2 Sturköpfe im Dreivierteltakt

Uwe Ochsenknecht, Herbert Knaup, Thomas Kronthaler. Ein ziemlich seltsames Paar

Foto: Degeto / Barbara Bauriedl
Foto Tilmann P. Gangloff

Die ARD-Buddy-Komödie „2 Sturköpfe im Dreivierteltakt“ mit dem bestens aufgelegten Duo Uwe Ochsenknecht & Herbert Knaup kommt nach kleinen Startschwierigkeiten immer besser in Schwung und entwickelt sich vor allem auch dank der vielen gelungenen Tanzszenen zu einem Film voller Lebensfreude: Der Spießer Joachim und der Schmarotzer Hans sollen vorübergehend die marode Tanzschule ihrer Ex-Frau übernehmen. Als sie merken, dass Isolde sie beide reingelegt hat, raufen sie sich zusammen und drehen den Spieß um.

Aus unerfindlichen Gründen hat die sogenannte Buddy-Komödie hierzulande längst nicht die gleiche Tradition wie in Hollywood. Dabei funktionieren die Filme genauso wie viele romantische Komödien, nur ohne Kuss am Schluss: Zwei völlig unterschiedliche Männer, die sich zunächst nicht leiden können, müssen sich angesichts einer gemeinsamen Herausforderung zusammenraufen und werden schließlich Freunde. In stiller Hommage an das mit Walther Mattau und Jack Lemmon verfilmte Neil-Simon-Stück „Ein seltsames Paar“ (1968) erzählt das Ehepaar Thomas und Stephanie Kronthaler von Joachim und Hans, zwei gescheiterten Existenzen um die sechzig, die sich gegenseitig als „verklemmten Buchhalter“ (Hans über Joachim) oder als „Schmarotzer“ (Joachim über Hans) bezichtigen. Die beiden haben nur eines gemeinsam, und das ist Tanzlehrerin Isolde (Andrea L’Arronge), ihre Ex-Frau. Als sie sich ein Bein bricht, bittet sie die Männer, für sie einzuspringen. Natürlich kracht es erst mal gehörig zwischen den beiden konträren Charakteren, aber dann stellen sie fest, dass sie sich in der Tat prima ergänzen: Erbsenzähler Joachim übernimmt das Management, und der von seiner Frau vor die Tür gesetzte Lebenskünstler Hans, der sich auch schon mal am Hundefutter vergreift, sorgt für neue Kunden. Als sie dann noch herausfinden, dass Isolde sie gegeneinander ausgespielt hat, drehen sie den Spieß um.

2 Sturköpfe im DreivierteltaktFoto: Degeto / Barbara Bauried
Da staunt der Laie und der Seniorenkurs wundert sich: Carlo (Jawad Rajpoot) bringt Schwung ins Tanzstudio.

Es gibt zwar einige gemeinsame Filme von Uwe Ochsenknecht und Herbert Knaup, aber „2 Sturköpfe im Dreivierteltakt“ ist ihre erste Freundschaftskomödie. Als Paar, das nicht zusammenpasst, sind sie jedoch mindestens genauso gut wie Ochsenknecht und Lauterbach in der deutschen Version von Neil Simons Boulevard-Klassiker (2003). Die Rollenverteilung – Ochsenknecht spielt den pedantischen Joachim, Knaup den Lebenskünstler Hans – ist nur auf den ersten Blick überraschend, obwohl die umgekehrte Besetzung angesichts der jeweiligen Filmografien fast naheliegender gewesen wäre. Aber natürlich ist es viel schöner, wenn die Erwartung konterkariert wird, zumal Ochsenknecht den zwar tänzerisch begabten, ansonsten aber personifizierten „Stock im Arsch“ (Hans über Joachim) mit Krawatte unterm Pullunder bis an die Schmerzgrenze verkörpert. Er hat die Rolle des peniblen „Ordnungshüters“, der erst einmal gründlich saubermacht, auch schon in „Ein seltsames Paar“ gespielt.

Mindestens so sehenswert wie die beiden Hauptdarsteller, die vom Drehbuch mit viel Spielmaterial (inklusive einiger Slapstickmomente für Ochsenknecht) versorgt werden, ist das ästhetische Konzept des Films. Kronthaler beginnt seinen Film mit Rock’n’Roll und zeigt die passenden Bilder dazu: Die Farben sind satt, auch das Licht wirkt klassisch; schon die erste Kamerafahrt mit dem Blick auf Isoldes Neonreklame ruft eine ähnliche Stimmung hervor wie George Lucas’ Frühwerk „American Graffiti“ (1973) oder „Ku’damm 56“ (ZDF 2016, mit Ochsenknecht als Tanzlehrer!). Dazu passt auch die Ausstattung des Tanzstudios, dessen kunterbunt zusammengewürfelte Einrichtung alle möglichen Modeerscheinungen widerspiegelt und daher einerseits zeitlos, andererseits altmodisch anmutet. Insofern ist auch der wenig Anspruch versprechende Titel zutreffend: Während „Dreivierteltakt“ Nostalgie signalisiert, entspricht „Sturköpfe“ der Strategie für die ARD-Freitagskomödien, in deren Titeln sich schon Kotzbrocken, Stinkstiefel und Klugscheißer tummelten.

Soundtrack: Little Richard („Tutti Frutti“), Julio Iglesias (“Amor”), Shakira (“Waka Waka”), Twenty One Pilots (“Stressed Out”), Jamie Warnock (“Battlefield 3 Trift Shop”), Adele (“Remedy”), Elza Soares (“Mas Que Nada”), Madcon feat. Ray Dalton (“Don’t Worry”)

2 Sturköpfe im DreivierteltaktFoto: Degeto / Barbara Bauriedl
Hans (Herbert Knaup) & Joachim (Uwe Ochsenknecht) ahnen nicht, dass die clevere Isolde sie gegeneinander ausspielt. Egal, Hauptsache das Hundefutter schmeckt!

Das einzige, was den guten Gesamteindruck ein bisschen trübt, ist zumindest zu Beginn die Komposition des Films. Thomas Kronthaler hat gerade für die ARD-Tochter Degeto schon einige sehenswerte Komödien gedreht („Das Leben ist ein Bauernhof“, „Das Wunder von Merching“, „Schluss! Aus! Amen!“). Hier jedoch gelingt es ihm nicht, die verschiedenen Handlungsstränge so einzuführen, dass ein harmonischer Erzählfluss entsteht: Nachdem sich die Geschichte ausführlich mit Hans und Joachim beschäftigt hat, tauchen plötzlich aus ihrem eigenen Zusammenhang gerissene weitere Mitwirkende auf. Zwar fügen sich die verschiedenen Ebenen im weiteren Verlauf zu einem Gesamtbild, aber zunächst fragt man sich, ob man was verpasst hat. Der Geschichte tun diese Figuren jedoch enorm gut, denn sie verhindern, dass „2 Sturköpfe im Dreivierteltakt“ ein Zwei-Personen-Stück bleibt: Als Tanzlehrerin Martha (Sonia Diaz) von ihrem tumben Mann (Rainer Haustein) derart verprügelt wird, dass sie ins Krankenhaus muss, springt kurzerhand ihr Sohn Carlo (Jawad Rajpoot) ein. Erstaunlicherweise findet sein HipHop selbst bei den Senioren großen Anklang. Auch die junge Sophie (Lisa Vicari) ist ziemlich angetan von dem Lockenkopf, was dem Film eine schwer romantische „Dirty Dancing“-Szene mit fallenden Rosenblättern im Gegenlicht beschert; die erste große Hauptrolle dürfte für die junge Lisa Vicari nur eine Frage der Zeit sein.

Weil Carlo die Idee hat, mit sämtlichen Tanzschülern ein Werbevideo zu drehen, steuert die Geschichte geradewegs auf ein märchenhaftes Ende zu; bis Marthas Mann seine Wut an der Tanzschule auslässt. Dank der vielen Tanzeinlagen ist „2 Sturköpfe im Dreivierteltakt“ auch ein bisschen Musical, zumal die Truppe ausgezeichnet choreographiert ist, was angesichts der heutzutage knapp bemessenen Drehzeit sicher eine Herausforderung war. Das gilt vor allem für die ausführliche Schlusssequenz mit dem gesamten vielköpfigen Ensemble. Aber der Aufwand hat sich gelohnt: Die Szene am Brunnen vor dem Münchener Friedensdenkmal ist ein hinreißendes Finale für einen Film voller Lebensfreude.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

1 Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Uwe Ochsenknecht, Herbert Knaup, Andrea L’Arronge, Jawad Rajpoot, Lisa Vicari, Maria Bachmann, Sonia Díaz, Monika John, Kerstin de Ahna, Herman van Ulzen, Katarina Klaffs, Rainer Haustein

Kamera: Christof Oefelein

Szenenbild: Antonia Wagner

Kostüm: Carola Raum

Schnitt: Melanie Landa

Musik: Martin Unterberger

Produktionsfirma: die film gmbh

Produktion: Uli Aselmann, Sophia Aldenhoven

Drehbuch: Stephanie Kronthaler, Thomas Kronthaler

Regie: Thomas Kronthaler

Quote: 3,85 Mio. Zuschauer (12,3% MA)

EA: 10.03.2017 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach