Aber jetzt erst recht

Jutta Speidel, Hansa Czypionka. Kampf gegen die Heuschrecken im Namen der Liebe

Foto: Degeto / Erika Hauri
Foto Rainer Tittelbach

Die engagierte Klinik-Therapeutin steht ohne Job und mit einem Sack voller Schulden da. Auf der Isar-Brücke trifft sie einen anderen Lebensmüden: eine jener verhassten Heuschrecken. Doch die Läuterung naht und ein Happy-End kommt in Sicht in dieser munteren Social-Comedy mit romantischem Drall, starkem Speidel-Czypionka-Duett und leider auch mit dramaturgischen Mega-Klischees, die die Glaubwürdigkeit der Schauspieler unterlaufen.

Aus einer kleinen Münchner Privatklinik soll eine First-Class-Therapie-Oase werden. Auf der Strecke bleibt neben den weniger betuchten Patienten auch die gesamte Belegschaft. Die nicht ganz legalen Robin-Hood-Methoden von Kathi Pfeiffer, der Leiterin der therapeutischen Abteilung, werden ihr und den Kollegen zum Verhängnis. Die hoch verschuldete Kathi steht also nicht nur existentiell am Abgrund, sie fühlt auch moralisch gegenüber ihren Kollegen eine große Schuld. Als sie mit dem Sprung in die Isar ihrem Leben ein Ende setzen will, trifft sie dort auf einen anderen Lebensmüden: Clemens Nutz. Einer von jener Spezies Mensch, die sich normalerweise nicht einmal den Namen von einer wie Kathi merken würde. Doch jetzt braucht dieser Mann im feinen Zwirn ihre Hilfe. Und dann erweist sich diese „Heuschrecke“ mit der Zeit als ganz manierlich und auch für Kathis Belange ist er gar nicht mal so nutzlos.

„Aber jetzt erst recht“ beginnt handlungstechnisch turbulent und filmästhetisch schnittig. Entsprechend auf Zack ist auch die Heldin, doch dann geht ihr die Puste aus – und auch später hängt Kathi Pfeiffer gelegentlich etwas durch. Die allseits patente Problemlöserin ist sie keineswegs. Jutta Speidel verkörpert sie, folgt all ihren Höhen und Tiefen, und bei allem Hang zur launigen Oberfläche, die diese Komödie auszeichnet, verleiht sie dem munteren Treiben einen Hauch Ernsthaftigkeit. In Hansa Czypionka findet sie einen kongenialen Partner. Der Film von Nikolai Müllerschön, inszeniert ganz unter dem Motto „lieber gewollt peppig als ungewollt verstaubt“, ist entsprechend immer dann am stärksten, wenn die beiden Hauptdarsteller ein Duett haben oder Speidel eine große Komödiennummer durchzieht.

Der Film pendelt zwischen Komödie und Romanze und bedient die dramaturgischen Klischees beider Genres. Das geht auf Kosten der Glaubwürdigkeit. Da verabschiedet sich mit einem Paukenschlag der Geläuterte in Richtung Gefängnis – enttäuscht darüber, dass seine Liebste glaubt, er mache gemeinsame Sache mit den Halsabschneidern. Der Enkel, der die Wahrheit weiß, steht daneben und schweigt. Ist dann der werte Herr Nutz von dannen gezogen, klärt der junge Mann alles auf. 1000 Mal gesehen, 1000 Mal ertragen, aber irgendwann ist es das eine Mal zu viel. Geht’s nicht mal eine Spur eleganter?

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Jutta Speidel, Hansa Czypionka, Bettina Redlich, Lukas Nathrath, Gerlinde Speidel, Robert Schupp

Kamera: Wedigo von Schultzendorff

Musik: Dirk Reichardt, Stefan Hansen

Produktionsfirma: Sperl + Schott Film

Drehbuch: Gabriela Sperl, Nikolai Müllerschön

Regie: Nikolai Müllerschön

Quote: 6,45 Mio. Zuschauer (19,5% MA)

EA: 29.12.2010 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach