. Und er hat in seinem temporeichen Road-Movie der Straßenwirklichkeit auf den Mund geschaut: „Ich beobachte junge Leute, wie sie reden, habe mich immer schon sehr viel im Jugendmilieu aufgehalten“. Mit Slang musste er sich zurückhalten. „Manchmal ist die Sprache so extrem, dass man sie dem Zuschauer nicht zumuten kann. Man müsste permanent untertiteln.“

Seine jugendlichen Hauptdarsteller suchte er zunächst in Berliner Schulen. Doch dort wurde man nur fündig für die Nebenrollen. Susanne Bormann und Pierre René Müller fand man in den Castingbros, die mittlerweile auch Jungdarsteller vermitteln. „Das sind wirklich begabte junge Leute, die ohne Milieuerfahrung, gute, stimmige Typen darstellen“, urteilt Frießner, der in seinen früheren Filmen fast ausschließlich mit Laiendarstellern gedreht hat. Frießners Stärke ist es, Milieu und Medium Film zu einer spannenden Synthese zu vereinen. „Ich erfinde Geschichten, die nicht zu sehr im Genremäßigen verhaftet bleiben, sondern sich mehr an dem orientieren, was die Figur bewegt, was sie zum Handeln treibt“, sagt der 53jährige über seine  filmische Methode. „Ich habe zwar was begriffen von dem, was Jugendliche bewegt. Doch 1:1 lässt sich das nicht übertragen. Ein Film muss Geschichten erzählen.“ (Text-Stand: 1995)

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Susanne Bormann, Pierre René Müller, Philipp Dümcke, Ilona Schulz, Eduard Burza

Kamera: Hartwig Strobel

Schnitt: Eva Will

Musik: Axel Donner

Produktionsfirma: UFA Fernsehproduktion

Drehbuch: Uwe Frießner

Regie: Uwe Frießner

EA: 20.03.2015 19:25 Uhr | ZDF

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